Mariedl. Sophie Reyer
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„Ich bin ja selber noch Schülerin!“, antwortet Maria da und bemüht sich, die tiefe raue Stimme möglichst frisch und hoch klingen zu lassen – vergebens! Wie sehnt sie sich danach, eine Stimme zu haben wie die anderen Mädchen, die mit ihren Brezelzöpfen. Piepsig sind sie, hell und klar, und wenn sie lachen, dann klingt es unschuldig und kitzelig.
Rasch gehen Rosa und Maria weiter. Dass diese beschämende Begebenheit später eine beliebte Anekdote sein wird, weiß Maria jetzt noch nicht – und auch nicht, dass sie aus ihren vermeintlichen Schwächen bald schon Kapital schlagen wird. Denn: Alles kann verwandelt werden! Aber noch ist Maria bloß Kind, das von der Welt in einen zu großen Körper hineingeworfen wurde, die Seele winzig, krümmt sich zusammen in dem viel zu großen Raum, zieht sich zurück von allen und allem. Die Riesin Maria ist eine Schnecke. Nur die Musik tröstet und das Rauschen des Windes. So auch jetzt, als sie mit Rosa, den Lederranzen geschultert, neben dem Feldweg schlendert.
„Ob diese Frau wohl Gast beim Sonklarhof war?“, überlegt Rosa, die merkt, dass ihre Maria ein wenig zerknirscht aussieht.
In diesen Tagen nämlich ist der Sonklarhof, in dem immer wieder gern die Fremden einkehren, ein wichtiges Gebäude. Lang bereits steht er da, dieser Holzhof mit dem kleinen Erker und den ausladenden Hintergärten, hat der Vater einmal erzählt. Das ist lang, weiß auch Maria, denn sie kann die Jahre nicht an ihren Fingern abzählen!
Jetzt gehört der Gasthof der Anna Klotz, die sehr eingebildet ist. Vollbusig und leuchtend kennt jeder im Dorf diese rotwangige Anna mit den sinnlichen Lippen.
„Eingeheirat’ hat sie sich bei den Reichen!“, hat Theresia einmal abschätzig über sie gesagt. „Und sie denkt, sie weiß alles. Bloß weil der Mann Postmeister, Meisterschütze und ein fanatischer Alpinist ist!“, erinnert sich Maria an die Worte der Mutter.
„Na, was meinst?“, reißt Rosa Maria aus ihren Gedanken.
„Glaubst, war die ein Gast beim Sonklarhof?“
Maria zuckt nur mit den Schultern und sieht weiter auf den Weg.
Zum Glück kommen sie bald schon an einer Quelle vorbei. Maria hat die Quellen lieb, denn sie muss da immer an die Gottesmutter denken, die doch die Quelle des Lebens ist, wie alle sagen! So sieht sie verträumt dem Fluss des Wassers zu. Welle springt hier über Welle, überschlägt sich. Das Wasser hat seinen eigenen Rhythmus, einen Rhythmus des Friedens, der groß ist und gütig. Eine Art der Musik, die immer wieder sich selbst überspringt und die einen nach innen zieht, ganz hin zu sich selbst! Es braucht keine Worte, denkt Maria und blickt in die Sonne, die zwischen den Blätterdächern aufflammt. Ganz dünnhäutig ist ihr Zuhören. Das Wasser nichts als eine zerbrechliche Membran, die sich leicht zerdrücken ließe – und dann wieder doch nicht. So wie sie selbst irgendwie, denkt die Riesin: groß und grobschlächtig, aber innen ganz sanft, mit einem Herzen aus Glas. Sie sieht in die Wipfel, in den Himmel hinein, und der Blick wogt von Ferne zu Ferne. Das Ufer, die Lippe der Quelle, wispert geheimnisvoll.
„Was träumst denn schon wieder?“, murrt Rosa, während sie den elterlichen Hof erreichen.
„Ach nix“, entgegnet Maria, als sie die Küche betritt und ihren Ranzen ablegt.
Rosa natürlich kann ihren Mund nicht halten, und schon bald weiß es ein jeder. Freilich zuerst die Mutter, dann Hansl, Bernadette, Anna und Seppl, ja sogar der Vater hat’s gehört: „Eine eigene, größere Schulbank haben s’ aufgestellt, nur für die Moidl!“, ruft Rosa aus.
Maria schämt sich, aber die Mutter hat zum Glück anderes zu tun. „Ach ja?“, meint Theresia nur und knetet weiter ihre Knödel.
„Ich will auch eine eigene große Bank!“, ruft Seppl, der Letztgeborene, dessen rundes Gesicht ein heller Haarkranz umgibt, laut.
„Stimmt das wirklich?“, will Anna, die jüngste Schwester, mit ungläubigem Augenaufschlag von Maria wissen.
Diese aber schweigt bloß.
Rosa nickt und ihre hellen Locken wippen, die Wangen werden noch ein wenig rosiger dabei!
„Stellts euch vor“, wechselt der Vater, der zu merken scheint, dass Maria sich schämt, das Thema, „die Hallers erweitern ihr Anwesen um einen Speisesaal und um einen Trakt mit zwanzig Betten!“
Theresia verdreht die Augen. „Die können sich’s leisten“, meint sie lapidar.
Ein wenig scheint sie neidisch zu sein. Denn die Familie Haller hat viel Geld. Sie kann sich’s sogar leisten, den Hof nur in den Sommermonaten geöffnet zu haben. Achtzig Betten besitzt dieses Hotel, dazu jene zwanzig im Gästehaus! Und Strom haben sie auch, die Hallers, das ist etwas ganz Besonderes, weiß Maria Bescheid.
„Allerhand Komfort, ehrlich!“, meint Josef. „Die Reichen werden immer reicher.“
Theresia nickt und wäscht sich ihre Hände im Zuber, trocknet sie dann in der Schürze ab.
„Siebzehn Bergführer haben sie jetzt schon, die begleiten die Gäste. Wie der Haller das schafft, dabei auch noch die Teplitzer Hütte und das Kaiserin-Elisabeth-Schutzhaus zu betreiben?“, rutscht es der Magd Hedwig da heraus, die sich sofort auf die Lippen beißt und wieder den Knödeln zuwendet, als sie Theresias forschen Blick sieht.
Josef seufzt. „Manche sind eben mit Reichtum gesegnet!“
Maria überlegt. „Warum eigentlich wir nicht?“, will sie mit tiefem Ton wissen.
Die Mutter streicht ihr das Haar aus dem Gesicht und meint dann, den Topf für die Knödel auf den Herd hievend: „Weil der Herrgott was anderes will von uns!“
Josef verdreht nun die Augen: „Herrgott hin oder her. Wenn du viel lernst, über die Arbeit am Hof und übers Vieh und in der Schule, und hart arbeitest, dann mehrst auch das Geld!“
Maria begreift. Doch diese Idee gefällt ihr nicht. Sie lernt nicht gern. Die Worte im Schulbuch stechen wie Nadeln, Stecknadeln, zwicken ihr in ihren Blick. Sie sind ihr nicht weich genug; flirren und piksen ihre Augen noch, wenn sie sie längst geschlossen hält. Sie würde am liebsten nur liegen und träumen.
„Braucht man denn wirklich viel Geld, um glücklich zu sein?“, fragt Maria den Vater.
„Nein“, entgegnet Theresia. „Aber manches wird leichter!“
Maria überlegt wieder. Ob es ihr irgendwie gelingen könnte, die Eltern reich zu machen? Schließlich will sie, dass es die Familie gut hat.
Sie sieht die Mutter an, und für einen Moment wandert eine Wolke der Traurigkeit über ihren Kopf. Sie weiß selbst nicht warum! Aber dann wischt sie die dumpfen Gedanken ganz schnell weg und bemüht sich, guten Mutes zu sein.
„Soll ich dir bei den Krapfen helfen?“, will die Riesin von der Mutter wissen.
„Gutes Mädchen“, meint Theresia. „Ja, anpacken kannst! Deine eigene Bank, die hast dir verdient!“
Da wird die Riesin rot und greift rasch nach der Butter, um die Töpfe auszuschmieren.
6. Maria und die Kühe
Die Sprache der Tiere ist besonders, so viel hat Maria früh gelernt. Bereits in jungen Jahren liebt sie sie. Hat eine