Kampf um Wien. Hugo Bettauer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kampf um Wien - Hugo Bettauer страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Kampf um Wien - Hugo Bettauer

Скачать книгу

      Gleich nach dem Luncheon begab sich Ralph nach einer der großen Autoausstellungshallen am Ring, prüfte mit Kennerblick die prachtvollen Wagen, entschied sich für einen glanzvoll ausgestatteten 60 HP-Wagen mit geschlossener Karosserie, knüpfte aber an den Kauf einige Bedingungen:

      „Ich nehme das Auto nur, wenn mir innerhalb einer Stunde eine Garage, ein erstklassiger Chauffeur zur Verfügung steht, Öl und Benzin besorgt wird und der Wagen fix und fertig vor dem Hotel Imperial steht.“

      Wenn es durchaus sein muß und jemand von einem Preis von 450 Millionen nicht einen Heller herunterhandelt, kann man sich auch in Wien eilen und das Unmögliche möglich machen. Und so stand denn wirklich um drei Uhr das funkelnagelneue Auto mit einem wie ein depossedierter Fürst aussehenden Chauffeur vor dem Hotel.

      Einige Minuten später hatte es den Amerikaner nach der Herrengasse 7 gebracht und ohne auch nur die üblichen fünf Minuten warten zu müssen, wurde Ralph dem Bundeskanzler vorgestellt.

      Dr. Seipel war ganz Wohlwollen und Jovialität, rückte Schachteln mit Zigarren und Zigaretten herbei und begann:

      „Ich danke Ihnen für Ihren Besuch, der ja nicht ausbleiben konnte, wenn die Zeitungsnachrichten wahr sind, die besagen, daß Sie, um das Andenken Ihrer seligen Mutter zu ehren, hier in diesem so klein und arm gewordenen Lande helfend eingreifen wollen.“

      „Wahr und nicht wahr sind diese Nachrichten, Herr Bundeskanzler! Im Tiefinneren liegt mir allerdings das Schicksal Österreichs nahe, aber noch habe ich keinerlei feste Pläne, noch bin ich mir ganz im unklaren, wie, mit welchen Mitteln und ob überhaupt für mich die Möglichkeit besteht, das zu tun, was berufsmäßigen Staatsmännern, Diplomaten, den weisen Herren des Völkerbundes bisher nicht gelungen ist.“

      „Nicht gelungen ist, weil man uns mit kühlen, rechnerischen Erwägungen nicht helfen kann. Dazu gehört mehr als nur Geld, dazu gehört Gefühl und Herzensteilnahme. Und eben diese beiden Momente müssen bei Ihnen, dem Sohn einer Wienerin, vorhanden sein.“

      Sehr geschickt, diesmal einen ein wenig salbungsvollen Ton anschlagend, brachte der Kanzler das Gespräch immer wieder auf Ralphs Mutter, ließ sich von dem jungen Amerikaner alles das erzählen, was er wußte, und Ralph wurde unwillkürlich warm, ging mehr aus sich heraus als er beabsichtigt hatte.

      Dr. Seipel benutzte das und begann von dem Elend Wiens zu erzählen, von den moralischen Verwüstungen als Folge der Geldentwertung, von dem unaufhaltsamen Niedergang der großen Bildungsinstitute, die nicht in der Lage seien, ihre Bibliotheken und Laboratorien zu ergänzen, genug Kohle anzuschaffen, um die Hörsäle zu heizen.

      „Schauen Sie nur unsere Universität, diese weltberühmte Alma mater Vindobonensis an. Einer der großen Gelehrten nach dem anderen verläßt Wien, weil er seine Existenz verbessern will, wir sind nicht mehr in der Lage, bedeutende Kräfte zu gewinnen, die Universitätsbibliothek beginnt ein Torso zu werden. Vielleicht wäre hier für jemanden, der die Mittel dazu hat, die erste Gelegenheit gegeben, sich großherzig und segenspendend zu betätigen.“

      Diesmal erschien das mokante Lächeln auf den Lippen des Amerikaners, der glücklicherweise von seinem irischen Vater ein wenig Skepsis geerbt hatte.

      „Es scheint aber, als wenn an dieser tatsächlich weltberühmten Wiener Universität reichlich viel Politik betrieben werden würde. Ich las eben erst gestern in den Zeitungen einen Aufsatz des Rektors, in dem er sich mit den Bestrebungen chavinistischer Elemente einverstanden erklärt und sich für eine gewaltsame Beschränkung von Hörern und Lehrern, die anderen Glaubens sind, ausspricht. Ich muß gestehen, daß ich davon den peinlichsten Eindruck empfangen habe. Wir Amerikaner sehen in unseren Universitäten freie Bildungsstätten für jedermann und würden es als geradezu ungeheuerlich empfinden, wenn von Harvard oder Yale junge Leute ausgeschlossen würden, weil sie Mohammedaner, Juden oder Atheisten sind.“

      Der Kanzler nickte scheinbar beifällig.

      „Ganz richtig, Lehr- und Lernfreiheit müssen herrschen. Aber wenn Sie den Aufsatz des Herrn Rektors, mit dem ich ja nicht in allen Punkten übereinstimme, aufmerksam lasen, so werden Sie gesehen haben, daß es sich ihm hauptsächlich um die unerwünschten Elemente aus dem Osten handelt, die Wien zu überfluten drohen. Übrigens darf ich wohl fragen, ob die Toleranz Ihrer Landsleute nicht doch gewisse Grenzen hat? Dürfen zum Beispiel Neger Ihre amerikanischen Universitäten besuchen?“

      Ralph zog die Augenbrauen hoch.

      „Allerdings nicht, die Neger haben ihre eigenen Universitäten. Aber ich kann Ihnen mit ruhigem Gewissen versichern, daß wir die Neger als vollkommen gleichberechtigte Mitbürger begrüßen werden, wenn sich erst unter ihnen Männer wie Artur Schnitzler, Hofmannsthal, Meyerbeer, Mendelssohn, Mahler, Einstein, wie der große Ophthalmologe Fuchs, wie die Forscher Ehrlich und Wassermann, wie ein Spinoza und ein Heine befinden werden. Der Vergleich hinkt, Herr Bundeskanzler, denn die Neger sind ein Volk in ihrer ersten Kindheit, die Juden aber ein uraltes Kulturvolk, das, wenn ich nicht sehr irre, Jesus von Nazareth der Welt geschenkt hat. Und das mit den Ostjuden verstehe ich nicht ganz, weil mir Ihre Verhältnisse zu fremd sind. Aber auch wir haben genug Ostjuden in Amerika, die sehr bald sich zu Amerikanern entwickeln. Und es dünkt mir, daß junge Leute, die nach Wien kommen, um zu lernen, willkommen sein sollten, von wo auch sie stammen.“

      Ralph erhob sich, um seinen Besuch zu beenden. Der Bundeskanzler aber gab das Spiel nicht verloren, obwohl er die Niederlage, die er erlitten, deutlich empfand. Mit gewinnender Herzlichkeit versicherte er:

      „Ihr Besuch war mir Gewinn, Ihre Worte geben mir Stoff zum Nachdenken. Ich hoffe zuversichtlich, mit Ihnen recht, recht oft in Berührung zu kommen.“

      Ralph O’Flanagan verließ das Kanzlerpalais mit gemischten Empfindungen. Sah sich voll Verpflichtungen und fühlte Gewissensbisse. Hätte er nicht einfach sein Scheckbuch aus der Tasche ziehen und mit einer neunstelligen Ziffer ausfüllen sollen? Was ging es ihn schließlich an, ob ein beschränkter, engstirniger Rektor alberne Politik betrieb? Hauptsache war doch, daß der Universität geholfen wurde. Und das konnte er mit einem Betrag tun, der für ihn kaum ins Gewicht fiel. Im Kopf überschlug der Amerikaner die Höhe seines Jahreseinkommens, multiplizierte es mit siebzigtausend und kam zu einer phantastischen Ziffer. Wenn er das ganze Hotel Imperial mieten, zehn Automobile halten, das Geld mit vollen Händen streuen wollte, so würde er doch nur einen Bruchteil dessen ausgeben können, was ihm sein Vermögen an Zinsen trug. Und auch gegen seinen Willen würden sich die Hunderte von Millionen Dollar, die er besaß, vermehren. Er empfand es aber als ungeheuerliches Unrecht, solche Schätze zu besitzen, wollte sie in Taten umsetzen, in Taten, die vielleicht nicht die ganze Menschheit, wohl aber dieses ruinierte Land beglücken können.

      10. Kapitel

      Eine sentimentale Melodie.

      Der Frost war längst gewichen, die Schneemassen zerflossen, die Straßen der Inneren Stadt waren mit fausthohen Schmutzlachen bedeckt, nervös beobachtete Ralph, wie von den Rädern seines Autos die Passanten in den engen Gassen über und über bespritzt und besudelt wurden.

      Er krampfte die Hände in Qual zusammen.

      Muß es denn immer sein, daß die einen gar nichts und die anderen alles haben? Und der, der im Wagen fährt, die anderen, die zu Fuß gehen müssen, bedroht, insultiert, befleckt? Oh, daß ich doch ganz Mensch, nur Mensch wäre und den Mut hätte, zu den Armseligen und Bedrückten hinunterzusteigen!

      Im Unterbewußtsein empfand Ralph es aber, daß er diesen Opfermut nie haben, immer nur würde von hoher Warte das Leben betrachten können. Er erinnerte sich an den herrlichen Roman „Christian Wahnschaffe“ von

Скачать книгу