Harte Reden. Fritz Binde
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Aber sieh dir nur einmal das steinige Land an. Was dem hartgetretenen Wege mangelt, nämlich die Öffnung, findest du hier überreichlich. Steiniges Land ist heiß; denn es besteht gewöhnlich aus einer nur dünnen Erdschicht, und darunter ist meist Felsengrund. Darum ist es allenthalben rissig, geborsten und offen und eben – steinig. Fliegen da Sämlein oder fallen da Samenkörner in die Ritzen, Risse und Spalten, so haftet es schnell und geht bald auf; aber beim ersten heißen Sonnenbrand verwelkt und verdorrt es: die Erdschicht war zu dünn, der darunter befindliche Felsgrund zu hart, das junge Pflänzlein konnte nicht Wurzel nach unten schlagen; nun musste es sterben.
Gibt es denn Menschenherzen, die diesem steinigen Lande gleichen? Auch hier irrt sich der unvergleichliche Herzenskündiger nicht. Menschen, die ein Herz haben, das wie das „Steinige“ ist, sind mindestens so häufig auf unserer Erde, wie die, deren Herz dem harten Wege gleicht. Ich begegne ihnen immer wieder und weiß, dass ich auch jetzt zu vielen von ihnen rede. Es ist immer derselbe Schlag. Sie sitzen da und hören leuchtenden Auges und lächelnden Angesichts; manche sogar zu Tränen gerührt. Nicht selten kommen sie nach Schluss des Vortrages und drücken einem die Hand. „Es hat mir sehr, sehr gut gefallen!“ versichern sie bewegten Herzens, „ich werde morgen wiederkommen und auch noch andere mitbringen!
Und sie kommen wieder, und sie bringen mit. O, du siehst es ihnen an: sie nehmen das Wort auf mit Freuden. Es geschieht etwas in ihnen. Sie bleiben nicht gleichgültig, o nein, ihr Herz ist durchaus offen für das lebendigmachende Wort. Da ist nichts verschlossen, da scheint nichts unergiebig; alles an ihnen ist Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit. Auch ihre Angehörigen merken etwas. Sie wollen sich freuen und sagen: Sieh nur die freudige Bereitwilligkeit, mit der er, sie, jedes Wort aufnimmt! Sieh nur, wie es bereits keimt, sprießt und grünt in seinem, ihrem Herzen! Und er selbst, der Mensch mit dem Herzen, das ist wie das Steinige, wie freut er sich des jungen, frischen Schusses in seinem Inneren! O, Leben, Leben regt sich innerhalb des Gefüges und Geschiebes seines, ach, doch so steinigen, ja, steinernen Herzens!
Ein ganz neues bewegt sich, hebt sich, begehrt Raum und bekommt ihn, drängt nach Gestaltung und Ausdruck und findet beides. Und wie er das nächste Mal im alten Freundeskreis sitzt, geht ihm von dem, was ihm das Herz bewegt, der Mund über. So freudig wie er das Wort aufgenommen, so freudig teilt er jetzt die Überraschung seinen Gefährten mit, nichts anderes erwartend als zustimmende Mitfreude. Aber da kommt er schön an. Verrückt nennen sie ihn. Eselhaft finden sie ihn. Übertölpeln und verdummen habe er sich lassen. Das Opfer einer raffinierten Suggestion sei er geworden. An seinen gesunden Menschenverstand erinnern sie ihn. An seine vernünftige Denkkraft appellieren sie. Ob er denn ein Mucker, ein Pietist werden wolle. Wenn ja, so sei es zwischen ihnen und ihm aus, ein für alle Mal aus. Das solle er sich doch noch einmal überlegen; denn das könne doch nimmermehr sein ernstlicher Wille sein. Jeder Satz trifft ihn wie ein sengender Feuerstrahl. Er errötet, wankt innerlich, weicht, gibt zu, gibt preis, schämt sich, ärgert sich bereits seines Erlebnisses. Er fühlt, wie das junge Pflänzlein in seinem Herzen, vom sengenden Hitzestrahl getroffen, das grüne Köpfchen senkt, merkt, wie es ermattet hinsinkt, umsinkt; die Blättchen klatschen am Stengel herab; verwelkt, verdorrt liegt es auf dem Boden seines Herzens, das da ist wie ein steinig Land. Und es erholt sich nicht wieder. Noch einen Tag, noch eine Woche vielleicht nach jener Stunde mörderischer Hitze, und der „Wetterwendische“ greift mit geärgerter Hand nach dem verwelkten Grün auf dem Boden seines Herzens, das ihm einst so viel Freude bereitet hatte, reißt es wie lose sitzendes, gestorbenes Unkraut aus, und wirft es höhnend auf den Kehrichthaufen seines Lebens. –
Das ist die alte und auch immer wieder neue Geschichte des Menschen, dessen Herz ist wie das „Steinige“.
Menschenkind, ist es deine Geschichte? Oder wird es deine Geschichte werden? Wiederum bitte ich: Stehe still und bedenke! Höre wieder: Verwelktes und verdorrtes Gotteswort! Auf deinem Herzensboden erstorbenes Gottesgut! Das einzige Mittel, dein Herz zu kultivieren, zu erneuern, das heißt fruchtbar zu machen für Gott, und – verwelkt, verdorrt? Und wiederum muss ich ausrufen: Welch ein Verlust! Bitte, wende dich deiner Vergangenheit zu! Was musst du da sehen? Was hat deine Hand getan? Was dein Mund? Was ist aus dem Pflänzlein geworden, das einst in deinem Herzen keimte? Was aus der Freude, die du einst an deinem Heiland und an seinem Worte hattest? O, du weißt es wohl! Du weißt es wohl! Du weißt es nur zu gut: auf die Miste hast du das verwelkte Pflänzlein geworfen! Und vielleicht hast du noch mit dem Fuß darauf getreten!
Siehe, du gehörst zu den Menschen, die eine gewisse religiöse Veranlagung haben. Eine dünne Schicht von Empfänglichkeit für Gottes Wort ist bei dir vorhanden. Es ist die Zone deines Gefühls- und Gemütslebens, die sehr leicht zu bewegen ist. Aber was deinem Herzen fehlt, das ist die Tiefe. Unter der dünnen Schicht deiner gefühlsmäßigen religiösen Empfänglichkeit lagert schwer und unbewegt das mehr als granitener Urgestein deiner echt adamitischen Selbstliebe und Selbstherrlichkeit, in die das Wort Gottes nicht zersprengend hinabzudringen vermochte. So konnte es nicht Wurzel in dich schlagen und lebenskräftig werden. Du dachtest gar nicht daran, dich deinem Lebensherrn Jesus Christus und damit deinem Gott wirklich preiszugeben.
Es kam nie zu einer ganzen und tiefen Hingabe deines Wesens und Willens an deinen Erlöser. Nie wurde die unbedingt nötige Tiefe jener Selbstverneinung bei dir gelotet, die dem eigenen Ich aufs grundsätzlichste misstraut und dem unsichtbaren Gott aufgrund seines Wortes bedingungslos glaubt und vertraut. Und weil diese unbedingt nötige Tiefe in dir fehlte, so konnte der lebendige Christus nicht durch den Glauben mit der Kraft des Heiligen Geistes wurzeln in deinem Herzen. Der erste Hitzestrahl des ungläubigen Spottes und der hassbereiten Verfolgung tötete das wurzellose Pflänzlein in dir.
Aber du brauchst kein Mensch mit dem steinigen Herzensacker zu bleiben. Lass den Hammer des göttlichen Wortes den Felsen deiner selbstsicheren Ichgröße zerschlagen und zerschmeißen! Lass das Dynamit der Liebe Gottes in Christo Jesu die Grundfesten deiner Selbstherrlichkeit sprengen und zerstören! Lass das trügerische und unfruchtbare Bollwerk deines steinigen Herzens in Staub und Trümmer legen! Denn das allein gibt den rechten Dünger für die Kultur deines Herzens, und Gott wird in dein zerschlagenes Herz einziehen und die Wüste zum Fruchtgefilde machen.
Wirst du diese Eroberung der Tiefe deines Wesens durch Gott in Christo wollen?
Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Kultur der Herzen!
Ein drittes Herzensland zeigt uns der Herzenskündiger ohnegleichen. Keinem Wege gleicht es, von dem man nicht Frucht erwarten kann. Auch nicht dem Steinigen, in dem nichts wurzeln und reifen kann, gleicht es. Kein nackter, harter Weg, kein offenes, steiniges Land ist es. Nein, es ist bereits bestandener, bewachsener Boden; es ist überwucherter Boden. Es gleicht der stachligen Dornenhecke.
Viel Ackerland ist von Dornenhecken umsäumt. Da sieh hinein, wie lose der Boden, wie tief durchwurzelt die Erde, und wie feucht, dumpf und schwül es da drinnen ist. Fällt da ein Samenkorn, fliegt da ein Sämlein hinein, so findet es jede nötige Öffnung und Tiefe. Es kann nach unten wurzeln, um nach oben zu sprießen. Und es wächst. Aber es wächst nicht allein. Es hat Konkurrenz. Die Dornen wachsen auch. Und die Dornen sind älter als das Pflänzlein. Und stärker, viel stärker. Mit ihrem gewundenen, spitzbewaffneten Arm trachten sie dem fremden Grün in ihrer Mitte nach dem Leben. Umfassen es, rauben ihm Licht und Luft und ersticken es.
Das ist das Schicksal des Samens in der Dornenhecke.
Kann man denn ein Menschenherz mit solch einer stachligen Dornenhecke vergleichen? O, der Herzenskündiger ohnegleichen irrt sich nicht. Das Menschenherz, das der Dornenhecke gleicht, findet man mindestens so häufig wie jene Herzen, die dem Wege und