Ndura. Sohn Des Urwalds. Javier Salazar Calle

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Ndura. Sohn Des Urwalds - Javier Salazar Calle

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übel, wahrscheinlich weil ich durch das fehlende Wasser dehydriert war. Das erstaunte mich nicht. Man sagte, dass Erfrischungsgetränke für den Moment den Durst löschten, aber wenig zum Flüssigkeitshaushalt beitrugen. Den Jojo-Effekt nannte das einer meiner Schulfreunde, aufgrund des Zuckers, wie er sagte.

       Da die Nacht hereinbrach und ich keine Lust hatte, wieder so unbequem auf einem Baum zu schlafen, suchte ich mir einen etwas geschützten Platz mit trockenem Boden und baute mir ein provisorisches Lager aus Blättern und grünen Zweigen, rollte mich zusammen, deckte mich mit der kleinen Decke so gut es ging zu, nahm den Rucksack als Kopfkissen und schlief ein. Ich hatte meinen ersten vollen Tag im Urwald verbracht und ich war es jetzt schon mehr als Leid, war völlig erschöpft und wünschte mir, dass es auf welche Art auch immer endete.

      WIE MEINE LEIDEN BEGINNT

       Irgendetwas griff mich an, ich merkte, wie es mich am ganzen Körper pikste. Mit einem Satz sprang ich schreiend auf und war sofort hellwach. Ich sah auf meine Hände, sie waren mit roten Ameisen, deren Köpfe sehr groß waren, übersät, mein ganzer Körper war voll von ihnen. Sie bissen mich überall hin, wieder und wieder. Ich zog mich aus, riss mir beinahe die Kleider vom Leib und begann die Ameisen wie wild mit den Händen vom Körper zu wischen, begann zu hüpfen, mich zu schütteln und zu winden wie eine Schlange, ich schrie und wimmerte vor Schmerzen. Einige drangen in meinen Mund ein, so dass ich immer wieder ausspucken musste, ich spürte welche in der Nase, in den Ohren, überall. Es war, als hätte ein ganzes Bienenvolk beschlossen, mich gemeinsam anzugreifen. Stück für Stück gelang es mir, die Ameisen loszuwerden, aber ich brauchte etwa zehn Minuten, bis ich merkte, dass keine mehr ungestraft über meinen Körper lief. Wo ich gelegen hatte verlief eine endlose Ameisenstraße9. Mein ganzer Körper war rot von den Schlägen, mit denen ich die Ameisen von mir heruntergefegt hatte und übersät von noch stärker geröteten Punkten von den Bissen, die mir diese verfluchten Insekten zugefügt hatten. Es juckte mich überall so heftig, dass ich nicht einmal wusste, wo ich mit dem Kratzen anfangen sollte. Auch wenn nicht eine einzige mehr auf mir war, hatte ich immer wieder das Gefühl, als würde irgendwo etwas auf mir herumkrabbeln und ich begann sofort wieder mich wie wild zu schütteln.

       Als ich meine Wut und meinen Frustration etwas unter Kontrolle hatte, griff ich nach meinem Rucksack und schüttelte alle Ameisen heraus, das gleiche machte ich mit der Decke und der Kleidung, die ich über den ganzen Boden verstreut hatte. Ich zog nur meine Turnschuhe an und verstaute den Rest im Rucksack. Ich packte einige Steine und Äste und warf sie voller Wut auf die geordnete Ameisenstraße, während ich sie gleichzeitig beschimpfte. Einen Augenblick lang verlor ich die Kontrolle, die Wut übermannt mich. Ja, die Ameisen waren an allem schuld, ich musste die Ameisen fertigmachen, sie hatten mich in diese blöde Situation gebracht, sie würden dafür bezahlen. Ich trat immer wieder auf sie ein, wütend, rasend, wie ein von einer unaufhaltsamen Zerstörungswut Besessener. Einige krabbelten an meinen Beinen hoch und bissen mich erneut, aber ich fühlte nichts mehr, der Schmerz hatte für einen Augenblick aufgehört zu existieren. Es gab nur einen einzigen Gedanke in meinem Kopf: vernichte die Ameisen. Ich trampelte, ich stampfte auf denen, die am Boden waren herum und zerdrückte die, die auf meinem Körper herumliefen mit heftigen Schlägen, zerquetschte sie an meinen Beinen, meinen Armen oder meiner Brust. Einige Minuten lang war das mein einziger Krieg, meine einzige Welt: Tritte, Schläge mit der Hand, Schreie vor Wut und zu lange zurückgehaltener Frustration. Ein vor Wut rasender Gulliver, der Liliput zerstört. Danach entfernte ich mich einige Schritte, sackte auf dem Boden zusammen und war eine Zeitlang wie weggetreten, völlig meinem Schicksal überlassen, blind für alles, was um mich herum geschah, für nichts anderes zu erreichen als dem Nichts, der innere Leere. Schließlich kam ich zu mir. In der Nacht hatte ich gemeint, das Plätschern eines nahen Wasserlaufs zu hören, also machte ich mich auf, ihn zu suchen, nackt, lustlos, zitternd, mit Juckreiz am ganzen Körper, den Wanderstock in der Hand und den Rucksack auf der Schulter. Hinter mir eine Myriade von zerquetschten Ameisen und noch viele mehr, die in ihrem besonderen Tanz wie verrückt wild durcheinanderliefen.

       Tatsächlich hatte mich mein Gehör nicht getäuscht. Ein Fluss von ungefähr fünf Meter Breite bahnte sich vor meiner Nase einen Weg durch die Bäume. Mein erster Gedanke war, mir die Turnschuhe auszuziehen und mich ins Wasser zu werfen, aber ich erinnerte mich an etwas über Blutegel und kontrollierte zuerst aufmerksam das Wasser am Ufer, entschlossen die Vorsicht einen Moment lang über die Verzweiflung siegen zu lassen. Allein der Gedanke, einer könnte an meinem Körper kleben, sich festsaugen und mein Blut trinken erschreckte mich. Als ich die Hand ins Wasser hielt, stellte ich fest, dass das Wasser nicht so kalt war, als dass ich es nicht eine Weile aushalten könnte. Ich konnte nichts sehen, außer einigen wunderschönen kleinen bunten Fischen, von denen einige farbenprächtiger waren als andere und die zu klein zum Essen und zu schön zum Töten waren. Sie hatten einen länglichen und abgeflachten Körper, die Schwanzflosse war dreigliedrig, der mittlere Teil ähnelte Vogelfedern, die Augen waren im Verhältnis zum Kopf groß, sie waren schillernd blau, aber wenn die Sonnenstrahlen auf ihre Körper trafen, glitzerten ihre Schuppen in einem unglaublichen Farbspektrum von blau bis violett10. Ich suchte nach weiteren Tieren, wie Piranhas, Krokodilen oder ähnliches, aber ich fand nichts. Also beschloss ich, nachdem ich etwas Wasser getrunken hatte, baden zu gehen.

       Ich ging ein Stück ins Wasser, vergewisserte mich aber zuerst mit dem Wanderstab, dass der Untergrund fest war und behielt die Turnschuhe an, weil ich Angst hatte, dass mich irgendein Viech stechen oder ich mir etwas in den Fuß treten könnten. Bei der ersten Berührung überlief mich aufgrund des Temperaturunterschieds zwischen Wasser und Luft ein Kälteschauer, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Um mich herum flogen ein paar Libellen in leuchtenden Farben, mit ihren länglichen Körpern und ihrem schnellen und sicheren Flug. Es gab auch viele andere Insekten, sowohl welche die flogen als auch welche die auf dem Wasser liefen, als wäre es eine Schlittschuhbahn.

       Als mir das Wasser bis zu den Knien ging, blieb ich stehen und spritzte mir den ganzen Körper mit den Händen nass. Die erfrischende Wirkung des Wassers auf die unendlichen Ameisenbisse, die unzähligen Kratzer und auf das geschwollene Knie war eine unglaubliche Erleichterung. Die Möglichkeit eine Weile im Wasser zu sein, alles zu vergessen, jede Sekunde zu genießen, entspannte mich zutiefst. Ich schloss die Augen und tauchte mit dem Kopf unter Wasser, wobei ich die Luft so lange wie möglich anhielt und ich spürte wie das kühle Wasser über meine Haut strich, sie umschloss und sanft liebkoste. Einige kurze Augenblicke lang waren alle Probleme, alle Sorgen verschwunden. Ich trank auch große Schlucke Wasser, bis mein Durst vollständig gestillt war. Als ich aus dem Wasser stieg, war ich entschlossen um jeden Preis zu überleben, meine Lebensgeister waren wieder erwacht, mein Kopf bereit für den Kampf

       In einem Baum in der Nähe hörte ich ein Geräusch und versteckt mich schnell im Dickicht. Jetzt hatten sie mich gefunden, nackt und ahnungslos, sie würden mich sicherlich töten, mich ohne jedes Mitleid ermorden, mich opfern wie ein niederträchtiges Tier. Ich wollte nicht sterben. Könnte ich sie nicht getäuscht haben? Hatte ich nicht schon genug mit den Ameisen gehabt? Vor meinem inneren Auge erschienen Bilder von Juan wie in einer Abfolge von kurzen Blitzen, der von den Rebellen mit Maschinengewehren erschossen worden war, und das Bild von Alex leblosem Körper nach dem Aufprall auf seinem Platz im Flugzeug und dem Blut, das von seiner Stirn tropfte, quält mich ein weiteres Mal. Ich stelle mir vor, wie ich selbst aus mehreren Löchern blutete, die von den Schüssen der Rebellen herrührten, auf dem Boden liegend zu Füssen eines großen Baumes, sie lachend, ich sterbend. Der Schmerz… Ich beobachtete suchend die Blätter der Bäume und entdeckte schließlich den Ursprung des Geräusches: ein Affe von ca. fünfzig Zentimeter Größe mit einem ebenso langem Schwanz, das Gesicht war bläulich, auf jeder Seite verlief vom Auge zum Ohr ein dunkler Fellstreifen, über den Augen befand sich ein querverlaufender heller Streifen, der größte Teil des Körpers war gelbbraun und der Hals, die Brust und der Bauch waren weiß11. Vielleicht war es mir doch nicht vorherbestimmt, heute zu sterben. Langsam erschien immer mehr von ihnen und fünf

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