Gesprochene Verbrechen. Heike Gerdes

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Gesprochene Verbrechen - Heike Gerdes

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hab ihr den Fernseher sogar umgedreht und lauter stellen durfte sie ihn auch. Und als ich nach einer Woche alle Teile zurechtgesägt hatte, da hab ich alles fein säuberlich weggeräumt, damit sie Platz hat, um ihren geliebten Teppich zu saugen. Ist auch nicht viel leiser als meine Säge, aber mecker ich etwa?

      Ein bisschen mehr Aufwand ist das schon, in meiner kleinen Werkstatt alles auszulegen, und die kleinen Leimzwingen taugen auch nur, um die kleineren Teile der Aufbauten und Fanggeschirre zu kleben. Für den Rumpf hab ich mir schon ein paar anständig große angeschafft.

      Während das Kajütdach trocknet, schaue ich mal wieder aus dem Fenster, wie ich das so gerne mache, und stelle mir mein Schiff vor, wie es im Sielhafen ablegt, nach links ins Emsfahrwasser einbiegt und stromab Kurs auf die offene See nimmt. Auf einmal schiebt sich da doch eine Wand in meine Träume, so ein richtiges Hochhaus, wie es sie in Ostfriesland doch gar nicht gibt. Es dauert einen Moment, bis ich begreife, was da hinterm Deich vorbeikommt. Sonst hat man ja immer gleich gemerkt, wenn wieder so ein riesiges Kreuzfahrtschiff die Ems runtergeschleppt wurd, weil dann schon von weitem diese Schnulze über die Wiesen dröhnte: Time to Say Goodbye. Aber seit neuestem dürfen die das nicht mehr, jedenfalls nicht, wenn sie durch den Landkreis Leer fahren. Stört die Vögel, sagt die Behörde. Als ob tote Vögel sich noch groß an was stören. Die sind doch alle längst abgesoffen, wenn das Schiff kommt, weil die Ems dafür so hoch aufgestaut wird, dass die Brühe über die Wiesen schwappt und garantiert kein Vogelnest mehr übrig bleibt. Und die alten Vögel wären durch die Musik ja vielleicht noch in Stimmung gekommen, ein paar neue Eier anzusetzen, aber das fällt jetzt auch flach.

      Von der Werkbank aus sehe ich nur die oberen Decks, deshalb trete ich ans Fenster, tausche die Lesebrille gegen die für Fernsicht und schau mir den ganzen Zauber mal genauer an. So weit ich gucken kann, keine Schafe auf dem Deich, sondern alles voll Touristen. Turnen da den Deichhang hoch übers Gras, weil die Treppen verstopft sind, und stehen dicht gedrängt auf der Deichkrone. Aber wehe, unsereins will mal da spazieren gehen, dann heißt es gleich, das gefährdet die Deichsicherheit. Die da jetzt stehen mit ihren Ferngläsern, Fotoapparaten und Videokameras, die gucken zu Hause bestimmt immer »Traumschiff« und lesen das Goldene Blatt oder die Neue Post, damit sie wenigstens aus zweiter Hand den ganzen Luxus mitkriegen, den sie sich genauso wenig leisten können wie Trine und ich.

      Eins muss man diesen Emsländern ja lassen: Schiffe bauen können die. Und sie sorgen natürlich auch dafür, dass das jeder mitkriegt. Wenn ich mich mal drum kümmern würde, dass ich mit meinen Schiffen in die Zeitung komme oder ins Fernsehen, dann müsste ich auch nicht mehr um neue Werkzeuge betteln oder darum, dass ich mehr Platz für meine Arbeit kriege. Und dabei haben die auch mal klein angefangen mit ihrer Werft. Nicht mit Modellschiffen, klar, das nicht. Aber mit Fischkuttern, Gastankern und später dann mit Viehtransportern. So peu a peu wurde das dann immer größer und jetzt haben die eine Halle, in der sie Schiffe bauen können, die nicht mal mehr durch den Panamakanal passen, weil sie zu lang, zu breit und zu tief sind, nur noch durch die Ems. Die machen das wie ich beim Modellbauen: immer nach dem Motto »Was nicht passt, wird passend gemacht.« Nur, dass sie nicht die Schiffe dem Fluss anpassen, sondern den Fluss den Schiffen.

      Mit dem Hintern voran wird der Luxusliner von zwei Schleppern den Fluss runtergezogen. Aber irgendwann wird der Pott die eigenen Maschinen anschmeißen, vier Stück sind es wohl mit 50 000 PS. Möchte ja nicht wissen, was die so schlucken.

      Mein Trawler wird ja bestimmt ganz hübsch, aber raus auf See wird er nie fahren, wird wie die anderen Modellschiffe hier fest und tot liegen, bis mich irgendwann zwei Mann aus meiner Dachwohnung schleppen, nicht dem Hintern voran, aber mit den Füßen. Und dann wird Trine die ganzen toten Schiffe auf den Sperrmüll schmeißen. Mein Traum von der Seefahrt schmeckt mit einem Mal schal.

      Ein Schiff muss fahren, nicht liegen. Soll ich einen Motor in meinen neuen Trawler einbauen? Gehen müsste das. Aber wenn Trine schon elektrische Lokomotiven zu teuer findet, wird sie das bestimmt nicht genehmigen.

      Ein Segelboot ist da doch das kleinere Übel, das wird sogar ihr einleuchten. Irgendwo muss ich doch noch einen Plan haben …

      *

      Ich weiß gar nicht, was Trine jetzt schon wieder hat. In einen Schuppen will sie mich ausquartieren, unten beim Hafen. Dabei hab ich immer gesagt, aus meiner Wohnung geh ich nicht raus, nur mit den Füßen voran. Nur weil mein neues Boot ein bisschen größer wird als die anderen, geb ich doch nicht meine schöne Werkstatt hier auf. So eine Schnapsidee, ich soll meine Boote nicht mehr in der Wohnung bauen. Gut, das Kinderzimmer ist ein bisschen klein dafür, aber das Wohnzimmer reicht allemal, schließlich wird mein Boot nur sechs Meter lang. Die Endausrüstung mit Mast und Rigg, die kann ich dann meinetwegen unten am Hafen machen. Aber alles andere mach ich hier in meiner Werft, hier hab ich schließlich mein Lebtag Boote gebaut. Die Papenburger haben es sogar noch weiter als ich, die müssen ihre Schiffe sechsunddreißig Kilometer schleppen, bis sie am tiefen Wasser ankommen, und bauen die etwa ihre Werft woanders hin? Na also!

      Für die paar Wochen kann Trine auch zu Christine ziehen, wenn ihr das hier zu laut und unbequem wird. Sie freut sich doch immer so, wenn sie ihre Enkelchen mal wieder sieht.

      Könnte ein bisschen schwierig werden, die Jolle die Treppe runterzuschaffen, weil so ein Boot ja nicht nur seine Länge hat, sondern auch eine gewisse Breite. Vielleicht reicht es ja schon, das Treppengeländer abzumontieren. Und wenn nicht – so ein paar Dachpfannen sind ruckzuck runtergenommen. Boot an den Kran, ab durch die Lücke und die Ziegel wieder drauf. Und wenn das Boot dann so weit fertig ist und zur Endausrüstung unten am Hafen liegt, räume ich die Sache aus dem Wohnzimmer, hänge die Tür wieder ein und Trine kann wieder in Ruhe den Teppich saugen.

      Trine, leg das mal besser weg, das ist nichts für dich. Pass auf, Trine, das Ding ist höllisch scharf.

      Trine, nicht die Axt!

      Nestbau in Weener

      »Er ist ja so geschickt, unser Renko!« Das hatte schon seine Mutter mit stolzgeschwellter Brust verkündet, als sie uns das erste Mal in der allerersten Wohnung besuchte, die ich mit Renko bezogen hatte. Die Augen vor Rührung feucht, so stand sie vor dem Schlüsselkasten, den Renko mir zum Einzug getischlert hatte. »Damit du nicht immer nach deinem Schlüssel für unser kleines Nest suchen musst, mein Herzblatt!«

      Nun hatte ich zwar noch nie Probleme damit gehabt, meine Schlüssel zu finden. Ich hatte mir schon längst einen hochmodernen Keyfinder ans Bund geclipst. Ein Pfiff, und schon antwortete das Schlüsselbund. Trotzdem war ich natürlich dankbar für diesen schulheftgroßen Kasten aus Sperrholzplatten, denn der hatte sogar einen laubgesägten Aufsatz in Schlüsselform.

      »Wat mooi!«, befand Renkos Mama, und ich nickte glücklich.

      Warum hätte ich auch nicht froh und dankbar sein sollen? Er war wirklich so geschickt, mein Renko. Alle meine Freunde und Verwandten sagten es. Und so sparsam dazu, da konnten sich die anderen Männer aus der Nachbarschaft eine dicke Scheibe von abschneiden.

      Als wir, nicht lange nach unserer Hochzeit, endlich umzogen, in die Metropole des Rheiderlands, lebte Renko erst so richtig auf. Nicht nur, weil es für ihn die Rückkehr in die Heimat war und Mama mit dem Hollandrad bequem eben zum Tee herüberkommen konnte. Noch mehr als in der fernen Stadt zählte hier in Weener, was er an handwerklichem Eifer aufzubieten hatte. Der Ostfriese an sich ist gerne sparsam. Nicht ohne Grund gibt es im Plattdeutschen so viele Ausdrücke für den Gemütszustand, in dem sich auch mein Mann meist befand. Der Schotte unter den Ostfriesen aber ist der Rheiderländer. Zum Bummel in den Nachbardörfern nimmt er vorsichtshalber erst gar kein Portemonnaie mit, damit er nach ausgiebigem Gucken im Laden reinen Gewissens beteuern kann: »Ick hebb nett keen Knippke insteken.«

      Diese Gewohnheit machte sich auch Renko schnell zu eigen. Hatte ich beim

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