Echo eines Freundes. Ingvar Ambjørnsen

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Echo eines Freundes - Ingvar Ambjørnsen

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Ein Schlag mit dem Stock, ein Funkenregen, man weicht lachend zurück. Ehe man abermals zwei Schritte vortritt und auf den feuchten Pappkarton schlägt, und das mit demselben Stock, der jetzt von brennendem Asphalt klebrig wird; nun hat man auch noch einen kochenden Tropfen auf den Handrücken bekommen, man brüllt automatisch auf, das ist reine Natur, kein Grund zur Aufregung. Finde ich jedenfalls. Außerdem brennt es ja jetzt besser. Der Asphalt, genauer gesagt der Teer, nährt das Feuer. Es kocht und siedet. Und der Rauch ist wie schwarze Kohle. Eine zerbrochene Weinkiste? Rein damit. Ebenso ein wurmstichiger Läufer. Ein trockener Zweig, der die Anmut des Apfelbaums ruiniert, ich breche ihn ab, ich opfere altes Holz den jungfräulichen Flammen, sie schlecken mit grünen Zungen daran, und ich spüre, wie es in meinem Blut braust. Das hier ist die Rede der Flammen an den Menschenmann. Die Urstimme an sich. Man bekommt Lust, sich die Kleider vom Leibe zu reißen und um diesen unseren eigentlichen, ursprünglichen Gott zu tanzen. Die Nachbarin an der Hand zu nehmen und sich der Natur zu ergeben.

      Aber das tut man ja nicht. Man knöpft das Hemd auf und belässt es dabei. Den Rest überlässt man wie üblich der Phantasie. Der Vorstellung, wie es sein könnte, wenn andere als man selbst es wagten, von Zeit zu Zeit ein wenig grenzenlos zu sein. Sich gehenzulassen. Frei zu sein. Wenigstens ein bisschen freier.

      Doch nun erreicht mich eine Stimme. Zuerst höre ich sie aus der Ferne, wie im Traum. Drehe mich um. Meine Augen füllen sich mit Rauch. Die Tränen fließen. Es brennt. Ich trete zur Seite, ich stolpere, dann höre ich es wieder. Es ist eine Frau. Kann es eine Obrigkeitsperson sein? So klingt sie. Wie eine Frau, die es gewöhnt ist, eine gewisse Macht auszuüben. Wer da? Ein Schatten am Rand des schwarzen Dämons, der jetzt vom Feuer aufsteigt.

      Sie will, nein, sie verlangt, dass ich an den Zaun komme. Ich soll zum Zaun kommen. Sie sollen zum Zaun kommen. Hören Sie. Ja, denke ich, es ist sogar vorstellbar, dass ich so einen Tonfall schon ein- oder zweimal im Leben gehört habe. Komm sofort in mein Büro! Verlasse die Station! Geh in dein Zimmer, und zwar sofort! Gehe nicht über Los! Aber nun also ein Zaun. Man soll sich an einen Zaun begeben, und das sofort. Wohlgemerkt, wenn diese Frau ihren Willen durchsetzen kann. Woran sie sich ja eigentlich schon vor geraumer Zeit gewöhnt hat. So klingt sie. Ich glaube, diese Sorte kenne ich.

      An den Zaun werde ich mich, mit anderen Worten, nicht begeben. Da ist es viel besser, mit einer Faust auf jeder Seite mitten auf der Rasenfläche stehenzubleiben. Das Gesicht erfüllt von einem zitternden »Wiebeliebt?«. (WIEBELIEBT?) Sie mit einer Art gelähmten Unbehagens anzustarren. Wer sind Sie? Was sind Sie für ein seltsames …

      Und sie wirkt gewissermaßen so obenauf. So unberührt. So frei von allem, was zwischenmenschliche Höflichkeit heißt. Hier soll das Feuer gelöscht werden, und zwar sofort, sie hat noch nie …

      Hat sie noch nie? Ich trete näher. Einen Schritt, dann noch einen. Hat sie noch nie …?

      Sie weicht zurück in den Johannisbeerstrauch, wo sie teilweise Schutz sucht. Ist sie zu weit gegangen? Hat sie den Feind unterschätzt? Ihre rotgemalte Unterlippe zittert.

      Und nun greife ich zu einem alten Trick, den nicht alle und jede so einfach durchschauen können. Ich lege ein demütiges Lächeln auf und rücke ebenso überraschend mit ausgestreckter Hand über den Rasen vor.

      Sie nimmt die Hand nicht. Dann nicht. Die Punkte poltern jetzt geradezu auf mein Konto, aber das weiß sie noch nicht. Dass der Mann, der sie gerade noch mit stillschweigender Abscheu und Verachtung überschüttet hat, jetzt offenbar bedingungslose Versöhnung anstrebt, kann sie einfach nicht begreifen. Sie hat eben ihren Hamsun nicht gelesen, denke ich triumphierend. Und stelle mich vor, höflich und wie es sich gehört. Ich handele auf direkten Befehl von Annelore Frimann-Clausen. Der Hausbesitzerin. Ich selbst habe das Glück, im Untergeschoss selbigen Hauses zu logieren, wo ich die Zeit mehr oder weniger damit verbringe, mich um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Wenn sie versteht. Versteht sie, was das bedeutet? Sich um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern?

      Das schreie ich ihr ins Gesicht, ehe ich wieder begütigend lächele, fast ein wenig geheimnisvoll.

      Ob sie vielleicht einen Namen hat? Ein winzig kleines Nämchen? Mette Meijer vielleicht? Mit ij? Die Königin der Kiefernhecke? Doch, doch. Man ist im Bilde.

      Und als sie endlich glaubt, dass sie mich und meine eigentliche Persönlichkeit erfasst hat, beginne ich, mich lobend über gerade diese Hecke zu verbreiten. Wenn ich eine Kiefernhecke hätte, würde ich sie ebenfalls frei und ohne Zwang wachsen lassen. Als Frimann-Clausens Mieter muss ich mich natürlich mäßigen, aber hier hat sie meine eigentliche Sicht der Dinge. Wie sie sehen kann, bin ich auch nicht mehr der Jüngste, und ich bin mehr als motiviert für ein Dasein im Schatten. Die Kiefernhecke wurde schon am ersten Abend zu meiner Freundin. Ich war sofort glücklich über ihre Existenz.

      Ob ich mir vielleicht vorstellen könnte, das Feuer zu löschen?

      Ja, aber natürlich.

      Dann steht sie da und sieht mich abwartend an. Mitte vierzig, denke ich. Ein verärgerter Zug um einen weichen und etwas feuchten Kussmund. Kann ich diesen Mund dazu bringen, mich anzulächeln? Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich glaube indes, dass es eine gewisse Zeit dauern wird. In Gedanken reiße ich ihr schon sämtliche Kleidungsstücke vom Leibe und schleudere sie durch den Garten. Da steht sie. Nackt im Johannisbeerstrauch. Ich bedauere, dass unsere erste Begegnung nicht so ganz glücklich verlaufen ist. Ich bin bereit, meinen Teil der Verantwortung dafür zu übernehmen. Wohlgemerkt, wenn sie die Verantwortung für den Teil übernimmt, der ihrer ist. Der Teil, der ohne Vergleich der größere der beiden ist. Das Feuer wird augenblicklich gelöscht werden, wenn Reste, Abfall und Müll zu Asche geworden sind. Jeder kleinste Rest und Krümel. Ja. Dann wird es gelöscht werden. In selbiger Sekunde.

      Habe ich da ein winziges Kräuseln eines Lächelns in ihrem Gesicht geahnt? Nein. Es war ein unfreiwilliges Zucken der Unterlippe. Ein sogenannter Tic.

      7

       Reue und späte Einsicht

      Entsetzt mustere ich mein Spiegelbild. Fahre mit dem Zeigefinger über Stirn, Kinn und Mund, und denke dabei: Bist du das da? Ist das derselbe Mann, der eben noch auf dem Rasen hin und her lief und sein Gefieder brausen ließ? Der Mette Meijer mit Donnerstimme zur Schnecke machte? Der halboffene Mund. Die wilden Augen, eingerahmt von roter, gereizter Haut. Oben unter der Deckenleiste hinter mir, erbarmungslos widergegeben von derselben Spiegelfläche: der klebrige Vormarsch des schwarzen Schimmelpilzes. Der beißende Gestank des Feuers hat sich in meinen Haaren und Kleidern festgesetzt. Was ist mit meiner Zunge? Dieser graue Belag?

      Hast du geweint? Hast du vorhin geschrien und dein Gesicht ins Kissen gebohrt?

      Ich lausche. Nein. Nur das schwache Rauschen in den Rohren.

      Ich ziehe mich aus und dusche. Trockne mich ab, dusche wieder. Ziehe mich an, wasche mir Hände und Gesicht. Ziehe mich aus, wechsele auf saubere Wäsche, Hemd und Hose über.

      Schleiche wie ein Schatten durch das klaustrophobische Schlafzimmer ins Wohnzimmer. Durch den Bunker. Ich lasse das Licht ausgeschaltet, bleibe stehen und schaue hinaus in den Garten. Die Reste des Feuers, es schwelt noch ein wenig. Unten beim Zaun: die stark reduzierte Ladung, um die sich dann demnächst die Polen kümmern werden. Alles, was die Flammen nicht mitnehmen konnten. Auf der anderen Seite der Kiefernhecke: das leuchtende Quadrat. Die Küche der Meijern. Sie serviert ihm jetzt ihre Version der Geschehnisse. Streit am Gartenzaun. Versuch von Diplomatie. Böser Nachbar. Blödmann. Sexuell geladene Belästigung. Ich fülle einen Eimer mit Wasser, gehe hinaus und lösche die letzte Glut. Annelore ist noch immer nicht zurückgekehrt. Alle Fenster dunkel. Stille. Wo steckt sie so viele Stunden an einem normalen Werktag?

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