Der versäumte Frühling. Hans Scherfig

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Der versäumte Frühling - Hans Scherfig

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auf dem Bett bereitgelegt. Und Frau Ellerstrøm bindet ihm die Krawatte. Er muß sich zu ihr hinabbeugen, damit sie das kann.

      „Du darfst nicht so kitzeln!“ sagt er und kichert.

      „Aber sie muß doch ordentlich sitzen“, entgegnet sie. „Es sieht scheußlich aus, wenn eine Krawatte schief sitzt. Hast du deinen Hals auch ordentlich gewaschen? Hier ist ein sauberes Taschentuch! Und komm auch nicht so spät nach Hause! Denk daran, daß du morgen schon um neun Uhr im Gericht sein mußt. Du weißt, du brauchst deinen Schlaf. Sonst bekommst du wieder diese furchtbaren Kopfschmerzen.“ Sie träufelt ein wenig Eau de Cologne auf sein sauberes Taschentuch. „Hier stehen deine Schuhe. Das Mädchen hat sie geputzt. Jetzt hättest du doch beinahe vergessen, sie anzuziehen, und wärst in Hausschuhen losgegangen. Hast du den Haustürschlüssel? Steckt er auch nicht in der anderen Hose? – Also dann, auf Wiedersehen, mein Junge. Amüsier dich gut. Und paß schön auf dich auf!“

      6. Kapitel

      Eine Schar junger Mädchen fährt auf Rädern die Landstraße entlang. Sie tragen alle die gleichen gelben Blusen und grünen Halstücher. Sie sind rank und schlank und unbefangen und singen beim Fahren: „Frank und frei, Jugend voran!“

      Das ist die J. A. der Gemeinde. Ein neugegründeter Verband, der, falls die Rechnung aufgeht, im Laufe der Zeit zu einem ernsthaften Konkurrenten des Sportvereins werden soll.

      „J. A. – welch herrlichen Klang hat doch dieser Name!“ schreibt Pfarrer Nørregaard-Olsen in der Kirchenzeitung. J. A., das bedeutet Jugendabteilung. Das sind junge Mädchen, die zum Konfirmandenunterricht gehen und nur schlecht nein sagen können, wenn der Pfarrer darauf dringt, daß sie dort Mitglied werden. Die gelbe Uniform kostet acht Kronen. Das ist für einen Landarbeiter oder Häusler viel Geld. Die Eltern der J. A.-Mädchen sind über diesen Verband nicht gerade begeistert. Es kommt vor, daß manche die teure Uniform nicht bezahlen wollen und auch nicht damit einverstanden sind, daß ihre Tochter dort eintritt.

      Doch dann sucht die Pfarrersfrau sie auf und redet ihnen ins Gewissen und gibt sich schlicht und einfach.

      „Natürlich ist das freiwillig. Aber wenn Anna sich nun einmal damit einverstanden erklärt hat und sich auch schon hat eintragen lassen, dann kann sie jetzt doch wirklich nicht kommen und ihr Wort brechen. Ein Wort ist schließlich ein Wort. Und acht Kronen sind wahrhaftig nicht zuviel. Wenn nicht anders, können sie ja auch ratenweise bezahlt werden.“

      Es ist gar nicht so einfach, sich gegen die Pfarrersfrau, die so freundlich und geradezu ist, zu behaupten. Ihr Schwager ist Eigentümer des Sportgeschäfts, das die J. A.-Uniformen herstellt. Und ihr ist wohl auch an einem guten Umsatz gelegen.

      Die J. A. hat in der Kirchenzeitung eine eigene Rubrik, wo mitgeteilt wird, wann Treffen, Nähzirkel, Basare, Ausflüge, Sommerlager und Zusammenkünfte mit J. A.-Kaffee und J. A.-Kringel im herrlichen alten Garten des Pfarrhofs stattfinden. Die Eltern werden aufgefordert, den J. A.-Mitgliedern ein paar Kaffeebohnen und selbstgebackenen Kuchen mitzugeben. Davon bleibt immer etwas übrig, was dann dem Pfarrhaushalt zugute kommt.

      „Und deshalb bitten wir Gott, daß er unsere Zusammenkunft segne.“

      Mit dem neuen Pfarrer hat ein neuer Geist in der Gemeinde Einzug gehalten. Er ist voller Initiative und Rührigkeit. Am Sonntag werden die J. A.-Mitglieder in einer der drei Kirchen des Pfarrsprengels einen Aufmarsch veranstalten. Es ist ein prächtiger Anblick, wenn die Jugend frank und forsch in das Gotteshaus einmarschiert, um Seite an Seite mit den älteren Kirchgängern die Predigt anzuhören. Zwar ist noch gegen eine gewisse Lustlosigkeit zu Felde zu ziehen, gegen Gleichgültigkeit und Unverständnis, ja sogar gegen Widerwillen, aber das wird schon alles überwunden werden. Denn die Großen der Kirchgemeinde unterstützen den Pfarrer und seine Unternehmungen. Die Gutsbesitzer und Großbauern haben bis zu zehn Kronen zur Stützung der Kirchenzeitung gespendet und öffnen Pfarrer Nørregaard-Olsen ihr Heim.

      Und der Geistliche ist selbst ein gastfreier Mann. Der große Pfarrhof bietet genügend Platz für Geselligkeiten. Und man kann es sich auch leisten. Die Frau des Pfarrers hat Geld mit in die Ehe gebracht. Man kann also standesgemäß leben.

      Die J. A.-Mitglieder, die sich im Garten des Pfarrhofes versammeln und hier bei gemeinschaftlichem Gesang und Gebet und lustigen Gesellschaftsspielen gemütliche Stunden verbringen, und die Damen des Nähzirkels, die sich in den geräumigen Zimmern zu Andacht, Kaffee und mitgebrachtem Kuchen treffen, sind nicht die einzigen Gäste. Es finden auch kultiviertere Gesellschaften statt. Große Festessen, zu denen die Spitzen der Gesellschaft dieser Gegend in ihren blitzenden Autos vorfahren. Mit auserlesenen Gerichten, wohltemperiertem Rotwein, altem Sherry, guten Zigarren und gepflegter Unterhaltung.

      Pfarrer Nørregaard-Olsen ist ein Geistlicher der neuen Zeit. Nicht so einer mit langer, sauer riechender Pfeife, Käppchen und salbungsvollen Reden. Er ist ein schlanker, durchtrainierter Mann. Ein Mann mit Organisationstalent und modernem Unternehmungsgeist.

      Im Pfarrhaus gibt es schöne Möbel und vorzügliche sanitäre Einrichtungen. Alles verrät einen gediegenen Geschmack. Das Stubenmädchen trägt ein schwarzes Kleid und ein weißes Häubchen und Schürzchen. Es herrscht ein kühler, gebildeter Ton, der jede plebejische Zudringlichkeit auf Abstand hält.

      Pfarrer Nørregaard-Olsen ist dreiundvierzig Jahre alt.

      „Eigentlich müßte man seine gute alte Studentenmütze aufsetzen, wenn man heute abend in die Stadt fährt“, sagt er. Und er holt die Mütze von ihrem Platz oben auf dem Bücherschrank. Er trägt sie auch manchmal hier draußen auf dem Lande, wenn er spazierengeht oder mit dem Fahrrad einen Ausflug in die Natur unternimmt. Das sieht fesch und jugendlich aus. Und er ist ja auch noch ein junger Mann. Und zudem noch ein Sportler. Ein Pfarrer braucht doch wahrhaftig kein Trauerkloß zu sein.

      Er setzt die Studentenmütze auf und singt mit hoher, klarer Stimme, daß man es in den zahlreichen Räumen des Pfarrhofes hört: „Im Schloß der Gedanken wohnt froh der Student, tralalalala …“

      „Aber sie ist ja ganz verstaubt, sie muß erst ordentlich abgebürstet werden, bevor du sie aufsetzen kannst“, sagt die Pfarrersfrau und klingelt nach dem Stubenmädchen.

      Und der Pfarrer singt: „Den Burschenhut bedeckt der Staub, domdomdomdomdomme – O Jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum!“

      Die gnädige Frau lacht. „Du bist ja völlig aus dem Häuschen!“

      Die Kinder lachen auch, und der Vater singt weiter. „Doch warst du wirklich ein Student …,“

      „Ja, du siehst wirklich noch aus wie ein Student“, stellt die gnädige Frau fest.

      „Das will ich auch gehofft haben“, sagt ihr Mann. „Ach, es tut gut, die alten Burschen einmal wiederzusehen! So richtig herzerwärmend gut!“

      Und er zieht seinen Gesellschaftsanzug und die Lackschuhe an, sucht sich im Garten eine Rose aus und steckt sie sich ins Knopfloch. Und singend startet er das Auto, um von seiner abgeschiedenen Landgemeinde zu dem Treffen in Kopenhagen zu fahren.

      7. Kapitel

      Im Frühstücksraum der Universität in der Studiestræde saß ein Mann mit Namen Mikael Mogensen.

      Er saß dort schon seit fünfundzwanzig Jahren. Er hatte seinen Stammplatz in der Ecke am Büfett, wo der eingeschenkte Kaffee ausgegeben wurde. Durch das Fenster zur St. Pedersstræde konnte er die Zeiger der Kirchturmuhr verfolgen und so feststellen, daß draußen in der Welt die Zeit verging.

      Wechselnde

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