Hexenhammer 2 - Alles Leid währt Ewigkeit. Uwe Voehl
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»Warum stehst du dann noch so dumm herum, Junge?«, zeterte Mathilde.
»Ich soll warten, bis die Ehrwürdige Herrin mir ihre Antwort übergibt.«
Das Siegel, das ich erbrochen hatte, war mir nur zu gut bekannt. Insofern klopfte mein Herz ein wenig schneller, als ich den Umschlag öffnete. Das Papier darin war mit großen schwungvollen Lettern bedeckt. Der Großinquisitor Heinrich Institoris verlangte mich zu sprechen. Aus diesem Grund wurde ich aufgefordert, mich unverzüglich im Kloster Dalheim einzufinden.
Nun klopfte mein Herz noch wilder. Seitdem ich meine Aufgabe erfüllt und Lemgo und die umliegenden Dorfflecken von Hexenmeistern, Hexen und anderen Dämonen befreit hatte, war ich mehr oder weniger ohne klaren Auftrag gewesen. Aus diesem Grund hatte ich sowieso den Großinquisitor aufsuchen wollen, um die Erlaubnis für meine Reise nach Namöd zu erbitten.
Natürlich würde ich meiner eigentlichen Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich das Hexenwesen in und um Lemgo nicht wieder ausbreitete, dennoch gerecht werden können. Meine Mission im Harz würde sicherlich nur wenige Tage dauern.
Und was die Dämonen betraf, so hatte ich dazugelernt. Natürlich hatten sie sich längst aus Lemgo verzogen und machten in der Maske biederer Bürger andere Städte unsicher, während die Unschuldigen – hier wie anderswo – weiterhin angeprangert wurden. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Bürger seinen Nachbarn oder Verwandten der Hexerei beschuldigte. Selbst vor den eigenen Eheweibern machten einige Männer nicht halt, denen es meist wohl nur darum ging, sie loszuwerden, um sich eine jüngere nehmen zu können.
Und dann waren da noch die Wichtigtuer, solche, die sich rühmen wollten, mir Aug in Aug gegenübergestanden zu haben. Denn ob ich es wollte oder nicht: Ich war inzwischen bekannter, als ein fliegender Hund es gewesen wäre. Die »Hexenjägerin«, so wurde ich genannt.
Was einer der Gründe dafür war, dass ich es in letzter Zeit vermieden hatte, mich auf der Straße blicken zu lassen. Ich mochte es nicht, wie die Leute mich ansahen – mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Angst.
Niemand hatte die jahrelangen Exzesse und Prozesse vergessen, die unsere Stadt so lange heimgesucht hatten. Dabei hatten die wirklichen Dämonen den Hexenwahn geschürt, um feixend mitanzusehen, wie Hunderte unschuldiger Menschen im Namen der heiligen Inquisition gefoltert und hingerichtet wurden.
Obschon ich mich um Aufklärung über das wahre dämonische Treiben bemühte, durchschauten die arglosen Menschen das teuflische Spiel kaum.
»Was ist, Herrin?«, fragte Mathilde neugierig, da meine Blicke noch immer auf dem Brief verweilten.
»Es sieht so aus, dass wir in Lemgo nicht mehr gebraucht werden«, erklärte ich und hoffte, meine Stimme nicht allzu freudig, sondern dem Anlass entsprechend feierlich klingen zu lassen.
»Umso besser!«, freute sich mein Mädchen. »Es ist stinklangweilig hier, wenn es nichts Richtiges zu tun gibt für unsereins!« Sie verbesserte sich rasch: »Ich meinte natürlich, für Euch.« Sie verbeugte sich leicht.
Ich musste schmunzeln, hatte sie doch schon oft erklärt, wie gern sie mit mir gegen die Schwarze Familie zu Felde ziehen würde. Ihre Mutter, so hatte sie mir erzählt, war von einem Vampir gebissen und später gepfählt worden, als Mathilde noch ein Kind gewesen war. Seitdem hasste Mathilde die schwarze Brut wie die Pest. Ich konnte mir keine treuere Dienerin an meiner Seite wünschen.
Zum Boten sagte ich: »Sag, dass ich noch heute nach Dalheim aufbrechen werde. Wie bist du überhaupt hierhergekommen? Und seit wann bist du unterwegs?«
Er errötete erneut, haspelte aber dann: »Eine Reiterstafette hat den Brief weitergetragen. Mein Vater sollte der Letzte sein, der ihn Euch übergibt, aber …«
Er stockte, sodass ich ihn ernst ansah und zum Weitersprechen auffordern musste.
»Was ist mit deinem Vater, nun sag es schon!«
»Sein Pferd ist gestürzt, und er hat sich das Genick gebrochen. Die Mutter bat mich, ihren ältesten Sohn, Euch die Botschaft zu überbringen.«
Er rang mit den Tränen. Offensichtlich wollte er vor mir nicht zugeben, wie sehr ihm der Tod seines Vaters zu schaffen machte.
»Das tut mir sehr leid, Junge, aber umso dümmer ist es, einen Obolus abzulehnen. Deine Familie kann das Geld brauchen.« Ich wandte mich an Mathilde: »Gib dem Burschen fünf Taler.«
»Fünf Taler, Herrin?« Ich sah ihr an, dass sie die Summe für zu hoch hielt, aber ich hatte meine Gründe, so großzügig zu sein. Ahnte ich doch, dass hinter dem verhängnisvollen Sturz mehr steckte als nur ein Unfall.
Während Mathilde sich zum Sekretär begab und den Schlüssel vom Hals nahm, fragte ich den Jungen: »Und wie bist du hierhergelangt?«
Wieder blickte er beschämt zu Boden. »Mit dem Eselskarren. Das Pferd musste notgeschlachtet werden.«
»So ist sicherlich großes Leid über eure Familie gekommen.«
Nun war es an mir, den Kopf zu senken. Wie viel Kummer die Dämonen doch den Menschen bereiteten! Dabei hatte der Vater vermutlich allein das Pech gehabt, mit einer wichtigen Botschaft für mich betraut worden zu sein.
Mathilde zählte dem Jungen die Münzstücke in die Hand. Diesmal sträubte er sich nicht. Es war nur eine geringe Wiedergutmachung, und ich schämte mich, als er dankbar vor mir auf die Knie fiel.
»Gott segne dich«, sagte ich und strich ihm über den Kopf. »Und nun steh auf, und eile zurück zu deiner Familie.«
Der Junge erhob sich, murmelte mehrmals einen Dank und eilte hinaus.
»Fünf Taler waren viel zu großzügig, Herrin«, schalt mich Mathilde, nachdem die Tür hinter ihm zugefallen war. »Wenn sich das herumspricht, werdet Ihr nicht mehr sicher sein vor Bettlern und Hausierern und was sich für Schmarotzer noch dort draußen rumtreiben!«
»Es sind alles nur Menschen, Mathilde, vergiss das nicht.« Und dann sprach ich aus, was mir die ganze Zeit über schon durch den Kopf gegangen war: »Ich glaube nicht, dass der Vater des Jungen zufällig gestürzt ist.«
»Ihr denkt …?«
Ich nickte. »Die Schwarze Familie hat erfahren, dass Heinrich Institoris nach mir verlangt. Die Dämonen versuchten zu verhindern, dass mir die Nachricht zugestellt wurde. Nur warum?«
»Die Dämonen fürchten Euch, mehr als alle anderen Streiter der Inquisition«, behauptete Mathilde. »Es wird sich herumgesprochen haben, auf welche Weise Ihr nicht nur Lemgo von der teuflischen Brut befreit habt.«
Ich lächelte mild. »Ich bin nur ein kleines Rädchen im großen Mühlwerk der Inquisition. Hohe Herren wie Heinrich Institoris oder Jakob Sprenger sind es, die die Schwarze Familie viel eher fürchtet.«
Mathilde machte ein nachdenkliches Gesicht. »Aber auf welche Weise, glaubt Ihr, haben die Dämonen von der Depesche erfahren? Es muss einen Verräter in Institoris’ Gefolge geben.«
Das war auch mein erster Gedanke gewesen. Unter den Kutten und Talaren konnte sich ein Dämon ebenso verstecken wie unter der Tracht eines Kaufmanns oder dem Flickenkleid einer Bettlerin. Oder sogar in dem vormals frommen Mann oder der Frau selbst, wie das Schicksal von Coctorius bewiesen hatte.