Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek
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Ishida bestätigte den Befehl und begann damit, entsprechende Daten in ihre Konsole einzugeben. »Lieutenant McCall, können wir die subkutanen Sender unserer Offiziere auf Pearl orten?«
Die Ortungsoffizierin verneinte. »Der elektromagnetische Strahlenschauer verhindert das, Sir.«
Jayden lehnte sich zurück und besah sich die eingehenden Nachrichten. Der Kampf war furchtbar gewesen, doch erst jetzt wurde ihm das ganze Ausmaß der Katastrophe bewusst: in den Trümmern beschädigter Schiffe eingeklemmte Offiziere; Rettungskapseln, die im All umhertrieben; in den Bunkern von Pearl ausharrende Überlebende, die sie keinesfalls alle retten konnten.
Der Gefechtsalarm wurde deaktiviert, worauf sich die Gurte in das Schulterpolster der Konturensessel zurückzogen und die Prallfelder deaktivierten.
»Dann wollen wir mal«, sagte Ishida mit unbewegter Miene.
Jayden schwieg.
*
IL HYPERION, Alzir-System, 28. Januar 2266, 15:30 Uhr
»Nehmen Sie verdammt noch mal Ihre Finger weg!«
Es war die wütende Stimme von Doktor Irina Petrova, die Tess aufschrecken ließ. Verwirrt sah sie sich um. Sie weilte eindeutig noch unter den Lebenden, aber wie zur Hölle war sie auf der Krankenstation der HYPERION gelandet?
»Bleiben Sie liegen, Lieutenant, Ihr Körper hat viel mitgemacht und muss wieder zu Kräften kommen«, sagte Alpha 365.
»Aber wie …?«
»Sie fragen sich, wie Sie hierher gelangt sind und warum Sie noch leben?«
»Wie immer liegen Sie goldrichtig.«
»Während Sie auf der Kommandobrücke tätig waren, gelang es Lieutenant Fowler, ein Shuttle auf der Außenseite der Station an Ihre Position heranzufliegen. Die Quelle der radioaktiven Strahlung war ein Trümmerstück, das er mittels Traktorstrahlen fortzog, um dann durch eine Siegelschaum-Kapsel eine weitere Schicht abschirmenden Materials auf die Hülle aufzutragen. Das hat Ihnen die notwendigen Minuten ohne weitere Strahlenbelastung verschafft.
Als die Forts wieder aktiv wurden, brachen Sie zusammen. Ich habe Sie von der Kommandobrücke zur Krankenstation getragen. Da Ihr Zustand kritisch war, brachte ich Sie nach der rudimentären Erstversorgung hierher.«
»Ich danke Ihnen.«
»Ich versichere Ihnen, Lieutenant, dazu besteht kein Anlass. Jeder Offizier in diesem System verdankt sein Überleben Ihrer beherzten Tat.«
Tess wollte abwinken, konnte ihre Arme jedoch nicht bewegen. Ihr gesamter Körper fühlte sich bleischwer an. »Was ist mit Zev?«
»Sein Zustand ist mittlerweile stabil«, sagte Alpha 365. »Er wurde von einem medizinischen Notfallkreuzer abtransportiert und befindet sich auf dem Weg nach Kassiopeia. Dort wird ihm ein neues Bein gezüchtet, das alte war zu sehr geschädigt. Die Ärzte werden Ihnen das zweifellos genauer erklären können.«
Um sie herum wimmelte es von Paramedics und umherrennenden Ärzten; Verwundete überall, es stank nach Blut und Schweiß. »Was ist hier los?« Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie war so müde.
»Eines der fremden Schiffe hat absichtlich die Oberfläche von Pearl gerammt. Ich fürchte, man wird dem Planeten einen neuen Namen geben müssen, denn von seiner Schönheit ist nicht viel geblieben.
Ein nuklearer Winter ist über die Welt hereingebrochen.«
»All die Menschen …«
»Die Todeszahlen gehen in die Millionen.« Alpha 365 schluckte sichtbar, zeigte ansonsten aber keine Regung. »Jedes verbliebene Schiff hilft bei der Evakuierung. Mittlerweile sind zwei medizinische Notfallkreuzer eingetroffen, und die Admiralität hat eine Flotte aus Hilfsschiffen entsandt, die in der Nähe des Systems im Einsatz waren.«
»Jetzt lassen Sie mich verdammt noch mal helfen!« Doktor Petrovas Stimme hallte erneut an Tess' Ohr. »Sie brauchen jeden Arzt, und mir geht es gut. Das bisschen Strahlung steckt mein Körper weg. Ich hab schon ganz andere Dinge hinter mir!«
»War Doktor Petrova nicht auf Pearl?«
»Ja«, bestätigte Alpha 365. »Sie und Doktor Tauser erreichten rechtzeitig einen Bunker. Bis auf zwei Offiziere aus der Schadenskontrolle haben all unsere Crewmitglieder am Boden überlebt.
Hier an Bord sieht es da ganz anders aus. Die Admiralität wird Ersatz hierher beordern müssen.«
»Weiß man mittlerweile, wer uns angegriffen hat?«
Alpha 365 verneinte kopfschüttelnd. »Allerdings hält das die Presse nicht davon ab, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Aus irgendeinem Grund sind sich alle einig, dass die Parliden dahinterstecken. Eine Theorie, die meiner Meinung nach auf keinerlei logischer Annahme fußt.«
»Ich glaube nicht, dass die Menschen momentan für Logik empfänglich sind.«
»In der Tat sieht es nicht so aus. Die ersten Bilder der Oberfläche von Pearl haben irgendwie den Weg ins Galaktische Netz gefunden und sogar Aufnahmen von Verwundeten kursieren.«
»Die Menge schreit nach Blut.«
Alpha 365 hob eine Augenbraue. »Das ist richtig, Lieutenant. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, vermag daraus interessante Informationen zu extrahieren.« Der Sicherheitschef bedachte sie mit einem durchdringenden Blick, und Tess war, als könne er bis auf den Grund ihrer Seele sehen. »Ich habe noch eine Nachricht von Commander Buckshaw für Sie.«
»So?«
»Ich soll Ihnen folgende Worte ausrichten: Ich dich auch.«
»Hören Sie …«
»Der Commander sah mich wohl bereits, als Sie ihn gerade betäubten, und wusste daher, dass ich alles mit angehört habe.« Alpha 365 erhob sich. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse. Eine Beziehung zwischen einem Commander und einem Lieutenant, die nicht an Bord des selben Schiffes dienen, stellt kein Sicherheitsrisiko dar. Ich werde schweigen.«
»Danke.«
»Ruhen Sie sich aus.« Er verabschiedete sich und ging hinaus.
Tess ließ ihren Geist treiben, entspannte sich. Sie fühlte keine Schmerzen. Kurz bevor sie in die Bewusstlosigkeit glitt, ließ sie ihren Blick durch die Krankenstation schweifen. Sie hätte den Alpha gerne noch gefragt, warum Lieutenant Bruce Walker auf einem der Krankenbetten lag, doch der Gedanke entschwand ihr. Die Müdigkeit umfing sie wie eine wärmende Decke, die alles andere verdrängte.
*
NOVA-Station, Alzir-System, 2. Februar 2266, 15:30 Uhr
»Ich wünsche Ihnen einen guten Flug, Captain«, sagte Ivo Coen. »Und grüßen Sie die Admiralität von mir.«
Jayden