Ndura. Sohn Des Urwalds. Javier Salazar Calle

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Ndura. Sohn Des Urwalds - Javier Salazar Calle

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dass ich es wieder anziehen musste. An einigen Stellen wurde das Gestrüpp so dicht, dass ich mir einen Weg mit einem Stock bahnen musste, den ich aufgesammelt hatte, und den ich wie eine Machete benutzte. An diesen Stellen kam ich kaum voran, denn das einzige, was ich mit dem Stock erreichte, war die Äste so lange von meinem Weg wegzudrücken, dass ich weitergehen konnte, aber nicht sie abzuhacken. Außerdem waren meine Beine und meine Unterarme überall da, wo ich keine Kleidung trug mit Verletzungen übersät, die entstanden, wenn ich an einer Pflanze hängen blieb. Auch im Gesicht brannten einige Stellen, ein Zeichen dafür, dass ich auch dort Kratzer hatte.

       Manchmal war der Boden voller abgebrochener Äste oder umgestürzter Bäume, dann wieder weich, von Laub bedeckt, und ich musste vorsichtig gehen, damit ich nicht in irgendein Loch trat oder ausrutschte und mir den Knöchel verrenkte, denn das wäre verheerend. An manchen Stellen standen die Baumkronen so dicht beieinander, dass kein Licht durchkam, so dass ein ziemlich unheimlicher Halbschatten entstand. Oder sie bildeten verschiedene Stockwerke mit unterschiedlichen Lichtschattierungen, die abhängig von der Höhe waren. Erschrocken durchquerte ich diese Bereiche, denn dort hatte ich den Eindruck, ständig von Gespenstern angegriffen zu werden, bei denen es sich in Wirklichkeit um die höchsten Äste handelte, die sich im rauschenden Wind bewegten, der anscheinend auf dem grünen Dach des Urwaldes wehte, und die dabei ein markerschütterndes und ausdauerndes Heule erzeugten, das mich von allen Seiten her bedrängte. Immer wieder wurde der Urwald so dicht, dass er unpassierbar war, und ich große Umwege machen musste, um weiter voranzukommen. Ich hatte es nie für möglich gehalten, dass es so viele verschiedene Pflanzen so dicht beieinander geben könnte. Jetzt sah ich nichts romantisches mehr darin, wie die Forscher in den Urwald vorzudringen, ganz im Gegenteil, ich wollte diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Außerdem krampfte sich mein Herz vor Angst zusammen, wenn ich daran dachte, dass man mich auf Grund des Lärmes, den ich die meiste Zeit machte, ganz leicht finden könnte, sollte man mich verfolgen.

       Wie auch in der Nacht kamen unaufhörlich Geräusche aus allen Richtung, es war nicht exakt der gleiche Lärm, aber man hörte ebenfalls das Summen der Insekten, fremdartige Vogelgesänge aus den Baumkronen und einige Schreie, von denen ich annahm, dass sie von Affen oder irgendetwas anderem in der Art stammten. Wenigstens war dieses beunruhigende Gebrüll nicht zu hören, es kam wohl von einem nachtaktiven Jäger, oder zumindest wollte ich das glauben. Sehen, ja sehen konnte ich nicht viele Tiere, aber ich konnte sie alle hören.

       Ich sah auf meine Uhr. Es war zehn Uhr morgens. Ich war eine Stunde unterwegs und konnte nicht mehr. Mein Knie hatte bereits begonnen mir Warnsignale zu schicken, ich merkte, dass es etwas angeschwollen war. Mehrere Male waren die Bänder, oder was auch immer, verrutscht, und ich musste sie mit einer sanften, aber entschiedenen Massage wieder an ihren Platz bringen. Ich setzte mich auf den Boden, um ein bisschen auszuruhen, lehnte mich an den Stamm eines extrem hohen Baumes und rieb mir das Knie mit den Händen. Die Hitze linderte den Schmerz ein wenig. Ich befand mich in einer Gegend, in der die Bäume weniger dicht standen. Nachdem ich eine Weile so dagesessen hatte, sah ich auf einem Ast mir gegenüber einen Vogel. Er sah aus wie ein Papagei, hatte mattes bläuliches Gefieder, einen weißen Kranz um die Augen, einen schwarzen Schnabel und rote Schwanzfedern, die der einzige Farbtupfer an ihm waren. Er stieß fast menschliche Rufe aus7. Er drehte den Kopf in fast alle Richtungen, ohne jedoch den Rest des Körpers zu bewegen und erinnerte mich dabei an das Mädchen aus „Der Exorzist“. Er hängte sich baumelnd an eine Frucht des Baumes und begann daran herumzupicken. Die Frucht war rot-orangefarben, so groß wie eine Hand und ähnlich geformt wie ein Kürbis.

      “Du weißt sicher, wo du bist”, dachte ich bei mir, „du ganz sicher.

       Ich ruhte mich fast eine halbe Stunde lang aus, dann ging ich wieder weiter. Jedes Mal, wenn ich eine Lichtung umrundete und die wahrscheinlich richtige Richtung wiederfinden musste, war ich mehr davon überzeugt, dass ich jahrelang im Kreis gehen konnte, ohne es mitzubekommen. Alles schien gleich auszusehen und die Sonne war auch keine große Hilfe mehr. Ich schaute, wie hoch sie stand, verglich es mit der Zeit auf meiner Uhr und kam zu der Erkenntnis, dass ich keine Ahnung hatte, was ich hier tat. Ich behielt den ganzen Vormittag den immer gleichen Rhythmus bei, ich ging eine Stunde und ruhte mich dann einen Moment aus. Um meinen Kopf zu beschäftigen, las ich während der Ruhepausen in dem Buch mit Suaheli-Sätzen oder in dem Reiseführer, vielleicht würde mir das bei einem möglichen Treffen ja auch bei der Verständigung behilflich sein können. Es fiel mir jedes Mal schwerer aufzustehen und weiterzugehen, ich hinkte wegen des Knies und gegen zwei Uhr nachmittags gab ich auf.

       Ich war an allem schuld, ich hatte meine Freunde an diesen höllischen Ort geschleppt, meinetwegen waren sie gestorben. Wenn ich auf sie gehört hätte, würden wir jetzt gerade aus Italien zurückkommen mit einem Haufen Fotos von Venedig und einigen Postkarte aus der Toskana. Meine Schuld, das war alles meine Schuld.

       Ich hatte Durst und mein Magen knurrte unaufhörlich. Ich hatte die Wahl: sollte ich ausreichend essen, um wieder zu Kräften zu kommen oder sollte ich die wenigen Nahrungsmittel, die mir zur Verfügung standen, aufbewahren auch auf die Gefahr hin, dass mir etwas passierte? Man sollte meinen, dass es im Urwald leicht sein müsste etwas zu Essen und Wasser zu finden, oder zumindest ging in diesem Augenblick davon aus und da ich so großen Hunger hatte, entschied ich mich dafür, eines der Erfrischungsgetränke zu trinken, das belegte Brötchen und die angeknabberten Kekse zu essen, nachdem ich die Ameisen von ihnen runtergepustet hatte. Damit linderte ich ein wenig den hartnäckigen Appetit. Das Quittengelee bewahrte ich auf, da ich annahm, dass es nicht so schnell verderben würde. Danach schlief ich ein, vor Erschöpfung, und weil ich die letzte Nacht nicht hatte schlafen können.

       Als ich aufwachte hörte ich ganz in der Nähe ein Zischen. Neben mir musste eine Schlange sein. Ich verhielt mich ganz still und versuchte meine Ohren zu spitzten, um herauszufinden, wo sie sich befand. Mein Magen krampft sich vor Angst zusammen und es fiel mir schwer zu atmen. Ich hatte einmal eine Reportage über ein Schlange gesehen, die man die „drei-Schritte-Schlangen“ nannte, denn wenn man von ihr gebissen wurde, hatte man nur noch Zeit drei Schritte zu gehen, bevor man tot umfiel. Im Grunde war das in dieser Situation gar nicht das schlechteste, aber wenn ich von einer gebissen wurde, deren Gift mir einen stundenlangen Todeskampf bescherte, bei dem ich Stück für Stück die Kontrolle verlor und am Ende dem Wahnsinn verfiel… ich hatte so große Angst zu leiden, so panische Angst vor Schmerzen. Wenn ich sterben sollte, wollte ich, dass es schnell ginge, fast wünschte ich mir das, um aus der Lage, in der ich mich befand befreit zu werden. Das hatte ich verdient. Das Zischen schien mir immer näher zu kommen, auch konnte ich bei ihren Bewegungen das Rascheln des Laubes hören, sie bewegte sich in meine Richtung, dessen war ich mir sicher. Fast konnte ich spüren, wie sie über meinen Körper glitt, sich von meinem Bein in Richtung Hals hinaufarbeitete, sie war beinahe angekommen, gleich würde sie mich beißen. Einen Augenblick lang schloss ich die Augen und atmete tief durch, und versuchte mich so zu beruhigen. Dann öffnete ich sie wieder, und ohne mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen sah ich in alle Richtungen und versuchte sie auszumachen. Schließlich konnte ich sie sehen. Sie verhielt sich ruhig und hatte sich in ungefähr zwei Meter Höhe um einen Ast eines Baumes gewickelt, der etwa drei Meter rechts von mir stand. Nur den Kopf bewegte sie von einer Seite zur anderen, als würde sie irgendetwas bewachen. Sie war grün mit einem leichten Blaustich und an den Seiten etwas gelblich, sie hatte einen langen Schwanz und einen schlanken Körper von etwas mehr als einem Meter Länge, der seitlich etwas zusammengedrückt war. Sie war fast unsichtbar zwischen den Blättern8. Als sie sich von dem Ast gleiten ließ, konnte ich sehen, dass ihr Bauch weißlich war.

       Ich blieb noch eine Weile bewegungslos sitzen und lauschte, bis ich davon überzeugt war, dass ich nur diese eine Schlange gehört hatte, und dass alles andere Produkte meiner Fantasie gewesen waren. Ich stand langsam auf und beobachtete dabei aufmerksam den Boden auf der Suche nach anderen Schlangen, aber das war die einzige, die ich sah. Zumindest, die einzige, die ich entdecken konnte. Zuerst wollte ich einen weiten Bogen um sie herummachen und weitergehen, aber dann erinnerte ich mich, dass man sagte, Schlangenfleisch würde

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