Hexenhammer 2 - Alles Leid währt Ewigkeit. Uwe Voehl
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Читать онлайн книгу Hexenhammer 2 - Alles Leid währt Ewigkeit - Uwe Voehl страница 6
»Namöd?« Ich fuhr aus meinem Stuhl hoch. Er hatte es anders ausgesprochen als der Pfarrer, doch war ich sicher, dass es sich um denselben Flecken handelte! Also hatte der Herr meine Gebete gehört und mir den braven Anselm Lewenstein geschickt!
Der Büttel nickte. »Ganz gewiss hieß der Ort so. Zwei meiner Leute begleiteten mich, die Hexen dorthin zu bringen. Wir taten alles, wie man es uns aufgetragen hatte. Die Weiber waren in Truhen gesperrt, damit sie uns nicht verzaubern konnten. Vorher brachen wir ihnen die Beine und Arme, damit sie dort hineinpassten. Nichts Absonderliches geschah auf der Fahrt, jedoch machte uns Namöd grausen. Der Ort liegt so versteckt im Harzer Land, dass wir ihn kaum fanden. Auch die Bewohner sind sehr seltsam. Sie zeigen ihre Gesichter nicht und reden nur das Nötigste. Wir übergaben ihnen die Truhen und waren heilfroh, wieder zurückzureiten …«
Es fiel mir schwer, ihm weiter zuzuhören, denn zu sehr beschäftigte mich der Ort selbst.
Dennoch ließ sich Lewenstein nicht davon abbringen, mir lang und breit seine Leidensgeschichte zu erzählen. Kurz nachdem er die Frauen dort abgeliefert hatte, war er von Albträumen heimgesucht worden. Immer wieder sah er darin die Frauen, wie sie ihm drohten und ihn verfluchten. Auch befand er sich am Ende dieser Träume oft selbst in einer stockdunklen Kiste, sodass er schreiend erwachte. In der Folge sprach er dem Wein immer stärker zu, verlor seine Stellung und musste sich schließlich als Büttel verdingen. Doch nun kam sein Ausschlag hinzu, der ihn, wie er mir verriet, am ganzen Leibe plagte. Auch seine Sehkraft ließ nach, sodass er fürchtete, seine Arbeit nicht mehr verrichten zu können. Ganz sicher aber war er, dass die Hexen ihn verflucht hatten, schließlich träume er seither jede Nacht davon, in der Kiste zu stecken. Auch empfinde er den fürchterlichsten Schmerz in Armen und Beinen, als wären sie ebenfalls gebrochen.
»Wenn Ihr mir nun endlich verratet, wo dieses Namöd liegt, so werde ich es beizeiten aufsuchen und die Hexen dort befragen«, versprach ich.
Lewenstein beschrieb mir den Weg, und ich entließ ihn mit dem Versprechen, für ihn zu beten.
Nachdem er gegangen war, stand mein Entschluss fest: So bald als möglich würde ich nach Namöd reisen. Nicht um die angeblichen Hexen zu befragen, sondern um herauszufinden, welche Verbrechen dort im Namen der Inquisition begangen wurden. Doch dann –
kam zunächst alles anders.
Und erlöse mich von dem Bösen, o Herr …
Ich hatte es erlebt, das Böse. Im haus zur heiligen dreieinigkeit hatte ich es am eigenen Leibe erfahren. Auf schmerzhafte Weise hatte ich erkennen müssen, dass sich das Böse selbst unter dem Habit nach außen hin frömmelnder Nonnen versteckt. Denn das Böse trägt tausenderlei Masken, und daher müssen wir beständig auf der Hut sein, dass es nicht in uns fährt und seinen Stachel tief in unsere Seele treibt.
Selbst ich, die ich von des Papstes Gnaden zur Inquisitorin ernannt wurde, war nicht gefeit gegen des Teufels Schergen.
Und lasse das Böse nicht in mich fahren, o Herr!
Es gibt mannigfaltige Arten, dem Bösen die Stirn zu zeigen. Neben dem Gebet, so hatte ich herausgefunden, ist auch die Selbstgeißelung hilfreich. Denn das Böse ist feige, es fürchtet den Schmerz, während es selbst unerträgliches Leid über die Menschheit bringt.
So kniete ich auch an diesem nebligen Novembermorgen in meiner kargen Turmkammer in Lemgo und geißelte mich im Namen des Herrn. Dreizehn Schläge mit dem dreifach geflochtenen und dreiendigen Hanfseil.
Meine Dienerin, die stumm dabeigestanden hatte, eilte hernach, um Waschschüssel, Lappen und lindernde Salben zu holen und den blutenden Rücken zu reinigen. Sie verstand sich gut darauf, war ihr Vater doch Medicus im fernen Worms gewesen. Nicht nur, dass sie ihm verschiedene Behandlungen und Kuren abgeschaut hatte. Darüber hinaus war sie ihm, wie sie mir erzählt hatte, bei der Ausführung derselbigen öfter zur Hand gegangen. Mathilde stand erst seit einem Monat in meinen Diensten, und wenngleich sie kleinwüchsig war und eine Hasenscharte besaß, die ihr Antlitz fast noch hässlicher machte als meines, so war sie doch wach und klug, und ich konnte mir keine bessere Dienerin an meiner Seite vorstellen.
Nun schüttelte ich den Kopf. »Ich hatte einen eigenartigen Traum, Mathilde.«
»War es wieder derselbe? Der, in dem Ihr Euch selbst als weinendes Kind auf einem Bildnis seht?«
Ich nickte. Einzig Mathilde hatte ich von dem Traum erzählt. Doch auch ihr hatte ich aus einem mir unerklärlichen Grund verschwiegen, wie er stets endete: mit dem weinenden Jungen, der mir entgegenblickte.
»Ihn träumte ich zuerst. Doch dann war da noch ein anderer Traum. Darin ritt ich durch einen dunklen Wald und wurde von kleinen schwarzen Teufeln angegriffen. Von allen Seiten sprangen sie herbei und verhöhnten Gott mit ihren widerlichen Fratzen. Sie wurden immer dreister und rissen mir das Wams vom Leibe. Doch da geschah Wunderliches: Ein Aufschrei ging durch ihre Reihen, und ich spürte, wie die kaum verheilten Wunden der letzten heiligen Geißelung sich verwandelten und zum Leben erwachten. Neununddreißig Ebenbilder meiner Selbst erwuchsen daraus und zertraten die Meister der Teufel. Die wenigen Überlebenden ergriffen die Flucht. Da wachte ich auf, voller Glück und Heiterkeit. Was will mir der Traum sagen, Mathilde?«
»Dass Ihr mächtiger als alle Teufel seid, Herrin?«
Ich seufzte. »Das wäre Gotteslästerung, denn nur Gott allein ist mächtiger als alles Böse. Doch vielleicht wollte er mir sagen, dass er mir allzeit beisteht, im Kampf gegen das Böse …«
Meine Unterhaltung mit Mathilde wurde jäh unterbrochen, als es an der Türe klopfte und, ehe ich die Erlaubnis gegeben hatte, ein junger Bursche hereinstürmte. Als er meinen blutigen Rücken sah, senkte er sogleich beschämt den hochroten Kopf.
Mathilde aber stellte sich zwischen mich und den Burschen, sodass er meiner Blöße nicht länger ansichtig werden konnte.
»Was fällt dir ein, du Rotzlöffel! Bist du des Teufels, hier so reinzuplatzen?«
»Ich … ich …«, stammelte der Bursche.
Während Mathilde ihn weiter ausschimpfte, raffte ich mich auf und zog mir das Unterkleid über die blutenden Wunden. Den Schmerz, den das harte Linnen dabei verursachte, empfand ich als Gottes Fingerzeig, es vielleicht demnächst nicht bei nur dreizehn Schlägen zu belassen, obwohl es, wie seit jeher Brauch, ja eigentlich neununddreißig Schläge sind, ist das Geißelende doch dreifach ausgeführt.
»Was hast du denn nun da?«, hörte ich Mathilde sagen, während ich noch damit beschäftigt war, mich weiter anzukleiden.
»Ein Brief! Eine Botschaft für deine Herrin!«
»Dann gib schon her!«
»Nein, ich darf ihn nur persönlich überreichen!«
»Du fängst dir gleich ein paar Maulschellen!«
»Lass es gut sein, Mathilde.« Ich schritt ein, bevor das Wortgefecht noch in ein körperliches Scharmützel ausartete. Mathilde reichte dem jungen Burschen zwar nur bis zur Brust, aber was ihr an Körpergröße fehlte, machte sie durch Kraft und Mut wett.
Ich schob mich an ihr vorbei und streckte die Hand aus. Der Junge überreichte mir den Brief und blieb wartend stehen. Wahrscheinlich hoffte er auf ein Trinkgeld, also gab ich Mathilde ein Zeichen.
Sie