Magdalene und die Saaleweiber. Christina Auerswald
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Else seufzte.
Georg Rehnikel richtete sich auf. Er zog sein Wams über dem runden Bauch gerade und steckte die Börse fester in den Gürtel. Dann legte er dem Gesellen die Hand auf die Schulter und verließ den Laden mit großen Schritten. Er ging an Else vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, und blieb vor Magdalene stehen.
»Ich gehe die Apotheken ab, Lenchen«, sagte er. »Zum Abendessen bin ich wieder da.« Er lächelte, strich ihr über die Wange und beugte sich für einen trockenen Kuss hinüber. Im Gehen hob er grüßend die Hand.
Die Apotheken abgehen, das hieß die fälligen Rechnungen zu kassieren. Georg Rehnikel tat das jede Woche. Er lieferte viele Spezereien an Herrn Becker und Herrn Rudolph, die beiden Apotheker der Stadt. Das war ein zuverlässiges Geschäft. Kranke gibt es immer, in schlechten Zeiten sowieso, erst recht in guten Zeiten, da sich die Leute mehr um sich selbst kümmern können. Die guten Zeiten hatten noch nicht angefangen, obwohl man hier die größten Hoffnungen hegte, seit Halle 1680 zum Kurfürstentum Brandenburg gekommen war. Man schrieb mittlerweile den 15. September 1693. Obwohl der ersehnte Reichtum der Stadt auf sich warten ließ, hatte sich in den letzten Jahren manches getan. Seit einigen Tagen gab es eine dritte Apotheke in der Stadt, und Herr Hoffstadt, der pfälzische Apotheker, hatte schon ein paar Mineralien und Öle im Spezereienhandel bestellt. Vielleicht war das ein Beweis, dass es aufwärtsging.
Die Tür klappte hinter Georg Rehnikel, Else löste sich aus ihrer Erstarrung.
»Komm endlich in die Küche«, rief Magdalene. »Deine Arbeit wartet.«
Else antwortete nicht. Für den Bruchteil eines Augenblicks flatterten ihre Lider. Magdalene, im Vertrauen darauf, dass die Magd ihre Arbeit aufnehmen würde, streifte die klobigen Holzschuhe über und verließ das Haus durch die Hoftür. Sie holte den Rest des Mangolds aus dem Garten, der hinter dem Haus im tieferen Teil des Grundstückes lag. Er stand dort noch in seinem Beet, gut gewachsen, mit dicken Blättern. Dieses Jahr war weniger verregnet als die vergangenen und verwöhnte die Menschen mit Sonnenstrahlen. Das hatte Früchte und Gemüse im Garten gut wachsen lassen.
Magdalene legte gerade den dritten Arm Mangold in den Erntekorb, da kam die Magd Rosina atemlos aus dem Haus gelaufen. Rosina war auf einer Seite lahm, sie hinkte sonst; jetzt war sie so schnell, dass ihr verkrüppelter Fuß kaum den Boden berührte. Zehn Schritte von ihrer Herrin entfernt hob sie den Arm und winkte. In ihrem puterroten Gesicht standen die Augen groß.
»Frau Meisterin, kommt schnell«, rief sie, »mit Else stimmt etwas nicht!«
Magdalene stellte den Korb auf dem Gartenweg ab, schlüpfte aus den Holzpantinen und eilte hinter Rosina ins Haus.
Else saß in der Küche am Tisch. Im ersten Moment konnte Magdalene nichts Ungewöhnliches entdecken. Der Spülstein war blank geputzt, der Suppentopf stand auf dem Herd, das Feuer im Ofenloch knisterte. Else trug noch dasselbe Arbeitskleid mit der Schürze darüber, die hellen Ärmel aufgekrempelt. Die Kleinmagd Gertrud, die atemlose Rosina und Lichtenberg, der Geselle, umringten sie. Ihnen standen die Mäuler offen. Else hatte, wie Magdalene im Näherkommen sah, weit aufgerissene Augen und einen starren Blick zum Fenster hinaus. Die Hände hielt sie erhoben wie ein Priester bei der Segnung. Sie gab merkwürdige Töne von sich, die dem Knurren eines Hundes glichen. Rosina fröstelte. Magdalene sah den Schauder, der über die nackten Unterarme ging und die Härchen auf ihrer Haut steil aufrichtete.
»Else, was treibst du für einen Unsinn«, fuhr Magdalene sie an. Else zuckte nicht, sie stieß weiterhin seltsame Töne aus. Ihre Herrin stemmte die Hände in die Seiten und versuchte es erneut. »Du hast uns lange genug von der Arbeit abgehalten. Steh auf und kümmere dich um die Suppe!«
Nichts geschah. Else brummte höher im Ton. Rosina und Gertrud zitterten. »Ich glaube, sie ist krank«, flüsterte Gertrud furchtsam.
»Ach was!«, winkte Magdalene ab. »Nicht so krank, dass es nicht mit einem Eimer kalten Wassers behoben werden könnte! Rosina, hol Wasser!« Rosina nickte und wollte den ersten Schritt tun, da fing Else an zu schreien.
Die Schreie klangen wie die eines verletzten Tieres. Sie dauerten einen Moment an und brachen unvermittelt ab.
Dann redete Else. Sie benutzte klare Worte, aber ihre Stimme klang wie die einer anderen Person, fremd und unheimlich. Ihr Blick ging über Magdalenes Kopf hinweg in unbestimmte Ferne. Sie zwinkerte nicht. Rosina war stehen geblieben und hörte mit offenem Mund zu, wie Else mit tiefer Stimme redete. »Siehe, der Herr wird kommen! Aus dem Mund seiner unschuldigen Dienerin wird er zu Euch sprechen, damit Ihr gewarnt werdet – vor Sodom und Gomorrha, vor Sünde und Bosheit.«
Else hob ihre Hände höher, reckte sich und fuhr in erhöhter Tonlage fort: »Der Herr wird mit allen sein, die sich ihm ergeben! Er spricht: Wehe denen, die nicht an mich glauben, die heucheln und Götzen dienen! Elisabeth Bauer, gehe hin und verkünde allen, die fest auf Gott vertrauen, dass der Herr nah ist! Und denen, die in Aberglauben leben, verkünde die Vergebung des Herrn, wenn sie umkehren und den rechten Weg beschreiten! Sonst wird es ein schlimmes Ende nehmen mit allen Gottlosen und denen, die ihnen Glauben schenken!«
Magdalene wurde es zu bunt. Ihr Gesinde stand verwirrt um die Altmagd herum und tat nichts. Sie musste selbst tun, was nötig war. Sie lief, so schnell der Zorn sie trieb, nach draußen und griff den vollen Wassereimer, der an der Zisterne stand. Else redete noch immer, als sie zurückkam, und Magdalene hörte wieder etwas von Aberglauben. Das eiskalte Wasser aus dem Eimer ging zusammen mit ihrer restlichen Wut über Elses Schädel nieder.
Else fuhr mit einem Schrei von ihrem Platz auf. Jetzt sah sie wieder aus wie die Altmagd Else, verkniffen und mit zorniger Stimme kreischend, nur, dass sie pudelnass in einer Pfütze stand. Die Haube lag platt auf ihrem Kopf, und die vormals geplusterten Ärmel hingen mit dem Kleid wie ein Sack an ihr herunter. Sie zwinkerte mit den nassen Wimpern und schüttelte sich wie die Hunde nach dem Bad. Magdalene war die Erste im Raum, die ihre Fassung wiederfand. Sie begann zu lachen, laut und herzhaft.
Die jungen Mägde und Lichtenberg stimmten ein. Ohne das Vorbild ihrer Herrin hätten sie das nicht gewagt, aber Magdalene konnte nicht an sich halten. Elses Anblick war zu komisch, um nicht lauthals zu lachen.
Else hörte zu kreischen auf und ließ die Hände sinken. Sie richtete ihren Blick auf Magdalene und sagte mit süßlichem Schmalz in der Stimme: »Frau Meisterin, etwas Wunderbares ist geschehen! Gott, der Herr, hat zu mir gesprochen! Ich habe sein Licht gesehen!« Sie lächelte verzückt.
Gertrud in ihrer sechzehnjährigen Schlichtheit fragte: »Was hast du mit dem Aberglauben gemeint?«
»Welcher Aberglauben?«, fragte Else und sah so verwundert aus, dass Magdalene beinahe selbst darauf hereingefallen wäre.
»Das, wovon du geredet hast«, forderte Gertrud.
Rosina fügte hinzu: »Dass der Herr durch deinen Mund spricht. Außerdem hast du gesagt, er habe Elisabeth Bauer seine Stimme gegeben. Das bist du selbst, Else, nicht wahr?«
»Ja, das bin ich«, erwiderte Else mit großer Freundlichkeit. Ein dicker Wassertropfen hing an ihrer Nasenspitze. Magdalene sprang die Heuchelei aus ihrem Lächeln entgegen, alle anderen schienen es nicht zu bemerken. »Was habe ich noch gesagt?«, fragte sie mit honigsüßer Stimme.
»Dass der Herr allen zur Umkehr rät, die in Aberglauben leben, dass