Echte Freunde. Daniel Zimakoff

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Echte Freunde - Daniel Zimakoff

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Er hörte kurz auf und sah mich an, dann machte er weiter.

      »Es ist wirklich nicht einfach, das Niveau in dieser Klasse zu bestimmen«, sagte er und seufzte übertrieben. »Hier gibt es alles: von null bis zehn Richtige.«

      Alle wollten wissen, wer null und wer zehn Richtige hatte. Könnte ich das sein? Mir war so, als hätte Bjarne mich angesehen.

      »Derjenige von euch mit null Richtigen weiß selbst, dass er sich zusammenreißen muss und in der Stunde die Ohren spitzen sollte.«

      »Und wer hat zehn Richtige?« Das war Ida, die das unbedingt wissen wollte, die Klassenbeste. Wenn sie es nicht war, hatte garantiert eines der anderen Mädchen zehn Richtige. Die Mädchen schrieben im Unterricht mit und machten immer ihre Hausaufgaben.

      »Die hat Vitus, tatsächlich! Gut gemacht, Vitus. Und das, obwohl du gar nicht die ganze Zeit da warst. Hast du zu Hause viel gelesen?«

      »Ja, habe ich.«

      »Es hört sich an, als ob du sehr viel wüsstest.«

      »Ich weiß, dass ich nichts weiß«, sagte Vitus und wurde knallrot in seinem sonst so blassen Gesicht.

      »So spricht ein wahrer Philosoph. Davon könnt ihr anderen was lernen. Ein Philosoph ist neugierig, stellt Fragen und denkt nach, ohne sich einzubilden, etwas zu wissen. Ja bitte, Sebastian?«

      Sebastian räusperte sich. Alle sahen ihn an, und es war offensichtlich, dass er die Situation genoss.

      »Vitus hat viel gefehlt und kommt auch nur ein paarmal die Woche. Das, was wir daraus lernen können, ist dann wohl ..., dass wir anderen viel zu oft hier sind?«

      Die Klasse lachte. Sebastian sah zufrieden aus. Er hatte seine Position als der Chef der Klasse wieder einmal bestätigt. Er war der Größte von den Jungen, und vor den Weihnachtsferien war er die Nummer zwei nach Oskar, der zu Mister 7a gewählt worden war – von den Mädchen natürlich. Sebastians Eltern wohnten in einem riesigen Haus mit eigenem Strand. Dort hatte er vor Kurzem seinen 14. Geburtstag gefeiert. Mein Papa hatte im Sommer einmal gesagt, dass Sebastians Eltern stinkreich seien. Sebastian benahm sich auch schon wie ein Geschäftsführer, und jetzt, seitdem Oskar nicht mehr da war, um ihn am Boden zu halten, würde er sofort unerträglich werden. Bjarne schüttelte den Kopf und verteilte die Tests. Ich hatte drei Richtige.

      »Du hättest doch auf mein Blatt gucken sollen«, flüsterte Vitus und klang kein bisschen schadenfroh. Ich antwortete nicht, sondern rückte ein Stück von seinem Medizinatem weg.

      Nach der Stunde bat mich Bjarne, noch einen Augenblick zu bleiben. Wir warteten, bis der Klassenraum leer war. Bjarne räusperte sich.

      »Drei Richtige. Das kannst du besser, Oliver.«

      »Offensichtlich nicht.«

      »Hast du was von Oskar gehört?«

      »Es geht ihm gut.«

      »Vermisst du ihn?«

      »Was glauben Sie denn?«

      »Gute Antwort. Ich habe deinen Vater letztes Wochenende spielen gehört. Ich war mit meiner Frau im Königlichen Theater. Fantastisch, wie die das können.«

      »Ja, das klingt ganz okay.«

      »Übrigens, wir haben dich für das Komitee fürs Kattegat aufgestellt.«

      »Für was?«

      »Den Klassenausflug. Die Gegend, in die wir fahren, heißt Kattegat.«

      »Für dieses Komitee hat sich doch Sebastian gemeldet.«

      »Wir haben das geändert, zwei Schüler pro Klasse plus die Lehrer.«

      »Warum denn ausgerechnet ich?«

      »Weil ... du immer so gute Ideen hast.«

      »Das können Sie mal schön vergessen.« Ich hatte keine Lust, im selben Komitee wie Sebastian zu sein.

      »Das neue Mädchen aus der Parallelklasse wird auch dabei sein.« Bjarne sah mich an. »Hast du sie schon kennengelernt?«

      »Nein. Und es ist mir auch egal.« Tatsache war, dass ich sie schon gesehen hatte. Verwaschene Hüftjeans, einen weichen nackten Bauch, darüber eine schwarze Bluse, in derselben Farbe wie ihr kurzes, strubbeliges Haar. Ich fand, sie sah aus wie ein eingebildetes ›Sieh-mich-an‹-Girlie.

      »Wir rechnen mit dir, am Donnerstag nach der letzten Stunde.«

      Endlich war die letzte Stunde vorbei, und es klingelte. Die anderen packten lärmend ihre Sachen zusammen und stürmten aus dem Klassenzimmer. Ich blieb sitzen, während Vitus seine Tasche packte. Die Sonne schien durch die dreckigen Fenster und zeichnete Streifen in den Staub auf meinem Tisch.

      »Na dann ... tschüss.« Vitus hob eine Hand zum Gruß.

      »Tschüss.«

      Vitus schlurfte raus. Ob er wohl Angst vor dem Tod hatte? War er darum so gut in Philosophie? Weil er den Sinn des Ganzen verstehen wollte, bevor er ins Gras biss? Ich trottete allein aus dem Klassenzimmer. Oskar und ich hatten um diese Zeit immer überlegt, ob wir noch in den Club gehen sollten oder nicht. Nach Hause zu ihm oder zu mir? Mein Leben war jetzt praktisch zu Ende. Game over. Ich konnte genauso gut die Konsequenzen daraus ziehen und mir den spitzesten Bleistift in das eine Ohr stecken und einmal quer durch den Kopf schieben. Oder die Schule schmeißen, auf einem Schiff anheuern und auf die andere Seite der Erde zu Oskar fahren. Sebastian stand bei den Fahrradständern und redete mit ein paar Jungen aus der Klasse. Lachten die gerade über mich?

      Ich machte einen großen Bogen um sie und passte nicht auf, wo ich langging. Ein Fahrrad krachte in mich rein. Ich fiel hin und schlug mir das linke Knie auf.

      »Verdammt noch mal!« Die Stimme gehörte einem Mädchen. Sie saß auf dem Radweg, das Fahrrad im Schoß.

      »Entschuldige.« Ich rappelte mich auf und half ihr, das Fahrrad hinzustellen. Jetzt konnte ich auch sehen, dass es die Neue aus der Parallelklasse war. Sie stand auf, überprüfte die Klamotten auf irgendwelche Schäden, checkte das Handy und steckte die Haarspange fest.

      »Das hier ist ein Fahrradweg.« Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.

      »Ich weiß, ich habe ... geschlafen.«

      »Du bist geschlafwandelt?« Es klang spöttisch.

      »Ja, nein, nicht so richtig im Schlaf.«

      Sie sah an mir runter. Ich hatte mir ein Loch in die Hose gerissen, und das Knie blutete.

      »Du blutest ja. Tut es weh?«

      »Nein, nein. Das ist nichts.«

      »Lass mich mal sehen.« Sie klappte den Fahrradständer aus und ging vor mir in die Hocke. Sie riss das Loch im Stoff ein bisschen auf und betrachtete mein kaputtes Knie. Ein leichter Duft von Seife stieg in meine Nase. Ihre Stimme war etwas nasal, weich, rund, aber voller Energie und mit einem kaum hörbaren Zischen, wenn die Luft durch die Lücke zwischen den Schneidezähnen wich. Ich weiß nicht, ob es der Geruch von Seife oder ihre Stimme war, aber ich hatte so ein merkwürdiges Kribbeln

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