Anstandsfesseln. Carrie Fox

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Anstandsfesseln - Carrie Fox

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ausgeführt wurden. Schließlich wandte er den Kopf zum Absperrzaun. Eine Weile verharrte er. Sah er sie an? Eigentlich konnte er jeden meinen, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass er sie meinte. Wenn er doch nur näher käme, damit sie sein Gesicht sehen konnte. Aber er ging zurück in den hinteren Bereich. Schade, sie hätte ihn gern länger beobachtet. Einen Augenblick lang überlegte Viola, ob sie sich an der Security vorbeischleichen sollte, um den Mann an dem großen Gerüst zu verfolgen. Aber sie könnte genauso gut des Platzes verwiesen werden, wenn man sie erwischte. Vielleicht würden die Sicherheitsbeamten den Schlagstock zücken. Nein, das durfte sie nicht riskieren. Sie hielt sich zurück und beschloss, den gut aussehenden Kerl zu suchen, wenn der Rummel begann. Irgendwo würde sie ihn finden. Er gehörte ja hierher.

      Sie sah noch eine geraume Zeit dem Treiben zu, genoss die metallisch hämmernden Geräusche, den Sonnenschein und die Musik, die von weit her zu ihr wehte. Die Monsterteile, die der Kran brachte, wurden von den Arbeitern routiniert zusammengesetzt. Die Sonne schien hell und ließ die Stahlstreben aufblitzen. Der Frühsommerhimmel zeigte weiße Wölkchen. Es war ungewöhnlich heiß. Kein Schatten war weit und breit, keine Bäume, keine hohen Mauern. Ihre Kehle fühlte sich staubig an, wohl wegen der Hitze. Oder weil sie wegen des Typs staunend den Mund offen stehen lassen hatte? Sie kicherte insgeheim. Bei einem Prachtwetter wie diesem konnte sie sich noch ein Eis gönnen. Sie drehte sich um und wollte sich gerade einen Weg durch die Menschenmenge bahnen, um den Platz zu verlassen, zögerte aber, einen weiteren Schritt zu tun. Sie spürte, wie sie von hinten beobachtet wurde. Etwas bohrte sich scheinbar in ihren Nacken. Als hielte sie jemand im Genick fest, ließ sie ihre Augen nach rechts und links rollen, ohne ihren Kopf zu bewegen. Irgendjemand war nahe an sie heran getreten und hielt sie mit seinem Blick fest. Ein leichter Hauch schien sich auf ihren Hals gelegt zu haben. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und eine Gänsehaut überzog ihre Arme. Sie wollte sich gerade umdrehen, als sie eine flüsternde Stimme hinter sich vernahm. Der Mund, aus dem die Stimme kam, befand sich dicht an ihrem Ohrläppchen. Wie unverschämt. Eigentlich war es sogar sehr unverschämt, aber irgendwie auch überraschend angenehm. Intim und gleichzeitig spannend. So ein Gefühl hatte sie noch nie.

      »Verzeihen Sie, dass ich Sie störe, aber Sie sind mir in der Menge aufgefallen.« Violas Atem stockte. War es wirklich der Eros, den sie vorhin bewundert hatte? Langsam drehte sie ihren Kopf. Tatsächlich, er war es. Ihr Herz stolperte kurz, als sie ihn aus den Augenwinkeln betrachtete. Er hatte ein verwegenes, braun gebranntes Gesicht. Eins, das erfahren aussah, unerhört männlich und herausfordernd, aber auch realistisch und freundlich. Sie las eine Spur von Wildheit darin und eine bestimmte Verlockung, die sie mit Absicht treffen sollte. Seine stahlblauen Augen blitzten sie erotisierend an. Mein Gott, was für schöne Augen. Sie kontrastierten mit dem schwarzen, halblangen Haar, wie funkelnde Sterne am Nachthimmel.

      »Oh, ich habe Sie gar nicht bemerkt.« Jetzt drehte sie sich vollends um und sah ihm ins Gesicht. Seine Nase war leicht gekrümmt und sein Mund lächelte zunächst verschmitzt, bis er seine Reihe weißer, gepflegter Zähne zum Vorschein brachte. Er strahlte wie ein Zigeunerjunge und zog sie komplett in seinen Bann.

      »Ich bin Charly«, stellte er sich vor und gab ihr seine Hand.

      »Viola«, antwortete sie und legte zaghaft ihre Hand in seine. Die Luft schien wie elektrisiert und als sie seine kraftvolle Hand in ihrer spürte, knisterte es leicht.

      »Wie ich sehe, interessiert dich der ganze Aufbau?«

      Er legte ungefragt einen Arm um ihre Schultern. Seine forsche Art, sie zu berühren, gefiel ihr. So spontan. Sie liebte Spontanität und es fühlte sich warm an.

      »Möchtest du dich Backstage umschauen?«

      »Oh ja, sehr gerne.« Wow, sie durfte mit ihm durch die Absperrung gehen. Stolz erfüllte sie. Charly gab der Security ein Handzeichen und öffnete einen bestimmten Teil der Plastikabsperrung. Sie gingen in den Bereich der geparkten LKWs und Wohnwägen. Eine Holzbank mit zwei Plätzen stand vor einem der Caravans.

      »Setz dich doch«, sagte er und führte sie auffordernd zur Bank. Sie nahm Platz und sah sich um. Die fleißigen Arbeiter kamen ihr vor, als wären sie in einem Bienenstock beschäftigt. Sie räumten Dinge und Teile zum Aufbau hin und her. Sie sah Charly an, der neben ihr Platz genommen hatte.

      »Wieso bin ich dir aufgefallen?«, fragte sie und sah ihn direkt an.

      »Du hast eine Ausstrahlung, die jeden in hundert Metern Umkreis umhaut. So etwas wie dich bemerke ich unter zehntausend anderen Menschen sofort.«

      »Ach komm!«, widerlegte sie sein Schmeicheln. »Das sagst du doch bestimmt zu jeder Frau.«

      »Nein wirklich. Ich schwöre«, sagte er mit ernster Miene und legte, drei Finger zeigend, seine Hand auf seine Brust. »Du siehst toll aus und du hast ein wunderbares Lächeln. Ich stehe darauf, weißt du?« Er war nah an sie herangerückt. Ihre Körper berührten sich. Viola spürte eine eigenartige Wärme, die sich zwischen ihnen entwickelte, wie ein Schwelbrand. Sie fühlte sich geschmeichelt und lächelte ihn an. Sie ließ ihren Blick über seine Armmuskeln und Schultern gleiten. Selten hatte sie einen solchen formschönen Oberkörper gesehen. Adern zeigten sich unter seiner glatten Haut, als seien sie Stromleitungen, die zu seinem Herzen führten. Wie gerne würde sie mit ihren Fingerspitzen darüber fahren. Zögerlich suchte sie den Kontakt zu seiner Hand, die er auf seinen Schenkel gelegt hatte. War das zu schnell? Schließlich hatte er sie nur kurze Zeit über den Platz geführt und anschließend knappe drei Minuten im Arm gehalten.

      »Machst du das schon lange, diese Aufbauten?«, fragte sie, um eine Unterhaltung zu beginnen und damit es ihm nicht auffiel, wie sehr sie ihm nahe sein wollte.

      »Ja, ich habe die Schule für meine Freiheit aufgegeben.«

      Freiheit? War sie ihm genauso wichtig, wie ihr? Wie spannend, um nicht zu sagen wie passend. Sie wollte unbedingt mehr von ihm erfahren. Davon, wie sich sein Dasein auf dem Rummelplatz anfühlte, wie er sich mit diesem Leben arrangierte und wie er im Allgemeinen war und sich gab.

      »Ich habe beobachtet, wie du mit den Geräten umgehst. Das war echt interessant.« Nebenbei konnte sie zusehen, wie das Gerüst der Loopingbahn wuchs.

      »Mit meinem eigenen Gerät kann ich am besten hantieren.« Er legte ein charmantes Lächeln auf und zwinkerte ihr zu. Wie zweideutig er redete. Aber genau das gefiel ihr an ihm. Obwohl sie ihn gar nicht kannte, war es ihr, als kommunizierten sie das gleiche Lied miteinander. Sie hatte die passende Antwort parat.

      »Ich habe bewundert, wie du es einpassen kannst. Mit diesem riesigen Rohr, das du in der Hand hieltest.« Ein eindeutig sexistischer Unterton sollte ihn herausfordern. »Du musst sicher viel arbeiten?«, fragte sie kokettierend und strich sich eine Haarsträhne von der Stirn. Dann schlug sie ihre Beine übereinander und setzte sich entspannt hin. Interessiert hörte sie ihm zu.

      »Ich kann arbeiten wie ein Tier, Tag und Nacht, vierundzwanzig Stunden lang und ich werde niemals müde.« Er legte einen Arm um sie und sah sie herzig an. Viola ließ sich nur allzu gern vom ihm bezirzen.

      »Niemals?« flüsterte sie und lehnte sich an seine maskuline Schulter.

      »Niemals …«, bestätigte er leise raunend und ließ seine Hand über den dünnen Stoff ihres Overalls gleiten. Die Hand lag nun auf ihrem Oberschenkel und er streichelte sachte hin und her. Er neigte seinen Kopf zu ihr und flüsterte leise.

      »Wärst du mein Gerüst, würde ich bei dir auch gern ein Rohr einschrauben.« Ein Rohr einschrauben? Seine Direktheit gefiel ihr. Und erst diese zweideutigen Sätze. Manchmal redete sie genauso wie er, frivol und sexlastig. Es könnte sich gut ergänzen, wenn sie ihn erst richtig kennen lernte. Viola wusste

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