Der böse Trieb. Alfred Bodenheimer

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Der böse Trieb - Alfred Bodenheimer Red Eye

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darf gern auch ein Kaffee oder Tee sein. Oder etwas vegane Bouillon. Kann ich sehr empfehlen.«

      Klein sah, wie Anke Frowein die Augen verdrehte.

      »Alles gut«, sagte Klein.

      Unmüßig wartete, bis das Wasser heiß war, goss sich Pulver aus einer kleinen Dose in einer Kaffeetasse auf, und ein aufdringlicher Geruch nach Glutamat begann den Raum zu erfüllen. Frau Frowein griff ihrerseits in eine Vorrichtung an einer ihrer Armlehnen und holte eine Trinkflasche mit Strohhalm heraus, aus der sie einen Schluck nahm.

      »Alles bereit, Chef«, sagte sie. Sie sprach Datum und Uhrzeit in ihr Tablet und danach: »Befragung Rabbiner Gabriel Klein, Bekannter des Opfers Viktor Ehrenreich.«

      Unmüßig setzte sich hinter seinen abgewetzten Schreibtisch und schlürfte lautstark seine dampfende Suppe.

      »Was wissen Sie über Sonja Ehrenreich?«

      »Über Sonja? Wenig. Ich dachte, wir reden über Viktor.«

      »Herr Rabbiner Klein, was wissen Sie von Viktor über Sonja Ehrenreich?«

      Klein zögerte.

      »Wenig, wie gesagt.«

      Unmüßig schlürfte wieder.

      »Dann erzählen sie das Wenige.«

      »Sie kannten sich von einem jüdischen Anlass. Damals verliebte er sich Hals über Kopf in sie, zog wegen ihr von Berlin nach Süddeutschland und studierte dort fertig. Sie ist Lehrerin. Mathe und Musik, soweit ich weiß, hier am Gymnasium. Das wäre es, glaube ich.«

      »In der Tat wenig«, sagte Unmüßig.

      »Sage ich ja«, meinte Klein mit Ungeduld in der Stimme.

      »Wissen Sie etwas über Frau Ehrenreichs Gesundheitszustand?«

      »Sie meinen … ihre Depressionen.«

      »Na also. Ganz so wenig wissen Sie doch nicht über sie. Wobei ich persönlich den Begriff der Borderline-Persönlichkeit bevorzugen würde.«

      Klein war befremdet von der Sicherheit, mit der der Kommissar eine Diagnose abgab. Er zog es aber vor, sich dazu nicht zu äußern.

      »Sie war immer wieder krankgeschrieben, das weiß ich. Aber natürlich kenne ich keine genauen Befunde.«

      »War es, Ihrem Eindruck nach, eine glückliche Ehe?«

      »Wie soll ich das beurteilen?«

      »So, wie Sie wahrscheinlich alles in Ihrem Leben beurteilen. Man hört dies und jenes, beobachtet dies und das, und dann hat man einen Eindruck.«

      »Sehen Sie, Herr Unmüßig, es gab sicher Krisen in dieser Ehe. Ich glaube, eines der größten Probleme war, dass das Paar keine Kinder bekam. Darunter hat Sonja wohl sehr gelitten, und sie fand, dass ihr Mann nicht genug unternommen hat, um diesen Zustand zu ändern. Insofern gab es Probleme. Aber das ist ja nicht das Gesamtbild.«

      »Aber Sie wissen ja doch eine ganze Menge, Herr Klein. Da kommen wir vielleicht doch ein bisschen weiter.«

      »Ich verstehe immer noch nicht, was Frau Ehrenreichs Zustand mit dem Mord …«

      Unmüßig hob die Hand.

      »Ich bitte Sie, Herr Klein. Das Verstehenmüssen ist in diesem Fall ganz unsere Sache. Von Ihnen hätten wir einfach gerne Auskünfte, die uns das Verstehen erleichtern.«

      Kleins Oberkörper spannte sich. Unmüßig hätte sich in puncto Umgangsformen etwas von Frau Bänziger abschneiden können. Aber dieses deutsche Kaff war eben nicht Zürich, dachte Klein bissig.

      »Wenn wir hier schon von Sonja Ehrenreich sprechen«, meinte er, »dann fällt mir ein, dass sie selbst einen Verdacht hat, wer der Täter sein könnte. Ein Herr Moser nämlich. Der ihren Mann schon früher bedroht hat. Sie hat Ihnen das doch sicher auch gesagt.«

      Wieder nahm Unmüßig schlürfend einen Schluck aus der Tasse.

      »Frau Frowein, übernehmen Sie doch für einen Moment. Sonst meint man, Sie seien hier reine Dekoration.«

      Anke Frowein blickte schon die ganze Zeit halb unbeteiligt, halb skeptisch vom einen zum anderen. Auf Unmüßigs Aufforderung hin übernahm sie nahtlos.

      »Was Niklas Moser früher genau getan hat, ob er gedroht hat, ob er die Autofenster von Viktor Ehrenreich zerdeppert hat, wie Frau Ehrenreich behauptet, das wissen wir nicht so genau. Aber für den Mord kommt er nicht infrage.«

      »Soso«, sagte Klein leise, aber mit einem provokativen Unterton, den er sich gegenüber Frau Bänziger nie herausgenommen hätte. Alles an diesem Büro hier war ihm zuwider, es roch schlecht, war geschmacklos eingerichtet, und die Polizisten führten sich auf, als sei er eingeladen, um ihnen etwas vorzutanzen.

      »Wir sind natürlich Frau Ehrenreichs Verdacht nachgegangen. Herr Moser feierte an diesem Tag irgendein Familienfest am Titisee. War ja Sonntag. Und gegen 22 Uhr machte er sich auf den Heimweg. Das würde zeitlich noch hinkommen, dann wäre er kurz nach 23 Uhr in Inzlingen gewesen, und Viktor wurde irgendwann zwischen 22 Uhr und Mitternacht umgebracht. Aber Herr Moser hatte 1,9 Promille intus und fuhr schon gleich nach Hinterzarten in einen Pfosten. Auto futsch, Ausweis futsch, mindestens eine hohe Ordnungsbuße, die auf ihn wartet. Ich möchte in seiner Haut nicht stecken. Aber die Nacht hat er nachweislich in einer Ausnüchterungszelle verbracht. Dieses Alibi ist nicht zu toppen. Das weiß übrigens Frau Ehrenreich inzwischen auch.«

      Dagegen gab es nichts einzuwenden, musste Klein zugeben. Dennoch hatte er Zweifel an der Professionalität, mit der hier vorgegangen wurde.

      »Ich habe gehört, Sie schließen ein antisemitisches Hassverbrechen praktisch aus. Weil es nie Drohungen in der Art und keine Form von Bekennerschaft gab. Aber kann man das einfach ausschließen, wenn der einzige jüdische Bewohner eines Dorfes umgebracht wird?«

      »Herr Rabbiner«, übernahm Unmüßig wieder, und der Respekt in seiner Stimme klang irgendwie schmierig. »Wir ermitteln in alle Richtungen. Aber bevor wir es dazu kommen lassen, dass die Weltpresse den Blumenacker in Inzlingen belagert, arbeiten wir mit Wahrscheinlichkeiten. In der Pressemitteilung über den Mord haben wir erklärt, dass ungeachtet der Zugehörigkeit des Toten zum Judentum ein antisemitisches Motiv kaum in Betracht kommt, sondern im privaten Umfeld ermittelt wird. Das hat mir vom Landeskriminalamt einen kräftigen Rüffel eingebracht, weil es angeblich Tatsachen vorwegnimmt, die überhaupt nicht gesichert seien. Aber genau deshalb will ich, dass wir hier in Lörrach diesen Fall bearbeiten. Denen in Freiburg oder gar in Stuttgart ist es egal, wenn unsere Stadt plötzlich in Israel und den USA als Nazi- oder Islamistennest präsentiert wird, ohne dass es dafür auch nur irgendeinen Hinweis gibt. Solcher Druck verkompliziert nur die Ermittlungen, und die sind schon schwierig genug. Aber«, sagte er unvermittelt, »zurück zu Frau Ehrenreich. Wie Sie wissen, war sie verreist, als der Mord geschah.«

      »Ja«, sagte Klein. »Genau deshalb verstehe ich nicht, warum Sie dauernd nur von ihr sprechen.«

      »Sie wissen womöglich auch, wo sie war.«

      »Vietnam, sagte sie mir.«

      »Sie sind wirklich ausgezeichnet informiert, Herr Rabbiner.«

      Wieder

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