Gegen die Spielregeln. Philea Baker

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Gegen die Spielregeln - Philea Baker Baker Street Bibliothek

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immer einen Grund geben, nicht nach Amerika auszuwandern. Sie kam sich kläglich vor. Einen Mann zurechtzuweisen, der sein Zuhause verlassen hatte, der seine Ziele direkt ansteuerte, obwohl ihm mit Sicherheit Steine in den Weg geworfen worden waren und noch wurden – das war einfach unerhört von ihr. Ihr legte niemand Steine in den Weg und dennoch ging sie nicht. Lange hatte sie sich schon nicht mehr derart elend gefühlt. Sie sehnte sich nach ihrer Arbeit, nach Sicherheit, nach John, der zuverlässig war, auch wenn sich überhaupt nichts zwischen ihnen entwickeln wollte. Ihr Selbstbewusstsein war auf dem Nullpunkt, erbsengroß. Erst als sie saß und ein Glas Wasser vor sich hatte, ließ das Zittern nach und ihre Atmung normalisierte sich. Noch immer hatte sie Ryons Duft in der Nase. Sie seufzte. Die bisherigen Bälle des Lloyd’s Register waren allesamt aufregend gewesen. Aber nie so wie heute. Außerdem müsste sie ein schlechtes Gewissen haben. John gegenüber. Doch seltsamerweise empfand sie keine Gewissensbisse.

      »Ms. Arlington? Darf ich Sie um einen Tanz bitten?« Es war Alexander Carlisle.

      Sie schluckte. »Ja. Gern.«

      Seine Hand fühlte sich, im Gegensatz zu der Ryon Buchanans, kühl an. Er wirkte ein wenig unsicher. Oder täuschte sie sich? Eine Weile sprachen sie nicht miteinander, tanzten einfach nur. Er war es schließlich, der das Gespräch begann. »Sie sind eine gute Tänzerin, Ms. Arlington.«

      »Vielen Dank, Mr. Carlisle. Das Lob möchte ich gern zurückgeben. Ich fühle mich bestens aufgehoben.«

      Er lachte. »Das hat mir bisher noch niemand gesagt.«

      »Die Damenwelt hat da wohl etwas verpasst. Lassen Sie mich raten: In der Regel kreist der Gesprächsstoff um Schiffe.«

      »Mein Ruf macht alles andere zunichte. Alle wollen nur über mein neues Schiff sprechen.«

      »Das wollte ich auch gerade.«

      Er blinzelte. »Sie scherzen, oder? Ich hörte, Sie seien recht keck.«

      »Ach? Wer sagt denn so etwas?«

      »Das hat mir Ihr Onkel verraten.«

      »Hm … und finden Sie, das trifft zu?«

      »Gewiss. Eine Frau, die einen Mann zum Tanz auffordert, ist keck. Zumindest für meine Begriffe.«

      Sie schluckte. Natürlich. Carlisle hatte neben Ryon Buchanan gestanden, als sie diesen zum Tanz aufgefordert hatte. Er hatte alles mitbekommen. Wie der Rest des Saales vermutlich. »Letztes Jahr noch habe ich mit Helt Buchanan getanzt. Sein Sohn scheint auf das Tanzen nicht ganz so aus zu sein wie er. Außer mit meiner Freundin hat er mit niemandem getanzt. Er kann mich doch nicht unaufgefordert links liegen lassen, wir wurden einander schließlich vorgestellt.«

      Carlisle grinste über das ganze Gesicht. »Da bin ich ja froh, dass ich Ihnen zuvorgekommen bin.«

      »Sie haben sich viel zu viel Zeit gelassen, wenn ich anmerken darf. Es hätte nicht mehr lange gedauert, dann hätte Sie das gleiche Schicksal ereilt.«

      »Ehrlich gesagt ist das Tanzen nicht ganz meine Welt. Es gibt andere Dinge, die mich mehr fesseln.«

      »Oha. Ein Bekenntnis. Ich höre …«

      Auf Carlisles Wangen bildeten sich leicht rote Flecken, wie sie feststellte. »Das dürfte wohl kein großes Bekenntnis sein, Ms. Arlington. Jeder weiß, dass ich am liebsten meine Zeit mit Konstruieren verbringe. Diese Bälle dienen mir in erster Linie zum Austausch mit Kollegen.«

      Alessa machte ein übertrieben trauriges Gesicht und legte den Kopf schräg. »Nun, nun. Bei Ihnen will ich eine Ausnahme machen«, schob er schnell hinterher. Er wirkte tatsächlich ziemlich nervös, sogar verlegen – aber irgendwie auch belustigt. Sie musste lächeln.

      Zufällig fiel ihr Blick auf Ryon Buchanan, der an einem der Tische saß. Er sah zu ihnen hinüber und seine Augen wirkten, selbst auf die Entfernung, tiefschwarz. Alles in allem erweckte er den Eindruck, als passe es ihm nicht, dass sie mit Carlisle tanzte.

      Das Gespräch mit Carlisle verlief weiterhin recht erquicklich. Nachdem das Musikstück geendet hatte, verbeugte er sich und bedankte sich für den Tanz. Auch sie ließ ihn wissen, dass sie den Tanz mit ihm genossen hatte.

      Sie brauchte dringend eine Pause, brauchte Luft zum Atmen, zum Nachdenken. Zielstrebig steuerte sie den Balkon an. Ein leichter Wind war aufgekommen, zog über die gusseiserne Brüstung und strich ihr angenehm über Stirn und Dekolleté. Der Balkon verlief einige Meter an der Front des Hauses entlang und weiter um das Gebäude herum. Erleichtert stellte sie fest, dass niemand auf diesem war. Sie stützte ihre Hände am Geländer ab, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Doch kaum dass sie sich über ihren gelungenen Rückzug gefreut hatte, wurde die Balkontür geöffnet.

      »Alessa! Hier steckst du also.«

      Missmutig drehte sie sich um. »Gerald! Bitte, lass mich allein. Ich will nur ein wenig Luft schnappen.«

      »Aber das will ich doch auch!« Bonniers’ Stimme war wirklich einzigartig dümmlich und der französische Akzent setzte dem Ganzen die Krone auf. Sie ärgerte sich, dass er ihre Bitte völlig ignorierte. Er trat dicht neben sie. »Alessa. Immer wenn wir zusammen sind, legst du so viel Ungeduld an den Tag. Ich weiß, dass du eine aktive Frau bist und dass du dich deshalb nicht leicht entspannen kannst …«

      »Wie bitte?!« Ihre Stimme schallte schrill über den Balkon.

      »Deine Mutter …«

      »Sie ist nicht meine Mutter!«, korrigierte sie ihn scharf.

      »Deine Stiefmutter hat mir alles erzählt. Ich weiß, dass du ein modernes Mädchen bist, dass du anders sein möchtest, dass du ein bisschen arbeiten möchtest und …«

      »Ich«, erhob sie ihre Stimme unheilvoll über die ihres Gegenübers, »möchte nicht ein bisschen arbeiten. Ich –« Aber sie kam nicht dazu, weiterzusprechen, denn Bonniers unterbrach sie recht geschickt.

      »Alessa«, murmelte er versöhnlich, »ich möchte doch überhaupt nichts gegen dich sagen. Ich bin allein hinausgekommen, um etwas Luft zu schnappen und um dir zu sagen, wie wunderschön du heute aussiehst in dem Kleid, das dein Vater entworfen hat. Und ich wollte dich einladen. Für morgen. Zum Tee.«

      »Zum Tee?«, grummelte sie.

      »Genau.«

      »Ich möchte nicht, Gerald. Es tut mir leid.«

      »Bitte sei nicht so! Menschen, die dich mögen, weist du ab, und Menschen, die sich nicht für dich interessieren, läufst du hinterher!«

      »Was meinst du damit?« Alessas Stimme nahm eine tiefe Färbung an.

      »Nichts. Gar nichts. Ich wollte dich einladen. Du bist doch so interessiert an Naturwissenschaften. Ich wollte dir meine Schmetterlings-Sammlung zeigen.«

      »Du tötest Schmetterlinge?«, fragte sie, wobei sich ihre Stimme fast überschlug.

      »Alessa, beherrsche dich. Ich tue das aus rein ästhetischen und wissenschaftlichen Gründen. Denk daran, was ihr im Krankenhaus in euren Gläsern alles aufbewahrt …«

      »Ich möchte nicht, dass du noch einmal meine Arbeit auf dein Fliegenfänger-Niveau herunterziehst. Du füllst Bilderrahmen – ich rette Menschen.« Eine Pause

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