Von Flusshexen und Meerjungfrauen. Jennifer Estep
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Читать онлайн книгу Von Flusshexen und Meerjungfrauen - Jennifer Estep страница 19
Als sein Kopf die Oberfläche des Sees durchbrach, leuchtete das erste Licht des neuen Sommermorgens in funkelndem Gold auf dem Wasser. In der Bucht, umgeben von blühenden Seerosen, standen sich die zwei nackten Kappa in geduckter Haltung gegenüber, die nadelspitzen Zähne gefletscht. Sie hatten ihn anscheinend noch nicht bemerkt. Taro schwamm rasch aufs Ufer zu. Als er wieder festen Boden unter den Füßen spürte, schälte er sich endlich aus der Kappa-Haut, die sich überraschend leicht von seinem Körper lösen ließ und leider noch genauso stank wie zu dem Zeitpunkt, als er sie angezogen hatte.
»Du rücksichtsloses, niederträchtiges Fischweib!«, hörte er den Kappa zischen. »Ich werde dafür sorgen, dass du nie wieder einen Fuß in meinen See setzt!«
»Dein See?«, fauchte die Frau. »Meine Familie lebt hier seit Jahrtausenden! Wann bist du hergezogen, vor hundert Jahren? Das ist doch lächerlich!«
»Und das gibt dir das Recht, mich zu terrorisieren? Gib es zu, du spielst diese Flöte nicht, weil du die Musik so liebst! Du versuchst, mich in den Wahnsinn zu treiben! Und das nur, weil dir meine Sternalgenwiese nicht gefällt.«
»Du hast meinen Nixenkrautwald dafür ausgerissen!«, schrie die Frau. »Es hat Jahrzehnte gebraucht, ihn in Form zu bringen!«
Der Kappa lachte höhnisch auf. »Dein dummes Nixenkrautgestrüpp! Man konnte nicht hindurchschwimmen, ohne sich die Haut aufzureißen! Nur gut, dass es weg ist! Ich werde die Reste auch noch ausrupfen!«
Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da blies die Kappa heftig in ihre Flöte, so schrill und krumm, dass Taro und der Kappa heftig zusammenfuhren. Dann holte sie in einer fließenden Bewegung aus, als führte sie ein Schwert über den Kopf, und hieb ihrem Kontrahenten die Flöte über den Schädel, so kräftig, dass sie mit einem scharfen Knacken am unteren Ende brach. Stöhnend sackte der Kappa in sich zusammen und trieb reglos zwischen den Seerosenblättern. Die Frau stand über ihm. Plötzlich ganz still und seltsam ratlos sah sie auf ihn herab, dann auf ihre zerbrochene Flöte und schließlich zu Taro. Sie hatte blaue Augen. Unfassbar blaue, riesengroße Augen, die im Morgenlicht leuchteten. Taro hatte noch nie blaue Augen gesehen.
»Du hast etwas, das mir gehört«, stellte sie fest.
Taro nickte, noch völlig unschlüssig, was er von der Begegnung halten sollte, deren Zeuge er gerade geworden war.
Die Frau streckte die Hand aus, und weil Taro nicht wusste, was er sonst tun sollte, reichte er ihr die Haut. Die Frau schlüpfte rasch hinein, innerhalb weniger Augenblicke war ihre Gestalt völlig verändert und für Taros unbedarften Blick kaum von dem Kappa zu unterscheiden, den er zuerst kennengelernt hatte. Nur die blauen Augen leuchteten immer noch.
»Und seine?«, fragte die Froschfrau.
»Noch unten«, murmelte Taro.
Die Frau nickte. Dann packte sie den reglosen Kappa-Mann am Arm und verschwand ohne ein weiteres Wort mit ihm im See. Die Oberfläche schlug noch ein paar kleine Wellen. Dann wurde sie wieder glatt, als hätten hier niemals zwei zornige Wassergeister um die Gestaltung der Gärten am Seegrund gestritten.
Taro stand noch eine ganze Weile zwischen den Seerosen, das Schwert noch in der Hand, triefnass und wie benommen. Irgendwann watete er ans Ufer und schlug sich durchs dichte Schilf, bis er den alten Steg erreichte, an dessen Pfosten noch immer sein Übergewand im Morgenwind flatterte wie ein dunkelblauer Wimpel. Auch die Schwertscheide lag noch dort. Hinter der Uferböschung war das Dorf bereits erwacht. Yae würde sicher schon nach ihm suchen.
Taro wrang das Wasser aus seinen Haaren und band sie ordentlich wieder zusammen, zog das Übergewand an und schob das Schwert in die Scheide. Vielleicht würde er all das bald für einen seltsamen Traum halten, dachte er, als er auf die jetzt wieder völlig leere Oberfläche des Sees hinausstarrte.
Aber in seiner Hand lag unzweifelhaft die zerbrochene Flöte der Kappa-Frau. Vielleicht war sie ja verzaubert. Ob er sie damit wieder herbeirufen konnte, wenn er sie reparierte?
Doch obwohl Taro von diesem Tage an jeden Abend am See saß, um die zerbrochene Flöte zu spielen, sah er keinen der beiden Kappa jemals wieder.
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