Magdalene und die Saaleweiber. Christina Auerswald

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Magdalene und die Saaleweiber - Christina Auerswald

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der extraordinären Weiber. Er hatte geredet, als ob er die Frau selbst erlebt hätte, und hörte gar nicht wieder damit auf.

      »Georg, das hier ist etwas anderes«, beschwor sie ihn. »Else war nicht bei sich. Du hättest sie sehen sollen.«

      »Gerade das ist ein guter Beweis! Außerdem ist es nicht unsere Aufgabe, die Erleuchtung zu begutachten. Das können gelehrte Männer übernehmen.«

      »Glaube mir, Weiber wissen, was anderen Weibern im Kopf herumgeht.«

      »Weiber sind ihresgleichen gegenüber härter im Urteil als Männer.«

      Sein Tonfall war schärfer geworden. Das hieß, er wollte sich von seiner Frau nicht dreinreden lassen. Selten redete er in diesem Befehlston mit ihr.

      Magdalene wusste, dass ihr Mann freundlich war, freundlicher als die meisten anderen, aber sie durfte es nicht übertreiben. Anderswo gab es Schläge und unfreundliche Worte für Ehefrau, Gesinde und Kinder. Hier nicht, hier war der Ton des Hausherrn liebevoll, außer wenn jemand versuchte, ihm bei seinen Glaubenssachen ins Handwerk zu pfuschen. Darin fühlte er sich im Haus als Einziger zum Lehrer berufen.

      Magdalene lenkte ein. »Ich glaube, die Extraordinären lügen nicht absichtlich. Sie glauben, was sie sagen.«

      »Natürlich tun sie das. Sogar Pfarrer Francke glaubt ihnen.«

      »Der Pfarrer aus Glaucha?«

      »Du weißt doch, der Neue. Er ist kaum ein paar Monate im Amt, da hat er sich schon Feinde gemacht. Man nimmt ihm den Kontakt zu Adelheid Schwartz übel, weil die sich nicht an die Regeln des Kirchenlebens hält. Es ist wirklich schwer zu unterscheiden, ob die Weiber tiefgläubig oder Scharlatane sind. Stell dir vor, im Harz gibt es welche, die raten davon ab, den Gottesdienst zu besuchen und am Abendmahl teilzunehmen.«

      »Warum? Geben sie einen Grund an?«

      »Sie sagen, es würde davon ablenken, ein echtes Glaubensbekenntnis abzugeben.«

      »Da siehst du, mit welchen Vorstellungen diese Weiber daherkommen. Vielleicht wollen sie damit etwas bezwecken? Wenn man Else für ihresgleichen hält, kann sie dir eine Menge Ärger einbrocken.«

      Das hätte Magdalene nicht sagen dürfen. Georg runzelte die Stirn und wandte seinen Blick in die andere Ecke der Küche. »Ich sehe, du sprichst in Vorurteilen.«

      Er sagte kein Wort mehr. In der Küche war es still, man hörte nur die leisen Geräusche des Essens, sein Kauen und das Scharren seines Messers auf dem Brett. Als er mit dem Abendbrot fertig war, erhob er sich von seinem Platz am Tisch, durchquerte den Korridor und stiefelte die Treppe hinauf. Er ging jeden Abend einmal durch alle Zimmer bis zu ihrem Sohn Hans, der schon im Bett lag. Magdalene, das Licht in der Hand, folgte ihrem Mann hinauf und ging ins Schlafzimmer vor, zog ihre Kleider aus und machte sich zum Schlafen bereit. Sie rollte sich unter dem dicken Deckbett ein und wartete auf ihren Mann.

      Georg kam nicht.

      Sie hörte ihn in seinem Kontor rumoren. Das war der Raum neben dem Schlafzimmer. Er hatte seine Öllampe auf dem Pult stehen, ihr warmer Schein leuchtete, da die Tür einen Spalt offenstand, bis an den Rand des Bettes. Die Türen des Bücherschranks klappten, die Schublade unterm Pult wurde herausgezogen und hineingeschoben, die Feder kratzte.

      Magdalene schlief ein.

      Sie hörte nicht, wie ihr Mann zurückging und die Treppe hinabstieg. Er schlurfte durch den Laden ins Lager, wo er sich am liebsten aufhielt, wenn er mit niemandem reden wollte. Er kramte herum, putzte den Destillierapparat und murmelte vor sich hin. Sie hörte auch nicht, dass Else die Treppe aus dem obersten Stock herunterkam, leise, so leise, wie man mit Holzschuhen gehen konnte.

      Magdalene träumte in dieser Nacht von Else. Es war ein merkwürdiger Traum, einer, in dem Else eine junge Frau war, was man sich nicht vorstellen kann, wenn man selbst jung ist und die anderen alt. In diesem Traum lachte Else, sie sah so fröhlich und gelöst aus, wie es ihre Herrin in Wirklichkeit noch nie gesehen hatte.

      Als Magdalene Rehnikel am Morgen aufstand, war ihr unwohl. Es fühlte sich an, als hätte sie sich den Magen verdorben oder als wäre mit der Luft in der Stube etwas nicht in Ordnung. Sie sah sich um, als sie das Schlafzimmer verließ. Alles sah aus wie immer, die dicken Federbetten lagen aufgeschüttelt an ihrem Platz, die Truhe, der Schrank, die leere Wiege standen an derselben Stelle wie jeden Morgen, seit sie hier wohnte. Georg war schon vor ihr aufgestanden. Er hielt sich an seinem Pult im Kontor fest, die Nase über dem Buch mit den Eintragungen und die Feder in der Hand.

      Magdalene ging nach unten und fand auch in der Küche alles wie gewohnt. Else stand am Herd und wärmte die Suppe auf, die jungen Mägde hielten den Mund und senkten die Köpfe, solange die Meisterin im Zimmer war. Magdalene trug Rosina auf, sich um den kleinen Hans zu kümmern, verzichtete auf die Morgensuppe und ging hinaus.

      Sie brauchte frische Luft, um das Unwohlsein zu vertreiben. Auf dem Markt sollte eine Komödie gegeben werden, die Ankündigung hing seit Tagen aus. Eine Abwechslung war jetzt genau das Richtige, Magdalene würde die erste Vorstellung des Tages besuchen. Sie zog ihr leichtes Mantelet über, das Mäntelchen, das nur bis über die Schultern reichte, hängte den Korb an den Arm und verließ das Haus.

      Es war Septembermarkt.

      Jedes Jahr im September fand in Halle der größte Markt des Jahres statt. Alle Bewohner der Stadt kamen dorthin, die Bauern aus den Dörfern ringsum, die Leute von den Gütern und Domänen der Umgebung. Es war der Markt, der den Bauern ihr wichtigstes Einkommen verschaffte, der Markt, auf dem jeder die Vorräte für den langen Winter kaufte. Es war der Beweis von Gottes Gnade, das große Aufatmen, die Freude über Ernte und Gewinn nach der langen Mühsal des Frühjahrs und Sommers. Was bis jetzt nicht für die dürren Zeiten vorbereitet war, schuf man in diesem Jahr nicht mehr.

      Ein Markttag liebt die Sonne. Die Früchte strahlen bunter, die Stoffe leuchten heller, die Käufer sind besserer Laune, wenn die Sonne scheint. An diesem Tag tauchte sie den Platz in ein goldgelbes Licht. Der Markplatz, zwischen dem Rathaus, dem roten Turm und der viertürmigen Marktkirche gelegen, war voller Männer, Frauen und Kinder, voller Körbe, Kiepen, Wagen, Buden und Stände. Zum Septembermarkt zogen die Verkäufer nicht nur in die hölzernen Buden rings um den Roten Turm und unter den Arkaden der Marktkirche, sondern sie standen über den ganzen Platz verteilt hinter Bündeln und Kisten.

      Magdalene liebte den Septembermarkt, wo alles auf einem Fleck zusammenkam, was die Ackerkrume den Menschen nach diesem warmen Sommer schenkte. Den Korb am Arm, schlenderte sie über den Platz, auf dem sich die Ernten der umliegenden Gärten und Felder versammelt hatten. Da gab es Rettiche und Bohnen in großen Körben und feinen Mangold, solchen wie den, vor dem daheim Gertrud ein weiteres Mal saß. Auf dem Boden standen Säcke mit frischem Getreide, Weizen und Hafer, Gerste und Roggen, fertig gemahlenes weißes und braunes Mehl. Für das Kleinvieh der Stadt verkauften die Bauern Klee und Luzerne. Frisch gefangene Fische zappelten in den Auslagen, Karpfen und Zander, Hechte und Aale. Es gab Geflügel, das in Käfigen gackerte. Kohl war aufgetürmt, rote und weiße Bälle auf Haufen wie Kanonenkugeln. Proben von Linsen und Erbsen lagen in flachen Schalen, Rapünzchen und Pilze wurden feilgeboten. Es gab Honig und Milch, Käse und Butter, Rüben und Zwiebeln. Bäcker verkauften Brote und Weckmänner, süße Kringel und Salzgebäck. An der Nordostecke standen die Töpfer und Krämer, Scherenschleifer und Schuhmacher, und an der Westseite des Marktes gab es viele Sorten Obst.

      Die ersten blauen Pflaumen waren im Angebot. Das Wasser lief Magdalene bei der Vorstellung von frischem Pflaumenmus im Mund zusammen. Sie ließ sich von einer drallen Bäuerin

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