Der letzte Prozess. Thomas Breuer

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Der letzte Prozess - Thomas Breuer

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man zu, aus Israel und Kanada anzureisen, um hier ihre Aussagen zu machen. Der Rechtsstaat macht sich lächerlich und wir lassen das zu!«

      »Immerhin findet der Prozess nun statt«, wandte ein Mann ein, den Heller auf etwa fünfzig Jahre schätzte. »Der Staat duldet keine Beteiligung am Massenmord. Das ist doch ein wichtiges Signal.«

      »Ja, siebzig Jahre nach der Tat! Aber lassen wir das.« Die junge Frau winkte ab und wandte sich zum Gehen.

      Heller trat ihr in den Weg und machte, als sie ihn grimmig anfunkelte, eine beschwichtigende Geste. »Fabian Heller, freier Journalist«, stellte er sich vor. »Ich würde Sie gerne einen Moment sprechen.«

      »Worum geht’s?«

      »Um die Situation vorhin hier vor dem Gebäude. Wer war die alte Frau, mit der Sie in Streit geraten sind?«

      »Ich bin nicht mit ihr in Streit geraten, ich habe dafür gesorgt, dass sie verschwindet.«

      »Das habe ich gesehen. Aber warum?«

      »Weil das eine vorbestrafte Holocaust-Leugnerin ist. Ursula Haverbeck hat schon bei dem Gröning-Prozess in Lüneburg behauptet, dass Auschwitz gar kein Vernichtungslager gewesen sei, sondern lediglich ein Arbeitslager. Die Alte ist deshalb zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, aber das hält sie nicht davon ab, ihre rechte Hetze weiterhin zu verbreiten. Wenn wir sie nicht daran gehindert hätten, dann hätte diese Nazi-Tante eben im Gerichtssaal gesessen. Das wäre eine Verhöhnung der Opfer gewesen und die Polizei hätte nichts dagegen unternommen. Die wussten ja nicht mal, wer das war.«

      Heller machte sich Notizen auf einem kleinen Spiralblock und sagte dann: »Frau …«

      »Hesse.«

      »Frau Hesse, Sie sind offenbar eine sehr engagierte Bürgerin. Ich habe Ihre Wut eben mitbekommen. Können Sie mir sagen, warum Sie so wütend auf die Justiz sind?«

      »Weil sie sich vorführen lässt. Gucken Sie sich den Prozess gegen Beate Zschäpe in München an. Seit über drei Jahren führt die Nazisse die Justiz an der Nase herum. Die hat drei Verteidiger und wenn es eng wird, stellt sie einen Antrag auf Mandats-Entbindung. Diese Verbrecher bekommen jede Unterstützung und wie ist man mit den Opfern umgegangen? Kriminalisiert hat man die. Die Nachfahren und Überlebenden müssen mit ansehen, wie die Ehre ihrer Väter mit Füßen getreten wird, während die Ehre der Mörderin – mutmaßlichen Tatbeteiligten, da muss man ja sehr gut aufpassen – stets gewahrt werden muss. Und hier läuft wieder genau dieselbe Scheiße. Zwei Stunden sind dem Herrn Massenmörder zumutbar. Zwei Stunden! Das hat seit siebzig Jahren Methode in Deutschland. Wissen Sie, wie ich das finde? Zum Kotzen finde ich das!«

      Sie drehte sich abrupt um und rauschte ohne Gruß in Richtung Parkplatz davon. Heller sah ihr nach und fragte sich, warum er selbst so ruhig bleiben konnte, obwohl er doch all dem zustimmte, was die junge Frau gesagt hatte. Und auch sonst regte sich niemand in seinem Umfeld dermaßen auf. Woher kam dieser Mangel an Empathie, diese Gleichgültigkeit?

      Er steckte seinen Spiralblock in die Tasche und machte sich sehr nachdenklich auf den Rückweg zu seinem Wagen.

      4

      Die Paderborner Kreispolizeibehörde war in der Riemeckestraße untergebracht, in einem dreistöckigen Klinkerbau mit Flachdach. Das Gebäude machte einen hellen und freundlichen Eindruck, ganz anders als der schmutzigrote Ziegelbau der Hammer Polizeidirektion, der noch aus der Kaiserzeit stammte. Aber irgendwie wirkt das hier auch verschlafen, dachte Lenz. Hier also, in Paderborn, dem schwärzesten Loch der ostwestfälischen Provinz, würde er von nun an sein berufliches Leben fristen.

      Na ja, wenigstens war das heute nur sein Antrittsbesuch. Gleich nachher würde er zu seiner neuen Wohnung in der Kisau fahren, sich ein, zwei Stunden aufs Ohr hauen und dann die Kneipen-Szene der Domstadt erforschen. Mit Bedacht hatte er sich inmitten von Studentenkneipen direkt am Paderquellgebiet eingemietet. Solche Viertel versprachen Abwechslung. Das bevorstehende Wochenende würde schon dafür sorgen, dass er den einen oder anderen Zufluchtsort für die langen Abende nach dem eintönigen Dienst fand. Seufzend schloss er die Zentralverriegelung seines Wagens.

      In der funktionalen Halle suchte er sich auf dem Raumplan den Weg zur Direktion Kriminalität und zum Büro von Kriminaldirektor Heitkamp im 2. Stock. Dort angekommen, klopfte er an die Tür des Vorzimmers. Als er nichts hörte, drückte er die Klinke und trat ein. Der Schreibtisch der Sekretärin war leer, die Tür zum Büro nebenan stand offen. Also wandte er sich direkt dorthin.

      Ein verhärmter Mittfünfziger in dunklem Anzug und mit glatten schwarzen Haaren saß hinter seinem Schreibtisch und blickte durch seine schwarzgerahmte Brille erstaunt auf, als Lenz an den Türrahmen klopfte und sich räusperte. Der Mann schien nicht gewohnt zu sein, von sich aus auf Leute zugehen zu müssen, und wartete mit missbilligendem Blick auf eine Erklärung für das unangemeldete Eindringen. So stellte man sich einen verknöcherten Verwaltungsbeamten vor.

      »Kriminalhauptkommissar Stefan Lenz. Ich soll mich heute hier melden.«

      »Herr Lenz!« Kriminaldirektor Heitkamp schnellte hoch und knöpfte sein Jackett zu. Dabei entwickelte er eine Lebendigkeit, die der Hauptkommissar ihm gar nicht zugetraut hätte. »Schön, Sie zu sehen. Bitte, nehmen Sie Platz.« Er deutete auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch. »Haben Sie uns gut gefunden?«

      »Bisschen komische Verkehrsführung an der Autobahnabfahrt, aber sonst kein Problem.«

      »Schön, dass Sie es schon heute einrichten konnten«, freute sich Heitkamp. »Das gibt uns die Gelegenheit, offene Fragen vorab zu klären. Dann können Sie am Montag gleich durchstarten.« Erwartungsvoll strahlte er seinen neuen Mitarbeiter an.

      Lenz hatte keine offenen Fragen. Er würde die Leitung des Kriminalkommissariats 1 der Paderborner Kreis­polizei­behörde übernehmen, das für Todesermittlungen, Sexualdelikte, Qualifizierte Körperverletzungen, Brandermittlungen und Umweltdelikte zuständig war. Die Bewerbung war glatt durchgegangen. In Hamm war er längst abgemeldet, heute war der letzte Tag seines Resturlaubs, ab Montag stand er den Paderbornern zur Verfügung. Was sollte es da noch für offene Fragen geben? Also wartete er ab, was von dem Kriminaldirektor kam.

      Aber auch der schien von sich aus das Gespräch nicht voran­treiben zu wollen. Schließlich räusperte er sich verlegen und griff nach einer Mappe, die oben auf einem Stapel zu seiner Rechten lag. »Ihre Personalakte ist eingetroffen. Sie haben eine beeindruckende Aufklärungsquote. Ich bin sicher, dass Ihre Vorgesetzten in Hamm Sie ungerne ziehen lassen.« Er lachte trocken auf und blickte Lenz auffordernd an.

      Der hütete sich, das Gegenteil zu gestehen. Heitkamp würde ihn früh genug selbst kennenlernen. Stattdessen nickte er zweideutig lächelnd.

      »Nun ja«, fuhr der Kriminaldirektor fort und schloss die Personalakte wieder. »Von meiner Seite aus ist alles klar. Wenn Sie keine Fragen haben, schlage ich vor, dass ich Ihnen Ihre neuen Kollegen vorstelle.«

      »Gerne.« Lenz schob den Stuhl zurück und stand auf.

      Kriminaldirektor Heitkamp umrundete seinen Schreibtisch und ging vorweg zur Tür. »Sie werden sicher gut mit Ihrem Kollegen Schröder auskommen. Ein umgänglicher Typ, immer korrekt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

      Lenz hoffte, dass er den Kriminaldirektor nicht richtig verstand. Korrekte Typen hatte er gefressen. Die machten Cops wie ihm immer nur das Leben schwer. Aber er verkniff sich eine entsprechende Replik.

      »Frau Gladow ist erst seit Kurzem bei uns«, fuhr Heitkamp

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