Digitale Medizin. Группа авторов

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wie schwieriges Thema sind beispielsweise Gesundheitsdaten. Der Deutsche Ethikrat formulierte 2017 in seiner einschlägigen Stellungnahme „Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung“:

       „Von diesen erwartbaren Dynamiken [in den technischen Anwendungen in der biomedizinischen Forschung und Praxis] sind zum einen ethische Orientierungsmuster betroffen, die normativ und evaluativ die Rolle, Funktion und Stellung des Individuums thematisieren, das Big-Data-Anwendungen nutzt. Zu den in dieser Hinsicht relevanten Begriffen gehören Freiheit und Selbstbestimmung, aber auch Privatheit und Intimität, Souveränität und Macht sowie Schadensvermeidung und Wohltätigkeit, die im Kontext intensiver Datensammlung und -verwertung eine Rolle bei der Gestaltung normativer Schutzkonzepte spielen. Sie alle bringen den Wunsch und den Anspruch des Individuums zum Ausdruck, nicht einfach zum Objekt von Datenströmen und den auf diese angewandten Algorithmen zu werden, sondern ein hinreichendes Maß an Kontrolle, Souveränität und Macht über die eigenen Daten zu behalten oder sich zumindest auf die Wahrung ihrer Interessen durch Dritte verlassen zu können.“47

      Die ethische Bewertung, zudem wie in vorgenannter Quelle im Kontext der Würdigung der rechtlichen Normenquellen, ist hochkomplex und vierschichtig. Ein konkretisierendes materiales Beispiel ist der hochstrittige Begriff des „Dateneigentums“. Was dem Alltagsverständnis durchaus plausibel erscheint, nämlich der persönliche Besitzt insbesondere „meiner“ Gesundheitsdaten, ist zunächst rechtlich differenziert zu bewerten und abzuweisen. Der Ethikrat resümiert hierzu in obiger Schrift:

       „Der umgangssprachlich genutzte Begriff ‚Eigentum an Daten‘ bildet den Ausgangspunkt für zahlreiche Konflikte. Es gibt eine Vielzahl von Personen, die aufgrund der Tatsache, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Erfassung, Analyse und/oder Verknüpfung von Daten leisten, sich als deren Eigentümer bzw. Miteigentümer (miss-)verstehen und deshalb ausschließliche Nutzungsrechte für sich reklamieren. Demgegenüber ist festzuhalten, dass ein Eigentum an Daten im Rechtssinne nicht existiert. Eigentum kann nur an (beweglichen oder unbeweglichen) Sachen bestehen. Daten sind aber gerade keine körperlichen Gegenstände und daher keine Sache. Eine Anwendung der Regelungen für das Sacheigentum auf Daten scheidet daher nach geltendem Recht aus. Daten unterfallen für sich gesehen mangels einer ausreichenden Bearbeitung auch nicht den Regeln des Immaterialgüterrechts und können daher nicht einmal als ‚geistiges Eigentum‘ bezeichnet werden. Die oben beschriebene eigentumsanaloge Ausgestaltung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ändert hieran ebenso wenig wie das neue Recht auf Datenportabilität aus Art. 20 DSGVO. Dieses besitzt zwar faktische Auswirkungen auf die Zuordnung von Rechten an Daten, verhält sich aber nicht zur Frage des Eigentums.“48

      Eine Auffassung, die auch die Datenethikkommission der Bundesregierung in ihrem Gutachten von 2019 teilt:

       „Vielfach tragen unterschiedliche Akteure in unterschiedlichen Rollen zur Generierung von Daten bei – sei es als Subjekt der Information, sei es als Eigentümer einer datengenerierenden Vorrichtung, sei es in einer anderen Rolle. Ein solcher Beitrag zur Generierung von Daten sollte nach Auffassung der DEK aber nicht zu exklusiven Eigentumsrechten an Daten führen, sondern vielmehr gegebenenfalls zu Datenrechten in der Form spezieller Mitsprache- und Teilhaberechte eines Akteurs, mit denen korrespondierende Pflichten anderer Akteure einhergehen.“49

      Das bis 2020 amtierende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, der deutsche Theologe Peter Dabrock formuliert gemeinsam mit seinen Co-Autoren in einer Untersuchung zu den ethischen Perspektiven des Dateneigentums:

       „Data ownership thus expresses stances on the redistribution of material resources and socio-cultural recognition of data subjects in a datafied and data-driven lifeworld. It is mindful of the fact that the perspective of recognition, even if perceived to be prior, is entangled with distributive conditions, on which it can encode commitments as well. According to some critics, marketability and propertization are instances where this dialectic tips in a one-sided manner towards a kind of economization that can raise tensions with constraints from the cultural sphere in which it is embedded. Informational self-determination requires both redistribution and recognition, and the different dimensions of data ownership overlap with and across these spheres. […] We conclude from the foregoing that the notion of data ownership is rife with tensions and perplexities. They arise independently of whether or not the reasons for or against data ownership prevail, and concern the question of what it would mean to recognize data ownership. […] Data ownership is not restricted to protective rights, but involves much more: to put data owners in a position to enjoy participation and inclusion in societal endeavours. Finally, there is disagreement on whether data is owned by individual data subjects, data processors, and/or collectives like society as a whole.“50

      Die Auffassung, dass Dateneigentum auf der Grundlage der nicht-beschriebenen Eigentumseigenschaft von Daten nicht gegeben sei rechtlich, ist im diesem Sinne nicht entscheidend; im hier angelegten konstruktivistischen Verständnis wäre eine Neuinterpretation und -bewertung des Zusammenhanges angezeigt. Man erkennt, dass solche Reflexionen einen Ausbildungshintergrund erfordern, der wichtig ist, um zumindest dem Grund nach – ohne Philosoph, Theologe, Jurist et al. zu sein – ausreicht um die entsprechenden kontextuellen und bewertenden Einordnungen vorzunehmen oder auch nachzuvollziehen. Gerade im Falle der Gesundheitsdaten wird die Frage der Verteilung möglicher Datengewinne monetärer und auch nicht-monetärer Art noch stärker in den Vordergrund rücken. Bisher sind die Personendaten des Individuums eher von geringem direkten Wert – wie sich leicht aus den beispielsweise Kaufpreisen, die von der Digitalindustrie für Unternehmen gezahlt werden, errechnen lässt (beispielsweise hat IBM noch 2016 Truven Health Analytics übernommen für rd. 2,6 Mrd. US-$ bei in der Größenordnung von mind. 100 Mio. Patientendaten – also 26 Dollar Wert pro Datum).51 Diese Wertbemessung dürfte sich allerdings dann verschieben, wenn die Präzisionsmedizin mehr in den Fokus rückt. Spezifische Daten beispielsweise rund um ein bestimmtes Krankheitsbild haben deutlich höhere Werte, vor allem im Bereich der molekulargenetischen Medizin. 2018 hat der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline für 300 Mio. US-$ Dollar Kaufpreis einen Anteil am US-amerikanischen Gen-“Start-up“ 23andMe (gegründet 2007) bezahlt und damit Zugriff auf Gendaten für die Arzneimittelentwicklung erhalten – wogegen sich diverse Datenschutzsorgen vor allem in Europa und Deutschland artikulierten.52 Mittlerweile ist die Big-Data-Drug-Development-Strategie aufgegangen insofern mit der spanischen Almirall in 2020 eine zweite Unternehmung auf spezifische Produkte von 23andMe setzt, in diesem Fall eine Molekül, welches von 23andMe designed Almirall für die Herstellung eines Autoimmunpräparates nutzt.53 Ob diese Tendenz allerdings normativ wünschenswert ist, muss weiter kritisch ebenso diskutiert werden, wie die ökonomischen Folgewirkungen und die Grundfrage der sozialen Entstehung von Daten.

      Abb. 4Reflexionsdimensionen der Digitalisierung und Ethik in Medizin und Gesundheitswesen

      Gleichsam quer zu den Diskursen über Berufsbild und Berufsausbildung von Ärzten liegen gesellschaftliche Diskurse über Größen und Grenzen der Entwicklungen digitaler Medizin von Technologiephobie bis zur Digitaleuphorie. Im aktuellen Diskursdickicht aus medizinisch überzeugenden Use Cases, fehlender Ground Truth und schlechten oder keinen klinischen Daten, überzeugender Patientenwirkungszentrierung, fehlender digitaler Souveränität der Patienten und des medizinischen Personals, gelingenden regulatorischen Initiativen, und datenschutzrechtlichen Komplexitäten, eHealth Pionieren, und einer digital noch immer zu uninformierten Medizinerausbildung (aber auch Weiterbildung konkret vor Ort) zu navigieren, ist durchaus nicht einfach. Eine Navigationsunterstützung im Sinne von beispielhaften, relevanten Fragestellungen einer Ethik der digitalen Medizin und Gesundheitswirtschaft erscheint sinnvoll (s. Abb. 454).

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