Himmlisches Herzflüstern. Michael Stahl

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Himmlisches Herzflüstern - Michael Stahl

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Wenn unser Pfarrer zu Besuch kam, hörte er mehr und mehr aufmerksam zu und genoss es, gesegnet zu werden. In dieser Zeit hat er ziemlich oft gefroren. Mein Onkel zeigte Schwäche, das kannte ich fast gar nicht von ihm.

      2006 lernte ich meine zweite Frau kennen. Ich kannte es bis dahin nicht, dass Menschen sich in den Arm nehmen. (Nach der Versöhnung mit meinem Papa mussten er und ich noch fast zwei Jahre trainieren, wie das mit dem In-den-Arm-Nehmen geht.) Meine Frau jedoch umarmte Tante Elfriede und meinen Onkel Heinz bei jeder Begrüßung und bei jeder Verabschiedung ohne Zurückhaltung. Das beobachtete ich und sehnte mich auch danach, so locker damit umgehen zu können. Ja, ich war ein wirklich verletzter und kaputter Typ (und stehe immer noch in einem Heilungsprozess). Wenn ich meinen Onkel bei Verabschiedungen drückte, dann eher flüchtig. Doch unsere Sehnsucht, seine und meine, war viel größer.

      ***

      Er wurde älter, schwächer und nachdenklicher, und ich durfte ihm schließlich von der besten Botschaft der Welt berichten: dass Gott in seinem Sohn zu uns gekommen war, um uns von aller Schuld freizumachen; dass Jesus alle Antworten auf alle Warum-Fragen kennt; dass Jesus selbst die Antwort ist; dass Gott unsere verletzten Herzen gesundlieben möchte. Aufmerksam saugte er jedes Wort in seinem Herzen auf.

      ***

      Eines Abends, als ich zuhause war, klingelte das Telefon. Wenn du es gestattest, nehme ich dich jetzt einfach mit in die damalige Gegenwart:

      Tante Elfriede ist am Apparat, und sie ist panisch: „Komm schnell! Heinz ist schwer gestürzt!“

      Hastig renne ich zum Auto und fahre los. Mein Herz ist aufgeregt und schwer zugleich. So rase ich die kurze Strecke, um dem zu Hilfe zu eilen, der mir selbst so oft zur Seite stand.

      Weinend und völlig aufgelöst öffnet meine Tante die Tür. Da sitzt er, mein Onkel Heinz, auf dem Fußboden des Wohnzimmers, neben seinem wunderschönen Aquarium. Schwach und zerbrechlich sieht er aus, der Mann, der für mich Ali, Bruce Lee und Bud Spencer sowie Wikipedia in einem verkörpert.

      Er ist die Treppe hinuntergefallen und trotz all seiner Schmerzen ins Wohnzimmer gekrabbelt. Nun sitzt er aufrecht auf dem Fußboden und zeigt Haltung, trotz allem.

      „Ich rufe den Notarzt!“ sage ich.

      „Nein!“, schreit meine Tante, „dann kommt er nie wieder nach Hause!“

      Mein Onkel schaut mich an. Ich sehe so unendlich viel Vertrauen in seinem Gesicht. „Wenn du meinst, dann mach das“, flüstert er mir zu.

      Meine wunderbare Cousine kommt dazu, und wir beide tun, was zu tun ist. Immer wieder schreit meine Tante: „Keinen Notarzt, sonst kommt er nie wieder nach Hause!“

      Der Rettungsdienst kommt und die Sanitäter bringen meinen Onkel in den Rettungswagen. Bevor sie abfahren, schließt einer der Sanitäter die Tür und sagt: „Vermutlich Oberschenkelhalsbruch. Die alten Leuten kommen selten wieder, nur zur Info …“ Die Worte treffen mich bis ins Mark.

      Ich fahre dem Krankenwagen hinterher. An den Schatten hinter dem Milchglasfenster sehe ich, wie sie Onkel Heinz versorgen. Ich weine und bete die ganze Fahrt hindurch. Was auch sonst? Horoskope befragen? Das Universum oder die universelle Energie um Hilfe bitten? Keine Alternative für mich!

      Im Krankenhaus angekommen, warte ich, bis mein Onkel geröntgt und notversorgt ist. Als ich zu ihm darf, liegt er kreidebleich und schwach in seinem Bett.

      „Onkele, weißt du noch, wie oft wir über Jesus gesprochen haben und wie du stets gemeint hast, es sei egal, an wen und was man glaubt? … Aber es ist eben nicht egal, an wen wir unser Herz verschenken und wem wir von ganzem Herzen vertrauen. Gott kam doch in Jesus zu uns, um uns mit sich zu versöhnen, und um uns den Frieden zu schenken, den uns diese Welt nicht geben kann … Mach doch heute Nacht Frieden mit Gott, Onkele, ja … ?!“

      Mit dankbaren Blicken lauscht er meinen Worten. Es scheint, als könne er zum ersten Mal etwas von mir für sein Herz nehmen.

      Am nächsten Morgen gehe ich zum Juwelier und kaufe ihm eine silberne Halskette mit einem Kreuzchen. Mit meinem Liebesgeschenk bewaffnet, eile ich ins Krankenhaus zu meinem Onkel.

      „Na, hast du mit dem Boss gesprochen?“, frage ich, als ich an sein Bett trete, und er antwortet:

      „Ja, vorhin habe ich mit dem Oberarzt geredet.“

      Ich musste lächeln: „Nein, Onkele, nicht mit diesem Boss, sondern mit dem da oben!“ Ich zeige zum Himmel.

      Er lächelt und flüstert: „Ja, mit ihm hab’ ich heute Nacht auch gesprochen. Nun habe ich Frieden mit Gott gemacht …“

      Frieden mit Gott, ja, um diesen Frieden geht es von der ersten bis zur letzten Sekunde in unserem Leben. Nicht ständig um das, was man tun muss, was man darf und nicht darf, Leistung hier und Leistung da … Es geht um Frieden mit Gott; dem Gott, der Liebe ist – nichts als Liebe. Je mehr wir in, mit und durch diese Liebe leben, desto mehr wird das Gute in uns selbst „hervorgeliebt“.

      Liebe liebt das Gute in uns hervor.

      Ein paar Tage später besuchen wir Onkel Heinz – meine Frau, meine Tochter und ich. Beim Verabschieden beugt sich meine Frau über sein Bett und drückt ihn herzhaft. Danach beuge auch ich mich über ihn und sage ihm, dass ich ihn liebhabe. Seine Antwort ist ein Flüstern: „Ich hab’ dich lieb, Miggi!“

      Kaum traue ich meinen Ohren; nach all den Jahren kommt es zum ersten Mal über seine Lippen. Während meine Augen ihn kurz etwas verdutzt anschauen, haben mein Herz und mein Mund schon geantwortet: „Ja Onkele, ich dich auch – soo sehr!“

      Ich laufe halb um sein Bett herum und stehe am Fußende. Da muss er es mir noch einmal sagen: „Hörst du, Miggi? Lieb hab’ ich dich! Und pass auf dich auf!“

      Tief berührt und um Fassung ringend antworte ich: „Ja ich hab’ dich auch lieb! Na klar, pass ich auf mich auf!“

      Ich folge meiner Frau und meiner Tochter zur Türe, doch bevor ich sie hinter mir schließen kann, höre ich noch einmal seine Stimme: „Miggi?!“

      „Ja?“ Ich schiebe meinen Kopf zurück durch die Tür. (Jetzt, während ich schreibe, treffen sich in der Rückschau noch einmal unsere Blicke.)

      „Ich hab’ dich lieb, vergiss das nie!“ Sein Herz steht himmelweit offen und strömt über vor Liebe und Frieden. All die Fragen, die ihn sein Leben lang beschäftigten, die wie Wellen auf hoher See waren, sind zur Ruhe gekommen, weil er nun den in seinem Herzen trägt, der Wind und Wellen stillt.

      „Ich hab dich auch lieb, Onkele“, flüstere ich ein letztes Mal in Resonanz auf dieses wunderschöne Herz …

      ***

      Zwei Tage später klingelt unser Telefon. Meine Frau geht dran, legt kurz darauf fast wortlos wieder auf und sagt flüsternd, was ich in meinem Herzen schon weiß: „Onkel Heinz ist heute Nacht in den Himmel gegangen.“

      ***

      In der Friedhofskapelle verabschieden wir uns noch einmal von ihm, doch es ist nur seine Hülle, sein Zelt, in dem er wohnte, als er hier auf der Erde war. Ich sehe diesen toten Körper, in dem er gelebt hat, mein Vorbild und mein Held. Kein Leben mehr darin. Meine Tante küsst und streichelt ihn. Unendlich viele Tränen fließen und sie flüstert immer wieder: „Bitte geh nicht, bleib bei uns …“

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