Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Eroberung von Plassans - Emile Zola страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Eroberung von Plassans - Emile Zola

Скачать книгу

auf. Als sie aus der Küche zurückkam, traf sie am Fuß der Treppe eine Frau, die sie erst nicht erkannte. Es war Frau Faujas. Sie hatte eine Leinenhaube aufgesetzt; mit ihrem baumwollenen Kleid, das am Mieder durch ein gelbes, hinter der Taille geknotetes Tuch zusammengehalten wurde, ähnelte sie einer Magd; und mit bloßen Handgelenken, von der Arbeit, die sie gerade verrichtet hatte, noch ganz außer Atem, tappte sie mit ihren derben Schnürschuhen über die Steinplatten des Hausflurs.

      „Das wäre geschafft, nicht wahr, Madame?“ sagte Marthe lächelnd zu ihr.

      „Oh, eine Lappalie“, antwortete sie, „die Sache ist im Handumdrehen erledigt gewesen.“

      Sie ging die Freitreppe hinab, sie gab ihrer Stimme einen sanfteren Klang: „Ovide, mein Kind, willst du nach oben gehen? Oben ist alles fertig.“

      Sie mußte ihren Sohn an der Schulter berühren, um ihn aus seiner Träumerei zu reißen. Die Luft wurde kühler. Er fröstelte; er folgte ihr, ohne zu sprechen. Als er an der Tür des Wohnzimmers vorbeikam, das, ganz weiß von der grellen Helle der Lampe, vom Geschwätz der Kinder erfüllt war, steckte er den Kopf hinein und sagte mit seiner geschmeidigen Stimme: „Erlauben Sie mir, Ihnen nochmals zu danken und uns wegen dieser Störung zu entschuldigen . . . Es ist uns außerordentlich peinlich . . .“

      „Aber nein, aber nein!“ rief Mouret. „Wir sind untröstlich, daß wir Ihnen für diese Nacht nichts Besseres anzubieten haben.“ Der Priester grüßte, und Marthe begegnete abermals diesem hellen Blick, diesem Adlerblick, der sie erregt hatte. Es schien, als husche auf dem Grunde des Auges, das für gewöhnlich von einem düsteren Grau war, jäh eine Flamme vorüber, wie jene Lampen, die hinter den Fassaden eingeschlafener Häuser herumgetragen werden.

      „Er ist anscheinend ein forscher Kerl, der Pfarrer“, sagte Mouret spöttisch, als Mutter und Sohn nicht mehr da waren.

      „Ich halte sie für wenig glücklich“, murmelte Marthe.

      „Was das anbelangt, so bringt er gewiß nicht das Gold Perus in seinem Koffer mit . . . Der ist aber schwer, sein Koffer! Ich hätte ihn mit der Spitze meines kleinen Fingers hochgehoben.“ Aber er wurde in seinem Geschwätz durch Rose unterbrochen, die eben die Treppe heruntergerannt kam, um die überraschenden Sachen zu erzählen, die sie gesehen hatte.

      „Na“, sagte sie und pflanzte sich vor dem Tisch auf, an dem ihre Herrschaften aßen, „das ist mir ein Frauenzimmer! Diese Dame ist mindestens fünfundsechzig Jahre alt, und das merkt man kaum, sage ich Ihnen! Sie stößt einen herum, sie arbeitet wie ein Pferd.“

      „Hat sie dir geholfen, das Obst rauszuschaffen?“ fragte Mouret neugierig.

      „Das will ich meinen, Herr Mouret. Sie trug das Obst so weg in ihrer Schürze; richtige Wagenladungen, als wolle sie alles kurz und klein schlagen. Ich sagte mir: Bestimmt wird das Kleid dabei draufgehen. — Aber nicht die Spur; das ist haltbarer Stoff, Stoff, wie ich ihn selber trage. Wir haben mehr als zehnmal gehen müssen. Mir waren die Arme wie zerbrochen. Sie brummte, daß es nicht vorangehe. Ich glaube, ich habe sie, mit Verlaub, fluchen hören.“

      Mouret schien sich sehr zu ergötzen.

      „Und die Betten?“ fing er wieder an.

      „Die Betten, die hat sie zurechtgemacht . . . Man muß sehen, wie sie eine Matratze umwendet. Die ist für sie nicht schwer, versichere ich Ihnen; sie nimmt sie an einem Ende, wirft sie in die Luft wie eine Feder . . . Dabei sehr sorgsam. Sie hat das Gurtbett wie ein Kinderbettchen bezogen. Hätte sie das Jesuskind zu Bett bringen müssen, würde sie die Laken mit nicht mehr Andacht zurechtgezogen haben . . . Von den vier Decken hat sie drei auf das Gurtbett gelegt. Genauso mit den Kopfkissen: für sich hat sie keins gewollt; ihr Sohn hat beide.“ „Sie wird also auf der Erde schlafen?“

      „In einer Ecke, wie ein Hund. Sie hat eine Matratze auf den Fußboden des anderen Zimmers geworfen und dabei gesagt, daß sie da besser als im Paradies schlafen würde. Ich habe sie nie und nimmer dazu bewegen können, sich anständiger einzurichten. Sie behauptet, sie friere niemals und ihr Kopf sei zu hart, um den Fliesenfußboden zu fürchten . . . Ich habe ihnen Wasser und Zucker gegeben, wie mir Madame aufgetragen hatte, und das wäre es . . . Macht nichts, das sind komische Leute.“

      Rose trug das Essen fertig auf. An diesem Abend zogen die Mourets die Mahlzeit in die Länge. Sie plauderten ausführlich von den neuen Mietern. In ihrem Leben, das mit der Regelmäßigkeit einer Uhr ablief, war die Ankunft dieser beiden Fremden ein großes Ereignis. Sie sprachen davon wie von einer Katastrophe, mit jenem kleinlichen Eingehen auf Einzelheiten, das die langen Provinzabende totschlagen hilft. Besonders Mouret fand an den Kleinstadtklatschereien Gefallen. Während er beim Nachtisch die Ellenbogen auf den Tisch stützte, wiederholte er im lauen Wohnzimmer mit der zufriedenen Miene eines glücklichen Menschen zum zehnten Mal:

      „Das ist kein schönes Geschenk, das Besançon Plassans macht . . . Habt ihr den Hinterteil seiner Soutane gesehen, als er sich umgedreht hat? — Es sollte mich sehr wundern, wenn die Betschwestern dem da nachliefen. Er sieht zu schäbig aus; die Betschwestern lieben die hübschen Pfarrer.“

      „Seine Stimme klingt sanft“, sagte Marthe, die nachsichtig war.

      „Aber nicht, wenn er zornig ist“, erwiderte Mouret. „Habt ihr ihn denn nicht gehört, wie er böse wurde, als er erfuhr, daß die Wohnung nicht möbliert ist? Das ist ein rücksichtsloser Mann; der wird in den Beichtstühlen nicht lange fackeln, sage ich euch! Ich bin sehr neugierig, wie er sich morgen einrichten wird. Wenn er nur wenigstens zahlt. Tut mir leid! Ich werde mich an Abbé Bourrette wenden; ich kenne nur ihn.“

      Man war wenig fromm in der Familie. Selbst die Kinder machten sich über den Abbé und seine Mutter lustig. Octave ahmte die alte Dame nach, wie sie einen langen Hals machte, um tief in die Zimmer hineinzusehen, was Désirée zum Lachen brachte. Serge, der ernsthafter war, verteidigte „diese armen Leute“. Für gewöhnlich nahm Mouret, wenn er seine Partie Pikett nicht spielte, Punkt zehn Uhr einen Leuchter und ging zu Bett; aber diesen Abend widerstand er dem Schlaf noch um elf Uhr. Désirée war schließlich eingeschlafen, den Kopf auf Marthes Schoß. Die zwei Jungen waren in ihr Zimmer hinaufgegangen. Mouret saß seiner Frau allein gegenüber und schwatzte noch immer.

      „Wie alt schätzt du ihn?“ fragte er unvermittelt.

      „Wen?“ sagte Marthe, die gleichfalls einzunicken begann.

      „Den Abbé, bei Gott! He? Zwischen vierzig und fünfundvierzig, nicht wahr? Das ist ein stabiler Kerl. Wenn das nicht schade ist, daß so einer die Soutane trägt! Er hätte einen ausgezeichneten Karabinier abgegeben.“ Nach kurzem Schweigen sprach er dann allein und führte mit lauter Stimme seine Überlegungen fort, die ihn ganz nachdenklich machten: „Sie sind mit dem Zug sechs Uhr fünfundvierzig angekommen. Sie haben also nur Zeit gehabt, bei Abbé Bourrette vorbeizugehen und hierherzukommen . . . Ich wette, daß sie nicht zu Abend gegessen haben. Das ist klar. Wir hätten sie wohl gesehen, wenn sie herausgekommen wären, um ins Hotel essen zu gehen . . . Ah! Das würde mir zum Beispiel Vergnügen machen, zu erfahren, wo sie wohl gegessen haben.“

      Rose strich seit einer Weile im Wohnzimmer umher und wartete, daß ihre Herrschaften schlafen gehen würden, damit sie Türen und Fenster schließen konnte.

      „Ich weiß, wo sie gegessen haben“, sagte sie. Und als sich Mouret lebhaft umwandte, fuhr sie fort: „Ja, ich bin noch einmal hinaufgegangen, um zu sehen, ob ihnen nichts fehlt. Da ich kein Geräusch hörte, habe ich nicht gewagt anzuklopfen; ich habe durch das Schlüsselloch geguckt.“

      „Das ist aber schlecht, sehr schlecht“, unterbrach Marthe streng, „Sie wissen doch, Rose, daß ich das gar nicht

Скачать книгу