Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek
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Читать онлайн книгу Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus - Andreas Suchanek страница 76
Ein Signalton erklang.
Er warf einen Blick auf den Monitor und erkannte Doktor Florian von Ardenne.
»Treten Sie ein, Doktor«, begrüßte er den Verbündeten. »Etwas zu trinken?«
Der Wissenschaftler verneinte. »Ich muss gleich wieder zurück, bevor Michalew mich vermisst.«
»Ach was.« Er winkte ab. »Setzen Sie sich. Der gute Admiral wird in den nächsten Tagen nicht einen Gedanken an Sie verschwenden.«
Von Ardenne ließ sich, wenn auch etwas widerwillig, in den Konturensessel sinken. Mit zittrigen Fingern legte er eine kleine Ampulle auf den Schreibtisch.
»Das ist es also?«
Der Wissenschaftler bejahte. »Wie abgesprochen habe ich es zurückgehalten.«
Er nahm die Ampulle auf, in der eine schwarze Flüssigkeit schwappte. »Damit kann man also die Parlidenrüstung auflösen und den darin gefangenen Menschen befreien? Sie sind ein Genie, daran besteht kein Zweifel.«
In untypisch zurückhaltender Weise wehrte von Ardenne das Kompliment ab. »Genau genommen befand sich das Mittel die gesamte Zeit vor unserer Nase.
Es hat sich herausgestellt, dass diese Naniten auf der Parlidenrüstung klebten, die Captain Cross aus dem Elnath-System mitbrachte. Scheinbar hat dieses ominöse Artefakt versucht, die gefangenen Menschen von der Sklavenrüstung zu befreien. Wir glauben, dass die Rüstungen an Bord jenes Schiffes, auf das die HYPERION im Orbit traf, ihre Träger töteten, als dieses Lösungsmittel aktiv wurde.«
»Würde man den Stasetank, der sich auf der CAVE-Forschungsstation befindet, also abschalten, würde sich die Rüstung auflösen?«
Von Ardenne bejahte. »Wenn wir den neuralen Interface-Chip mit einem gerichteten EMP deaktivieren, kann die Rüstung ihren Träger nicht mehr töten.
Normalerweise würde er dann ersticken. Doch wenn gleichzeitig die Naniten aktiv werden, wird die Sklavenrüstung zersetzt.«
»Und der gefangene Mensch ist befreit. Das sind ausgezeichnete Neuigkeiten, die zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht bekannt werden dürfen.«
»Das ist mir klar. Es würde Ihre Pläne zerstören.«
»Mitnichten«, entgegnete er dem Wissenschaftler. »Michalew kann nicht mehr zurück. Er hat sein Schicksal besiegelt.«
Von Ardenne wurde bleich. »Es beginnt? Wann?«
»Oh, mein lieber Doktor, der Admiral hat vor wenigen Minuten den großen roten Knopf gedrückt.«
Der Wissenschaftler schwieg. Als er die Tragweite dieses Satzes begriff, sprang er auf. »Dann sollte ich schnellstmöglich zurückkehren. Das Reisen ist bald nicht mehr sicher.«
»Tun Sie das.«
Von Ardenne schaute ihn noch kurz an, nickte abgehackt und verließ den Raum.
Bereits zwanzig Minuten später unterbrachen die Nachrichtenkanäle ihr Programm für eine Sondersendung. Eine Bombe hatte den Flugwagen von Trevor Holden, dem Finanzminister, zerfetzt. Die Überreste des Ministers, seines Sekretärs und der Leibwache verteilten sich innerhalb von Sekunden in einer dunklen Wolke über Paris.
Admiral Björn Sjöberg erhob sich und lachte schallend, während er den Ton des Nachrichten-Feeds deaktivierte. Ein klassisches Musikstück war der Würde des Moments eher angemessen. Zu den Klängen von Beethovens 9. Symphonie griff er nach einer Flasche achtzig Jahre alten Whiskeys, brach das Etikett und goss sich zwei Fingerbreit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in ein Glas.
All die Jahre hatten also tatsächlich etwas gebracht. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er an sich selbst gezweifelt hatte – nicht viele natürlich. Es hatte ihn Mühe gekostet, die Maske des aufrechten Admirals zu tragen. Gerade gegenüber Santana Pendergast hätte er sich ein ums andere Mal beinahe verraten. Doch sein kontinuierliches Vorgehen gegen Vetternwirtschaft und Klüngelei, gegen die Hardliner von Michalew, hatte sich ausgezahlt.
Während er auf der einen Seite geheimes Material an einen Erzfeind, den er selbst erschaffen hatte, weiterleitete, hatte er auf der anderen gegen ihn gekämpft. Die Öffentlichkeit sah in ihm den pflichtbewussten Admiral, den loyalen Offizier, den Verfechter der Demokratie. Wenn die Sache mit den Parliden, und im speziellen seiner Frau, bekannt wurde, würde er noch einmal Sympathie hinzugewinnen.
Juri Michalew hatte nie begriffen, dass man nur gewinnen konnte, wenn man aus dem Hintergrund agierte. Die Galionsfiguren trugen das Fadenkreuz auf der Stirn, die Puppenspieler strichen den Gewinn ein. Alles was man tun musste, war dem Feind etwas zu geben, worauf er sein Augenmerk richten konnte. Und schon blicken sie alle in die falsche Richtung.
In Gedanken überflog er die vielen Stationen, an denen er den Weg Michalews beeinflusst hatte, um ihn zu dem zu machen, was er heute war. Und natürlich das HYPERION-Projekt, sein Meisterstück. Er würde seinen Leuten noch einmal einbläuen müssen, den guten Juri nicht zu liquidieren. Dieses Vergnügen wollte er selbst genießen. Er wollte in die Augen von Juri Michalew blicken, wenn dieser begriff, dass er nicht mehr war als ein minderwertiger Bauer im Schachspiel eines wahren Meisters. Am Ende würde er ihm natürlich einen Pulserschuss in die Stirn jagen, genau wie der lieben Präsidentin, Ione Kartess. Doch sie benötigte er vorher noch.
Einstweilen konnte er sich zurücklehnen und Michalew das Morden überlassen. Sollte der Admiral so viel Chaos verbreiten, wie es nur möglich war. Umso aufgeschlossener würde Kartess für Björns Vorschlag sein.
Er nahm einen Schluck Whiskey, ließ die Flüssigkeit einige Sekunden auf der Zunge wirken, damit das torfige Aroma sich ausbreiten konnte, bevor sie feurig seine Kehle hinabrann.
In Gedanken kehrte er zu seinen größten Momenten zurück. Wie Perlen an einer Schnur materialisierten sie in seinem Geist.
Das Erios-Virus 2238. Die konstruierten Angriffe des Eriin-Bundes auf die Tenkos-Kolonie 2244. Ishidas Aufdeckung von Michalews Flottennetzwerk 2259. Der Angriff des Eriin-Bundes auf die Kolonie Tikara II – der ihn eine ganze Stange Geld gekostet hatte –, wodurch der Kriegsheld Jayden Cross geboren wurde. Und schließlich die Auswahl der Besatzung des HYPERION-Projektes 2265, deren gemeinsamer Nenner noch von niemandem entdeckt worden war.
Ein Signal machte ihn auf eine Prioritätsnachricht von Admiral Yoshio Zhang aufmerksam. Zweifellos wollte die Admiralität eine Sondersitzung abhalten – wo Michalews Attentäter zuschlagen würden. Björn fletschte die Zähne und lehnte sich zurück. Er war für niemanden zu sprechen.
Lassen wir die Pulserschüsse fliegen. Er genoss den Moment der stillen Macht. Wenn das Chaos am größten ist, kommt der Retter, komme ich – und bringe das Ende.
Ende des 3. Teils
IV
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