Kampf um Wien. Hugo Bettauer

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Kampf um Wien - Hugo Bettauer

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werden dadurch, daß sie ein goldstrotzendes Monstrum vor sich hat, nicht einen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern eine lebende Schatzkammer, die man mit Hohn und Wut, mit geifernder Ehrfurcht und mit ätzendem Haß den „reichsten Mann der Welt“ nennt.

      „Patrick Ralph“, murmelte er leise, worauf ihm eine weiße, schmale Hand mit spitzen Fingern und rosigen Nägeln entgegengestreckt wurde:

      „Ich heiße Hilde Wehningen.“

      11. Kapitel

      Lazlo Bartos.

      Als Ralph später mit dem jungen Mädchen ein Autotaxi bestieg und dem Chauffeur als Adresse die Kreuzgasse Nummer 73 nannte, beachtete er den hageren Herrn mit rötlichem Haar und scharfer Nase durchaus nicht, der jetzt dicht neben dem Wagen stand und tat, als wäre er intensiv beschäftigt, seinen Zigarettenstummel in Brand zu setzen. Wie er auch nicht wußte, daß dieser Mann ihm schon von der Herrengasse aus in einem Autotaxi gefolgt, dann hinter ihm her durch die Kärntnerstraße gegangen war und im Café Bristol am Nebentisch gesessen hatte.

      Dieser Mann war nun Lazlo Bartos, seinem Beruf nach Privatdedektiv, der sich in eingeweihten Kreisen seiner besonderen Geschicklichkeit halber großer Beliebtheit erfreute. Nachdem Generaldirektor Klopfer-Hart vor einigen Tagen seinen Beamten Heinrich Lank beauftragt hatte, mit dem Amerikaner in Fühlung zu treten, kam ihm der Einfall, daß es eigentlich ganz ratsam wäre, Ralph O’Flanagan unter Beobachtung zu stellen. Er rief das Dedektivbureau „Luna“ an und erteilte dem Inhaber, Herrn Lazlo Bartos, den Auftrag, bis auf Widerruf O’Flanagan zu beobachten und ihm täglich schriftlichen Bericht zu erstatten. „Aber bitte, diese sehr heikle und diskrete Aufgabe selbst zu besorgen und nicht etwa einem Ihrer Leute zu übergeben.“

      Der Zufall fügte es, daß am Vormittag des Tages, an dem Ralph dem Bundeskanzler seinen Besuch machte, dieser vom Polizeipräsidium die Verständigung erhielt, daß für die Staatspolizei keinerlei Ursache bestehe, den zugereisten Ralph O’Flanagan, dessen amerikanischer Reisepaß nicht nur in voller Ordnung sei, sondern auch einen empfehlenden Vermerk für alle amerikanischen Legationen enthalte, weiterhin zu beobachten.

      „Falls also Exzellenz nicht besondere Gründe für eine weitere Observanz haben, wird eine solche unterbleiben, um so mehr, als der auch bei uns eingesetzte Beamtenabbau das Polizeipräsidium zur äußersten Ökonomie zwingt!“

      Der Bundeskanzler ärgerte sich, wußte aber, daß er gegen die außerordentliche Korrektheit und Pflichttreue des Polizeipräsidenten nichts ausrichten konnte und verzichtete auf staatspolizeiliche Observanz. Hingegen erteilte er einen solchen Auftrag dem Lazlo Bartos, der ihm schon, als er nur Parteiführer gewesen, wiederholt gute Dienste durch Beobachtung politischer Gegner geleistet hatte.

      So erhielt denn Lazlo Bartos einen gleichlautenden Auftrag von zwei hervorragenden Seiten, hütete sich aber, dies seinen Mandataren mitzuteilen, da er ja sonst nicht von beiden Seiten die sehr erheblichen Honorare und Spesen hätte einziehen können. Um was es sich eigentlich handelte, bekam er rasch heraus.

      Lazlo Bartos hatte eine reichlich bewegte Vergangenheit hinter sich. Er war ungarischer Honved-Offizier gewesen, hatte Schulden und schmutziger Weiberaffären halber quittieren müssen, trieb sich jahrelang in Nord- und Südamerika herum, kam vor dem Weltkrieg zurück, erhielt, als er einrückte, die Offizierscharge gnadenhalber wieder verliehen, wurde seiner reichen Sprachkenntnisse wegen dem Nachrichtendienst zugeteilt und verstand es, so wichtig zu tun und durch fleißige Angeberei so oft arme Teufel von Popen und ruthenischen Intellektuellen an den Galgen zu bringen, daß er rasch zum Hauptmann avancierte.

      Als der Umsturz kam, stellte Bartos sich dem Grafen Karolyi zur Verfügung, trat dann in den Dienst der Räteregierung, schlug sich aber nach dem neuerlichen Umsturz mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit auf die Seite des weißen Terrors, denunzierte Hunderte von Kommunisten, schloß sich den „Erwachenden Ungarn“ an und wäre wahrscheinlich noch Minister geworden, wenn nicht eine kühne Interpellation im ungarischen Abgeordnetenhaus seine Vergangenheit und sein Treiben so rücksichtslos enthüllt hätte, daß er rettungslos kompromittiert war. Er verstand den Wink von oben, ließ sich eine entsprechende Abfertigung geben und übersiedelte nach Wien, wo er sich als Privatdedektiv etablierte. Jetzt arbeitete er erst recht, wenn auch inoffiziell, im Dienste der ungarischen Regierung und ihrer Wiener Gesandtschaft, bespitzelte die Emigranten, zerstörte mehr als eine Existenz, benahm sich aber dabei so vorsichtig und geschickt, daß sein Name nicht an die Öffentlichkeit drang. Außerdem erhielt er durch vorsichtige und diskrete Vermittlung der ungarischen Gesandtschaft eine reiche Klientel unter den Wiener Finanzgrößen, die oft genug alles Interesse hatte, die Verbindungen dieses oder jenes Spekulanten, Haussiers oder Kontermineurs zu erfahren. In der letzten Zeit hatte er auch mühelos Zutritt zu christlichsozialen Parteigrößen gefunden, und so kam es, daß sich nun seiner der Bundeskanzler bediente.

      Bartos ließ das Autotaxi mit Ralph und dem jungen Mädchen ruhig nach Währing fahren, vergrub seine Hände in die Taschen des eleganten Stadtsportpelzes und überlegte.

      Dieser junge Schwärmer, sagte er sich, namens Ralph O’Flanagan, der sich soeben dem blonden Mädel unter dem unvollkommenen Namen Patrick Ralph vorgestellt hat, will hier in Wien so eine Art Harun al Raschid spielen. Sanieren, helfen, retten, was weiß ich, jedenfalls aber mit vielen Millionen herausrücken. Sein Diener, das schwarze Biest, hat ihm den Spaß zum Teil verdorben, aber immerhin – man wird ihn nicht verhindern können, diesem verfluchten deutschen Bettlerpack, diesem verkommenen und verschlafenen Wien, diesem elenden Judenstaat, in dem es von roten Emigrantenhunden wimmelt, die mir nur zu gerne das Genick umdrehen würden, mit so viel Millionen Dollars beizuspringen, daß sie schließlich wieder arrogant und frech werden. Na, was ich tun kann, um das zu verhüten, soll geschehen.

      Bartos schlenderte gemächlich nach der Herrengasse, bog in die Bankgasse ein und verschwand in dem Palais der ungarischen Gesandtschaft. Dort hatte er mit einem hohen Herrn eine mehr als einstündige Unterredung, deren Verlauf ihn vollständig befriedigte.

      Nun hatte er drei höchst zahlungsfähige Klienten, in deren Auftrag er die Wege und Absichten Ralphs verfolgen sollte. Und er wahr fest entschlossen, in den Dienst der ersten beiden nur seine Beine, in den Dienst des Dritten aber seinen Kopf und sein ganzes, mit Haß gegen alles, was deutsch ist, erfülltes Gehirn zu stellen.

      12. Kapitel

      Ein Nachmittags-Tee.

      Tee bei Generaldirektor Klopfer-Hart. Ralph O’Flanagan, der ein wenig befangen die Villa in Döbling betrat, wurde von dem Hausherrn schon erwartet, etwas überlaut begrüßt, und er empfand es deutlich, daß alle Damen und Herren ihn gespannt und neugierig musterten. Die Gattin des Generaldirektors, eine nette alte Dame, führte ihn von einem der kleinen Tischchen, von einem Zimmer in das andere und stellte vor. Ralph wäre am liebsten mit einem hellen Lachen herausgeplatzt. Jeder zweite, dem er vorgestellt wurde, war ein Direktor, Generaldirektor, Präsident oder Konsul. Und die Namen Schellfisch, Feiner, Gottlieb Gnaus, Richard Ola, Horatius Sandau schwirrten ihm um die Ohren, betäubten ihn beinahe. Die meisten begnügten sich mit stummem, aber betont kräftigem Händedruck, manche waren taktlos, sagten „Ah, der berühmte Amerikaner“ oder „Ich habe ja von Ihnen schon gelesen“

      Die unwahrscheinlichsten Physiognomien tauchten vor Ralph auf. Männer mit wasserblauen, verschlafenen Augen und abstehenden Ohren, Herren mit Umlegebart, Beaus mit Spitzbart, Glattrasierte mit Monokel, die gerne urenglisch ausgesehen hätten, und ein gewaltiger, dicker Koloß, bei dem das Monokel wie ein Fettauge auf einer Suppe aussah, ein Herr Berger, mimte den jovialen Lebemann.

      Dicke, tiefdekolletierte Damen von orientalischem Typ wechselten mit hektischen Blondinen, alle Farbennuancen, alle Arten von Schminke waren vertreten und Ralph dachte unwillkürlich, daß mit

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