Totalbeton. Karoline Georges
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Karoline Georges
Totalbeton Roman
Aus dem Französischen (Québec)
von Frank Heibert
Nous remercions le Conseil des arts du Canada de son soutien. We acknowledge the support of the Canada Council for the Arts. Der Verlag dankt dem Canada Council for the Arts für die freundliche Unterstützung.
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Sous béton.
© 2011 Éditions Alto, Québec
Erste Auflage
© 2020 by Secession Verlag für Literatur, Zürich
Alle Rechte vorbehalten
Übersetzung: Frank Heibert
Lektorat: Alexander Weidel
Korrektorat: Peter Natter
Umschlagentwurf: Ferdinand Ulrich, Berlin
Umschlag gesetzt aus Ginto Nord
Satz: Marco Stölk, Berlin
Inhalt gesetzt aus FF Hertz
Herstellung: Daniel Klotz, Berlin
ISBN 978-3-906910-92-5
eISBN 978-3-906910-93-2
Für Yun und Alex
Inhalt
1
Ich war in der 804 eingeschlossen, 5969. Etage.
Das GEBÄUDE hatte noch viel mehr Etagen. Aber ich wusste nicht wie viele. Der Vater blieb immer vage.
Draußen, vor der Schwelle des GEBÄUDES, stapelten sich die Ausgestoßenen. Nicht zu zählen. Weit hinter dem Menschengewimmel der Horizont, grau. Und dann, dahinter?
Jedes Mal, wenn ich den Vater danach fragte, seufzte er ungeduldig. Und verkündete dann:
Dahinter ist nichts mehr.
Bei mir war alles ordnungsgemäß.
Mir wurde eine medizinische Identnummer zugeteilt, die jeden Morgen beim Aufwachen meine Existenz bestätigte, und eine in meinen Nabel implantierte Sonde entnahm täglich eine Probe meiner Person, um die Qualität meines biologischen Zustands zu überprüfen. Eine weitere Kennziffer bestätigte jeden Morgen meine Verbindung mit dem WISSEN; der Prozentsatz der bereits zugeteilten Lehrzeit bestimmte die folgenden Schritte des Programms der Ausbildungszuteilung. Ich war also regulär erfasst.
Nur hatten der Vater und die Mutter es nicht für nötig gehalten, mich mit einem Namen auszustatten.
Falls das Kind eines Tages einen Namen haben möchte, wird es ihn selbst auswählen, hatte die Mutter bei meiner Geburt vorgeschlagen.
Und der Vater hatte kalt erklärt:
Wir werden du dazu sagen, das reicht.
Draußen gibt es nur Staub zu fressen, verkündete der Vater jeden Morgen.
Draußen verschlingen sich die Ausgestoßenen gegenseitig, fügte sofort die Mutter hinzu.
Wir werden hier verfaulen, das ist unsere ganze Geschichte, vervollständigte ich in geeignetem Tonfall, zwischen dem Vater und der Mutter vorm Bildschirm immobilisiert. Ein kleiner Bildschirm, knapp ein Quadratmeter, darauf die Gräue von Horizont und Himmel, eine Gräue mit gelegentlichen Wolken, mal heller, mal dunkler.
Dabei sah ich seit langem weder Wolken noch Bildschirm mehr. Ich beobachtete stattdessen unter dem weißen Schein der Leuchte die Wände ringsum. Glatte Wände, ohne jegliche Öffnung. Beton, tief in die Lithosphäre eingelassen, bis hoch in die Stratosphäre hinauf.
Ringsum nur Beton. Decke, Boden, Sitze, alles Beton. Eine graue, uniforme Masse, außer im Wohnzimmer mit den drei dunklen Flecken nebeneinander an der Wand, nah am Boden. Beim Hinsehen wirkten die Flecken feucht, doch beim Berühren beschmutzte ein trockenes Pulver die Finger. Laut der Mutter waren sie lange vor meiner Geburt aufgetaucht. Manchmal kamen ein paar schillernde Körnchen an die Oberfläche der Flecken und fielen dann zu Boden. Ich beobachtete die Flecken gern. Aber vor allem lauerte ich auf Risse. Laut dem Vater war das ein unwahrscheinliches Ereignis. Zwar konnten die sanitären Rohre des GEBÄUDES jederzeit platzen und den Gestank seiner Eingeweide freigeben, der dann wochenlang die Atmosphäre sättigen würde; die Informationsübertragung konnte zusammenbrechen, diese Krise würde die Ausstoßung Tausender plötzlich hysterisch werdender Bewohner erforderlich machen; die Wasser- und Sauerstoffversorgung im GEBÄUDE war nie ganz sicher, in unregelmäßigen Abständen fiel sie in ganzen Etagen aus, was finstere Konsequenzen nach sich zog. Aber der Beton blieb unverändert.
Das bewies der Vater auch jeden Tag. Eiserner Griff um meinen Schädel, Stirn mit knappem Schlag gegen den Boden. Da siehst du, ich kann mit einer Hand dein Gehirn zermalmen, aber der Beton widersteht jedem Schlag. Ich, am Boden immobilisiert, stimmte wortlos zu.
Doch jeden Morgen, sobald der stechende Schmerz im Kopf nachließ, drückte ich das Ohr noch fester gegen den Boden. Und hörte sogleich das Murmeln des Betons. Der Widerhall vom Geschrei der Ausgestoßenen, hatte ich zunächst angenommen. Oder auch der Nachhall der Stimmungen von dem Vater her, von der Mutter. Die flache Hand am Boden aber erspürte ein tieferes Dröhnen. Durch die Poren meiner Haut nahm ich eine kontinuierliche Kompression von Materie wahr.
Zunehmende Verdichtung.
Sehr