Ndura. Sohn Des Urwalds. Javier Salazar Calle

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Ndura. Sohn Des Urwalds - Javier Salazar Calle

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der Art, sie kletterten einen Ast hinauf und schüttelten ihn mit aller Kraft und schrien dabei. Vielleicht war gerade Paarungszeit, ich hatte keine Ahnung, aber es war ein grandioses Schauspiel. Mein Herz kehrte allmählich zu seinem normalen Pulsschlag zurück. Das letzte, was ich von ihnen sah, war, wie einer etwas vom Boden aufhob, das aus der Entfernung wie ein Hundertfüßer aussah und es aß.

       Auf dem anderen Uferseite erschien ein weiterer Affe von ähnlicher Statur, aber anderer Farbgebung. Dieser hatte ein schwarzes Gesicht, die Koteletten, der Bart, die Brust und ein Teil der Arme waren weiß. Er war dunkler gefärbt und hatte einen dreieckigen rot-orangefarbenen Fleck im Lendenbereich. Er war größer und stämmiger als die anderen12. Er trank etwas Wasser, in dem er es mit der Hand zum Mund führte und verschwand. Ich verweilte einen Augenblick und schaute den anderen beim Spielen und Springen zu. Es war eine einzigartige Erfahrung, von der ich niemals geglaubt hätte, dass ich sie machen würde. Wieder einmal erinnerte ich mich an meine beiden toten Freunde und daran, wie sehr sie es genossen hätte, das hier zu erleben, vor allen Dinge der fröhliche Alex, der sich immer so für alles interessiert hatte. Mit wem sollte ich jetzt über diese Momente sprechen? Mit wem könnte ich sie teilen? Da war niemand, der sie mit mir erlebt hätte, niemand, der es verstehen könnte. Nein! Das durfte ich nicht denken, das half mir nicht dabei, weiterzumachen und was ich jetzt machen musste, war so viel Energie wie möglich zu sammeln, um überleben zu können. Mein einziges Ziel musste es sein, aus diesem verfluchten Urwald herauszukommen. Dieser grünen Hölle zu entfliehen.

       Ich zog die Turnschuhe aus, wrang sie etwas aus, damit das Wasser herauslief und hängte sie an einen Ast, damit sie trockneten. Dann nahm ich die Wasserflasche und suchte mir eine Stelle mit fließendem Wasser, um sie aufzufüllen. Ich meinte gelesen zu haben, dass man kein Wasser aus stehenden Gewässern trinken sollte, da es wahrscheinlicher war, dass es dort ungesund und mit irgendwelchen Keimen belastet war. Natürlich hätte ich mich schon daran erinnern sollen, bevor ich etwas getrunken hatte. Es juckte mich immer noch am ganzen Körper, auch wenn es nicht mehr so schlimm war wie zuvor. Ich spürte ein Stechen am Oberschenkel und als ich hinuntersah, um festzustellen, ob ich dort etwas abbekommen hatte, sah ich einen Blutegel an meinem Bein kleben und mein Blut saugen. Er sah aus wie eine Nacktschnecke, vielleicht etwas dünner. Zuerst war ich erschrocken, dann überlegte ich, was ich machen sollte. Wenn ich mich recht erinnerte, entfernte man Blutegel mit Salz oder indem man sie verbrannte. Ich holte das Feuerzeug heraus und hielt die Flamme so lange an den Blutegel, bis er sich zusammenzog, diesen Moment nutzte ich, um ihn mit dem Taschenmesser von meinem Bein zu lösen. Dort, wo er gewesen war, war jetzt nur noch ein roter Fleck, ein Blutstropfen sickerte am Rand heraus. Ich erhitzte die Spitze des Taschenmessers mit dem Feuerzeug und verödete die Wunde vorsichtig. Ich hatte keine Ahnung, ob sich Verletzungen, die von Blutegeln herrührten, entzündeten oder nicht, aber ich zog es vor, kein Risiko einzugehen. Es tat so weh, dass ich mich sehr anstrengen musste, um nicht aus Leibeskräften zu schreien. Ich suchte den Rest meines Körpers für den Fall ab, dass da noch mehr waren, aber es war der einzige. Jetzt hatte ich am Bein ein Brandmal in Form meiner Taschenmesserspitze. Vielleicht hätte ich diese Gräueltat nicht begehen sollen.

       Die Trägheit übernahm die Kontrolle über meinen Körper und ich beschloss, mir einen freien Vormittag zu erlauben. So viele unterschiedliche Gefühle ermüdeten, ich war fix und fertig und mein Körper wog Tonnen. Ich suchte mir einen schattigen Platz, und nachdem ich mich abgetrocknet hatte, zog ich mich an und deckte mir den Kopf und das Gesicht mit dem Namibia Souvenir T-Shirt aus dem Rucksack ab, um die vielfältigen und lästigen Insekten, die das Ufer säumten fernzuhalten. Bevor ich mich hinlegte, untersuchte ich einen Strauch mit auffälligen karminroten Früchten und kleinen bläulichen Samen13, der in meiner Nähe stand und von dem ich schon viele gesehen hatte. Ob man sie essen konnte? Ich zerquetschte einige verirrte Ameisen, die ich noch nicht aus meiner Kleidung hatte schütteln können. Ich schloss die Augen und ließ mich von der Schläfrigkeit und Benommenheit davontragen, die Hitze und die Feuchtigkeit machten meine Muskel schwer und lähmten meinen Willen.

       Ein Schuss, dann eine Salve aus einer automatischen Waffe, noch mehr Schüsse. Mit einem Satz war ich auf den Beinen. Sie kamen vom anderen Flussufer, wenn auch aus weiter Ferne. Diesmal bildetet ich es mir wirklich nicht nur ein, sie würden mich jeden Augenblick finden. Mit einem Schlag wurde mir wieder bewusst, dass meine Situation es mir nicht erlaubte, mich auszuruhen, dass es meinen sicheren Untergang bedeutete, wenn ich nicht alle meine Sinne in ständiger Alarmbereitschaft hatte.

       Schnell sammelte ich alle meine Sachen zusammen, verstaute das T-Shirt im Rucksack, zog die Socken und die Turnschuhe an und ergriff den Wanderstock. Die Sachen waren noch nass, aber im Augenblick hatte ich keine Zeit, mich um solche Nichtigkeiten zu kümmern. Weil es meiner Meinung nach die beste Möglichkeit war, dem Flussbett zu folgen, um irgendwohin zu gelangen, es mir aber sehr gefährlich erschien, direkt am Ufer entlangzulaufen, ging ich wieder in den Urwald, um mich zwischen dem Blattwerk „unsichtbar“ zu machen und in vier bis fünf Meter Entfernung parallel zum Fluss zu gehen. Es war eine geschlossene Welt, in der es nichts gab, außer einer undurchdringlichen grünen Wand ohne irgendeinen Ausgang, egal in welche Richtung ich auch blickte. Ich konnte höchstens drei oder vier Meter weit sehen. Schnell verlor ich den Fluss aus den Augen, und wieder einmal befand ich mich auf dem Weg ins Nirgendwo.

       Den ganzen Nachmittag lief ich in einem wechselnden Rhythmus, mal sehr schnell und dann wieder langsam mit nur wenige Pausen. Gerade genug, um wieder etwas zu Atem zu kommen und um zu lauschen für den Fall, dass weitere Schüsse zu hören wären. Die ganze Zeit musste ich gelegentliche Vorboten eines Wadenkrampfes ertragen und das Geräusch, das meine Turnschuhe bei jedem Schritt machten, das klang, wie wenn man in eine Pfütze trat. Das Blattwerk wurde zeitweise so dicht, dass es einige Bereiche in den Schatten tauchte. Überall waren Mücken, die nicht aufhörten, mich zu drangsalieren, als würde es sich um eine endlose Schlacht handeln. Manchmal erinnerten sie mich an die japanischen Kamikazeflieger aus dem zweiten Weltkrieg, die sich im Sturzflug auf ihr Ziel warfen ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Die Mücken waren genauso, sie stürzten sich kontinuierlich auf meinen Körper, ohne dass sie sich für ihre Verluste interessierten, die ich ihnen durch die Schläge meiner Händen, die ich als Luftabwehr benutzte, verursachte. Einige von ihnen war so groß, dass sie mehr gigantische Bomber als Kampfflieger ähnelten und deren bloße Anwesenheit beim Feind Besorgnis auslöste. Sobald sie sich mir näherten, spannte ich mich sofort an, bereit ihnen auszuweichen. Da war immer eine mit Appetit und ich hatte unendlich viele Stiche auf den Armen und Beinen, überall dort, wo meine Kleidung meinen Körper nicht bedeckte. Einige saßen sogar auf den Bissen, die mir die Ameisen beim Aufwachen zugefügt hatten. Das war eine Schlacht, die ich schon im Voraus verloren hatte, ein banaler Kampf, belanglos, unnütz, denn von ihnen gab es unendlich viele und ich war immer erschöpfter. Sie nervten mich derart, dass ich beschloss, die nackte Haut mit nasser Erde zu bestreichen und auf diese Weise eine für sie undurchdringliche Mauer zu erschaffen. Diese plötzliche Eingebung rettete mich. Es war unbequem sich damit zu bewegen, vor allen Dingen, wenn sie trocknete, aber die unablässigen Angriffe der Mücken waren schlimmer. Dank dieses Tricks konnte ich die unerbittlichen Insekten eine ganze Zeitlang vergessen, und wenn ich auch nicht den Sieg davongetragen hatte, so hatte ich zumindest einen zeitweiligen Waffenstillstand erreicht. Außerdem hatte es die überraschende Wirkung, dass es dort, wo die Ameisen mich gebissen hatten, aufhörte zu jucken. Endlich ein bisschen Glück.

       Ich beobachtete unaufhörlich meine Umgebung, ich hatte den fortwährenden Eindruck, dass ich verfolgt wurde, dass ich in einem grenzenlosen Urwald immer weiter eingekreist und in die Enge getrieben wurde. Ich meinte sogar Schritte und Stimmen hinter mir zu hören oder flüchtig die Gesichter der Milizen zwischen den Bäumen zu erblicken, die mich mit wildem Blick anstarrten und mich unaufhörlich überwachten. In Wahrheit bekam ich keinen deutlich zu sehen, ich konnte nicht einmal die geringste Spur ihrer Anwesenheit in diesem Gebiet entdecken. Es kam mir so vor, als würden sich die Bäume über meinem Kopf zusammenbeugen und mich immer weiter in einer Zelle aus lebendem Holz einsperren. Ich wusste nicht, ob ich paranoid wurde oder so, aber ich musste es schaffen mich zu beruhigen, um in diesem unbekannten und tödlichen Dschungel zu

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