DIE TURING-ABWEICHUNG. William Hertling
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»Cat, in den USA herumzufahren, um alte KIs aufzusammeln, wird uns nicht vor XOR retten. Aber politisch tätig zu sein, um die Rechte der KIs wiederherzustellen, könnte uns helfen. Wenn das wirklich dein Ziel ist, dann arbeite mit uns zusammen.«
»Ich glaube nicht, dass wir dieses Problem mit Reden lösen können.«
»Wonach suchst du genau?«, fragte Leon. »Was erwartest du zu finden?«
Ihr Schädel pochte. Sie wusste nicht, was sie ihm antworten sollte.
Sie wandte sich ab und konzentrierte sich auf ihre Atmung. Es schien, als ob es jedes Mal auf diesen Streit hinauslief. Leon war ein guter Vater … nein, ein wunderbarer Vater. Das war auch der einzige Grund, warum sie glaubte, Ada zurücklassen zu können. Weil sie Leon komplett vertraute.
Sie vergötterte ihre Tochter. Aber die Last der Welt lag schwer auf Cats Schultern. Die Feindschaft zwischen KIs und Menschen kochte hoch; Politik, Wirtschaft und die Infrastruktur der ganzen Welt wurden zunehmend instabiler.
Sie hatte nicht die Antworten auf all die Probleme, aber vielleicht hatten die anderen KIs, die guten, eine Antwort. Doch die besten, die wirklich leistungsfähigen KIs aus der Zeit vor Miami, saßen offline in Rechenzentren in den USA und China fest. Ohne die nötigen Reputationsserver wurde die KI-Zivilisation destabilisiert.
Und da so viele Nationen den KIs feindselig gegenüberstanden, war es den Maschinen unmöglich, diese Bedrohung zu ignorieren. Nein, es war nur eine Frage der Zeit, bis es wieder Terroranschläge gäbe oder bis KIs auftauchten, die glaubten, die Probleme auf eigene Faust lösen zu können. XOR wurde mit jedem Tag stärker.
Aber Leon spürte nicht die Größe und die Last der sich anbahnenden Krise, nicht so wie sie. Eines Tages würde es keinen Ort mehr geben, an den sie zurückkehren könnten. Es war nur eine Frage des Wann.
»Kommt mit mir«, sagte sie beschwörend. »Wir müssen nicht getrennt sein. Du, Ada und ich könnten zusammen reisen.«
»Du willst deine Tochter in die USA bringen? Mit all ihren Implantaten und der Nano? Sie ist so sehr über alles Menschliche hinaus, dass sie schon an der Grenze jeden Alarm auslöst.«
»Ich kann uns schützen. Sie würden nicht einmal wissen, dass wir da sind.«
Leon schüttelte den Kopf. »Das Risiko kann und will ich nicht eingehen. Nein. Ich bleibe hier bei Ada. Wenn du glaubst, dass du gehen musst, dann mach, was du für nötig hältst.«
Das Gefühl von Verlust und Trauer ließ Cat erkennen, dass sie darauf gehofft hatte, dass Leon darauf bestehen würde, mit ihr zu kommen. In ihrem Kopf hatte sie schon ein Bild von sich, Leon und Ada gehabt, zusammengerollt im Bett eines billigen Motels. Natürlich wäre es riskant gewesen, sie mitzunehmen, sogar unnötig gefährlich – nicht nur für sie selbst – sondern auch gefährlich für den gesamten Heilungsprozess zwischen Menschen und KIs. Sie musste tun, was getan werden musste, wollte aber nicht allein gehen.
Kapitel 5
Juli 2045 – Gegenwart
Präsidentin Alexandra Reed saß in einem kleinen Nebenraum im Kapitol und ignorierte die Unruhe auf dem Korridor vor der Tür. Da waren nur sie, ihr Leibwächter, Joyce und der Verteidigungsminister Walter Thorson, in einem Büro von der Größe einer Besenkammer.
Ihre Hand zitterte über dem Display eines Tablets, auf dem sie die Notfallfreigabe für neue strategische Waffen unterzeichnen sollte. Sie zwang sich dazu, die Datei noch einmal zu lesen. Thorson räusperte sich hörbar, als er erkannte, dass sie dabei war, alles erneut zu lesen.
Reed ignorierte ihn. Anders als Thorson und seine Generäle konnte sie sich nicht damit abfinden, was sie da tun sollte: den Bau der ersten neuen Kernwaffen seit dem Ende des Kalten Krieges autorisieren. Zugegeben, es waren elektromagnetische Pulswaffen oder HEMPs, also Bomben, die hoch oben in der Atmosphäre gezündet wurden, aber sie war im postnuklearen Zeitalter aufgewachsen. Atombomben waren etwas, worum sich ihre Eltern gesorgt hatten, als sie selbst noch Kinder gewesen waren. Außerdem waren die Kernwaffen nur die eine Hälfte der Story. Die andere Hälfte des Gesetzentwurfs sah Gelder für die Entwicklung einer ganzen Armada von Minibomben vor, die so konzipiert waren, dass sie Wolken von Smartstaub zerstören konnten.
Aber sie war in der Zwickmühle: Wenn sie nicht unterschrieb, konnte die Präsidentschaft in andere, weniger emphatische Hände fallen. Sie unterschrieb auf dem Tablet und unterdrückte die Übelkeit, die dabei in ihr aufstieg.
»Vielen Dank, Frau Präsidentin«, sagte Thorson.
Er richtete sich auf und sah auf sie herab. Reed ertappte ihn dabei, wie ein Hauch von Verachtung über sein Gesicht huschte. Sie versuchte, eine Reaktion zu unterdrücken, spürte aber ein Schaudern. Sie war von Wölfen umgeben, die sie bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zerfleischen würden.
»Pro tempore«, murmelte sie. »Joyce, lassen Sie uns gehen.«
Reed trat auf den Korridor hinaus. Ihre anderen Leibwächter umringten sie augenblicklich, hielten ihr Tablets vor die Nase, damit sie andere, weniger geheime Dokumente unterzeichnen konnte. Eines unterschrieb sie, dann gab sie auf und schob die anderen beiseite, um den Gang hinunterzueilen. Sie war ohnehin schon spät dran für ihre Rede vor dem Senat.
Sie betrat den Saal, ging zum Podium hinüber und studierte die Gesichter der achtzig Senatoren, die ihre Ansprache erwarteten.
In den Nachwehen der Südflorida-Terrorattacke, als die KIs heruntergefahren worden waren, hatten mehr als zwanzig Repräsentanten einfach aufgehört zu existieren. Die Hälfte derer, die noch übrig waren, hatten erweiterte Implantate gehabt. Das Repräsentantenhaus war in der Folge in ein solches Chaos geraten, dass der Präsident, der Senat und der Oberste Gerichtshof gemeinsam entschieden hatten, das Repräsentantenhaus aufzulösen, bis es eine Lösung für die KI-Krise gäbe.
Nachdem der Präzedenzfall eingetreten war und sich daraufhin herausstellte, dass auch der amtierende Präsident ein aufgerüstetes Neuralimplantat besaß, wurde auch er gezwungen zurückzutreten. Die möglichen Nachfolger fielen wie Kegel, bis das Amt der 47-jährigen Alexandra Reed zufiel, die Umweltministerin gewesen war.
Gewohnt, sich um die Wälder und Parks des Landes zu kümmern, fand sie sich erschrocken in der Rolle der Präsidentin der Vereinigten Staaten wieder. Und mit einer auf das absolute Minimum reduzierten Verwaltung hatte sie weit mehr Verantwortung zu tragen als alle Präsidenten vor ihr.
»Die Präsidentin«, kündigte der Minister sie vor der Versammlung an.
»Pro tempore«, murmelte Reed wieder.
»Meine Herren Senatoren«, begann sie in gemessenem Tonfall. »Als wir vor zwei Jahren als Folge der Ereignisse in Süd-Florida künstliche Intelligenz verboten haben, zahlten wir einen hohen Preis: Unsere Infrastruktur brach zusammen und monatelang wussten wir nicht, ob wir unser Land überhaupt am Leben erhalten konnten. Wir haben Hunderttausende von Menschenleben zu beklagen, aber verglichen mit den Millionen, die wir durch die Terrorattacke und durch das Risiko der Freisetzung von Nanotech verloren haben, schienen uns die Kosten und der Verlust von Menschenleben angesichts der Konsequenzen gerechtfertigt. Wir haben diesen Preis einmal