Von Flusshexen und Meerjungfrauen. Jennifer Estep

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Von Flusshexen und Meerjungfrauen - Jennifer  Estep

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man sich in vielen nordeuropäischen Ländern leicht unterschiedliche Varianten erzählt, stößt ein junges Mädchen aus Eifersucht seine Schwester in einen Fluss und lässt sie ertrinken. Ein Müller, in dessen Mühlrad sich die Leiche der armen Seele verfängt, fertigt aus ihren Knochen und ihren Haaren eine magische Harfe. Sie beginnt von selbst zu singen und so entlarvt die Ertrunkene noch aus dem Jenseits ihre Mörderin. Nina Bellem hatte dieses Märchen unter dem Titel Schwanengesang in Hinter Dornenhecken und Zauberspiegeln adaptiert.

      Adaptiert sage ich bewusst; nicht nacherzählt. Oft verwenden wir diese Ausdrücke wie Synonyme, wenn wir über Märchenfantasy sprechen. Doch es gibt für mich gewaltige Unterschiede. Nacherzählungen halten sich eng an ihr Original, schmücken dieses allenfalls aus und ändern Kleinigkeiten. Adaptionen gehen freier mit dem Stoff um. Sie fügen ihm eigene Wendungen und Motive hinzu, ändern traditionelle Inhalte oft sehr stark. Dem Geist der Märchen selbst bleiben sie in der Regel treu.

      In Von Flusshexen und Meerjungfrauen findet ihr Adaptionen bekannter – und wenig bekannter – Märchen und Sagen. Und darüber hinaus noch Kunstmärchen: neue Geschichten, die auf klassische Motive zurückgreifen, ansonsten aber ganz eigenen Wegen folgen. Die Althergebrachtes verändern, ganz so, wie es sich für Wassermärchen gehört.

      Vielleicht verändert das Lesen unserer diesjährigen Geschichten ja auch eure Sicht auf die Welt ein wenig.

      So oder so: Wir wünschen euch viel Freude!

      Christian Handel, September 2020

      Danke!

      Dies ist nun schon die fünfte Ausgabe unserer Märchenanthologie und ich liebe jede einzelne davon, denn sie zeigen mir jedes Mal aufs Neue, dass es sich lohnt, verrückten Ideen nachzugehen.

      Als Christian mich damals ansprach und dieses Projekt vorschlug, hatte ich keine Ahnung, was sich alles Großartiges daraus entwickeln würde.

      Es erfüllt mich mit großer Freude und Dankbarkeit, den Geschichten geschätzter Kolleg*innen wieder Drachenschuppen verleihen zu dürfen. (Auch wenn sie dieses Jahr etwas nach Fisch riechen ... ;) )

      Normalerweise hätten wir das Buch wieder im Rahmen der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Normal ist dieses Jahr aber gar nichts.

      Doch auch wenn sich einiges verzögert hat: Hier ist sie! Und da ich fest daran glaube, dass Wünschen hilft, wünsche ich uns allen, dass wir uns bald schon wieder unbeschwert sehen können. Vielleicht wird es noch etwas dauern. Aber ich glaube fest daran, dass am Ende alles gut wird!

      Ich möchte mich aus tiefstem Herzen bedanken bei

      – allen Autor*innen, die durch ihre Geschichten diese Anthologien überhaupt erst möglich gemacht haben.

      – Christian, der federführend diese Reihe mit so viel Engagement, Liebe und Fürsorge betreut.

      – Soufiane, für die immer wunderschönen Illustrationen.

      – Alex, für all die zauberhaften Cover.

      – unseren wundervollen Fans, die der Wind unter unseren Flügeln sind und die uns auch in schweren Zeiten unterstützen.

      – meinen Early Dragons, die so verrückt waren, ebenfalls lange vor Tages­anbruch aufzustehen, damit ich mich genötigt sah, noch weniger zu schlafen als sonst – und somit Zeit zum Schreiben hatte.

      Ich bin wahrlich ein Glücksdrache! : ) Astrid

      Das Flüstern des Meeres

      Astrid Behrendt

       Astrid Behrendt

      Astrid Behrendt muss ich euch eigentlich nicht vorstellen. Sie ist Kopf, Herz und Hand des Drachenmond Verlags. Vor fast fünfund­zwanzig Jahren hat sie den Verlag gegründet, und seitdem nicht nur an ihren Hoffnungen und Träumen festgehalten, sondern auch tatkräftig dabei geholfen, die zahlreicher anderer Menschen zu erfüllen.

      Sie backt die besten Drachenkekse der Welt, ist Mutmacherin und Buchmensch durch und durch. Um diese Geschichte rechtzeitig beenden zu können, hat sie beschlossen, sehr früh aufzustehen. Der Wecker klingelte deutlich vor fünf Uhr, und das jeden Tag.

      Inspiriert wurde sie zu ihrer Geschichte übrigens von Die kleine Meerjungfrau. Stark im Gedächtnis verhaftet ist ihr die tschechische Verfilmung, die sie – ebenso wie Drei Haselnüsse für Aschenbrödel – wieder und wieder angesehen hat. »Schon als kleines Kind hat mich die Sehnsucht der Meerjungfrau tief berührt«, gesteht sie.

      Astrid begeistert. In vielerlei Hinsicht, aber eben auch mit ihren Geschichten. Ich bin schon gespannt auf den Roman, an dem sie gerade arbeitet.

       www.drachenmond.de

       Das Flüstern des Meeres

       Erzähle mir eine Geschichte, Schwester. Eine Geschichte, wie ich meinen Prinzen treffen werde …

       Wenn das Mondlicht die Schaumkämme der Wellen liebkost und das Murmeln des Meeres nachtträge geworden ist, kann ich deine Stimme hören. Die bittenden Worte, die du unzählige Male gewispert hast, wenn der Schmerz deine Augen verdunkelte. Ich sehe meine Hand, wie sie über deine Stirn gleitet, spüre den zarten Körper, der sich Hilfe suchend an den meinen schmiegt, während die Krämpfe ihn schütteln. Und ich höre mir dabei zu, wie ich deinen Wunsch erfülle.

       »Wie werde ich meinen Prinzen erkennen?«, flüsterst du jedes Mal.

       Dies ist die eine Frage, auf die alles hinausläuft. Die Frage, die dein Halt geworden ist, wenn das Fieber deine Augen trübt. Lippen bewegen sich stumm mit meinen, während ich die magischen Worte ausspreche. Das Versprechen auf das gute Ende.

       »Es wird sein, als würden alle Sterne der Nacht auf einmal aufleuchten. Das Meer verstummt, die Zeit bleibt stehen. Seine Augen werden heller strahlen als die Sonne. Und dein Herz wird wissen: Er ist es!«

       Dann schläfst du ein. Die Hoffnung im Herzen, dass dein Körper dich nicht im Stich lässt, bis das Versprechen eingelöst werden kann. Und ich halte dich, bis die ersten Strahlen der Morgensonne den Horizont küssen, flehe um noch mehr Zeit mit dir – und um den Prinzen, um dir das Glück zu schenken, das du so ersehnst …

      »Würdest du es bitte unterlassen, schlafende Kraken um ebenfalls schlafende Familienangehörige zu knoten?« Die Stimme meines Vaters klingt streng, während er mich zurechtweist, doch mehr amüsiert als verärgert. Meine kleine Schwester kichert und blickt mit leuchtenden Augen zu mir auf. Alles, was sie zum Lachen bringt, ist einen Tadel wert.

      »Eure Cousine wird schon bald wieder abreisen,

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