Seemanns-Legende und andere Erzählungen. Henryk Sienkiewicz

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Seemanns-Legende und andere Erzählungen - Henryk Sienkiewicz

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Kinder weinten in den Winkeln, sonst herrschte tiefe Stille, denn der Nebel draußen hatte alle Gemüter traurig und ängstlich gemacht. Die Erfahreneren unter den Auswanderern wußten, daß er der Vorläufer eines Sturmes sei, niemand verhehlte sich mehr, daß eine Gefahr, möglicherweise der Tod nahe. Lorenz und Maryscha, welche sich mit Niemanden verständigen konnten, wußten von alledem nichts. Aber die eigentümlichen Töne, die zu ihnen drangen, sobald jemand die Thüre öffnete, erfüllten auch sie mit heimlichem Grausen.

      Man hatte sie, wie das schüchternen, in der Fremde ratlosen Menschen oft geschieht, in den schmälsten Teil des Saales, zunächst des Vorderteiles gedrängt, wo die Schwankungen des Schiffes am meisten sich bemerklich machten. Der Alte stillte seinen Hunger an einem Stück Brot, welches er aus Lipiniez mitgenommen, und das Mädchen, welchem der Müßiggang ein Greuel war, flocht sich die Zöpfe zur Nacht.

      Sie wunderte sich zuletzt doch über die unheimliche Stille, die den sonst so lauten Raum erfüllte.

      »Warum sprechen die Menschen heute gar nicht?« frug sie den Vater.

      »Ich weiß es nicht!« antwortete Toporek. »Sie müssen wohl irgend einen Feiertag morgen haben, der ihnen am Vorabend Schweigen auferlegt, oder so etwas ...«

      Plötzlich unterbrach ein heftiger Stoß seine Rede. Das Schiff knarrte in allen Fugen. Die Blechgeschirre flogen klappernd durcheinander, die Lampen lohten hell auf und flackerten dann hin und her. Einige Stimmen schrieen ängstlich durcheinander.

      »Was soll das sein? Was bedeutet das?« frug Lorenz.

      Aber er erhielt keine Antwort. Dem ersten Stoß folgte bald ein zweiter, heftigerer, der das ganze Schiff in's Schwanken brachte. Sein Vorderteil wurde in die Höhe gehoben, und ebenso plötzlich wie das geschehen, schien es in eine unermeßliche Tiefe zu sinken. Gleichzeitig schlug eine Sturzwelle mit lautem Getöse an die eine Schiffswand.

      »Ein Sturm kommt,« flüsterte Maryscha erschrocken.

      Jetzt brauste es die Schiffswände entlang, wie wenn ein heftiger Sturmwind sausend durch die Wipfel eines Waldes fährt, daß die Kronen sich tief neigen. Gleich darauf heulte es ringsum, als ob eine Heerde Wölfe ihre Stimmen ertönen ließen, und im nächsten Augenblicke legte der Sturm das Schiff ein, zwei Mal auf die Seite, drehte es im Kreise herum, riß es in die Höhe und schleuderte es in den Abgrund. Die Schiffswände krachten, der ganze Rumpf ächzte und stöhnte wie ein Kranker, die Gepäckstücke der Reisenden, die Kochgeschirre, Betten und Mundvorräte flogen von einem Winkel in den anderen. Ein Chaos entstand. Einzelne Bettstücke waren an Nägeln hängen geblieben, zerrissen; die Federn flogen umher, einige Menschen wurden umgeworfen, die Cylinder der Lampen klirrten melancholisch.

      Die über das Deck hereinbrechenden Sturzwellen verursachten ein Brausen, Poltern, Plätschern, welches tosend bis in das Zwischendeck hinunter drang. Dazu schrieen die Frauen, die Kinder weinten, die Männer suchten das Gepäck zu befestigen und all' diesen Lärm übertönte der gellende Pfiff der Signalpfeifen. Zuweilen nur konnte man die Tritte der auf dem Vorderdeck herumlaufenden Matrosen vernehmen.

      »Heilige Jungfrau von Tschenstochau!« flüsterte Maryscha.

      Ein neuer Anprall hob das Vorderteil des Schiffes haushoch in die Höhe, um es ebenso schnell wieder sinken zu lassen. Obgleich sich beide mit aller Kraft festklammerten, wurden sie so hinuntergeschleudert, daß sie wiederholt heftig an die Schiffswand schlugen. Das Gebrüll der Wogen übertönte jedes andere Geräusch während das Holz der Decke aus den Fugen zu weichen und herabzustürzen drohte.

      »Halte Dich fest Marysch!« schrie Lorenz mit aller Kraft, um das Toben der Wasser zu übertönen. Bald aber schnürte die Angst ihm und den anderen die Kehle zu. Die Kinder hatten zu weinen aufgehört, das Geschrei der Frauen war verstummt, man hörte nur heftiges schnelles Atmen, ein jeder suchte sich mit äußerster Anstrengung an irgend einen festen Gegenstand zu klammern.

      Die rasende Wut des Sturmes hatte aber ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Die Elemente waren entfesselt, der Nebel verdichtete sich noch mehr. Wolken, Wasser, Sturm und Gischt verbanden sich miteinander, um die Schrecknisse der Nacht noch zu vergrößern. Donnernd schlugen die Wogen bald über dem Schiff zusammen, bald warfen sie es seitwärts, spielten mit ihm, wie mit einem Ball, es flog nach rechts, links, stieg hoch empor bis an die Wolken, kurz es war ein gräßlicher Kampf mit den Elementen. Die Oellampen im Schlafsaal verlöschten eine nach der anderen. Es wurde immer dunkler in demselben, und Toporek glaubte nicht anders, als die Nacht des Todes sei für alle angebrochen.

      »Marysch!« rief er mit halberstickter Stimme. – »Verzeihe mir, daß ich Dein Verderben verschuldet habe. Unsere letzte Stunde ist gekommen, wir werden die Welt mit unseren sündigen Augen nicht mehr sehen. Wir müssen ohne Beichte, ohne die Sakramente in den Tod gehen, zum letzten Gericht, wir werden nicht in der stillen Erde ruhen, sondern auf dem Grunde des Meeres werden unsere Gebeine bleichen. Du armes Kind!«

      Als Maryscha den Vater so sprechen hörte, fing sie selbst an zu glauben, es gäbe keine Rettung mehr für sie. In ihr schrie etwas auf! Eine Stimme rief in ihrer Brust:

      »Jaschku, Jaschku, Herzlieber, hörst Du mich in Lipiniez?«

      Ihr wurde so todestraurig, daß sie laut zu schluchzen anfing. Das Schluchzen tönte durch den Raum, während der Sturm eine Pause zu machen schien, mitten in das Grabesschweigen der anderen hinein. Da rief eine Stimme: »Still dort!« Im selben Augenblick erlosch wieder eine der Lampen. Es wurde noch dunkler. Die Menschen rückten näher zusammen, das Schweigen des Schreckens lagerte über ihnen. Da tönte laut und vernehmlich in die Stille die Stimme Toporek's:

      »Kyrie Eleyson!«

      »Christe Eleyson!« antwortete schluchzend das Mädchen.

      »Christe erhöre uns!

      »Gott Vater im Himmel, erbarme Dich unser!« Sie beteten die Litanei. Die Stimme des Alten und das von Schluchzen unterbrochene Antworten des Mädchens, übten eine beruhigende Wirkung auf die anderen aus; eine feierliche Stimmung bemächtigte sich ihrer, einige der Auswanderer entblößten die Häupter und schienen still mitzubeten. Die Stimme Maryscha's gewann immer mehr an Festigkeit, sie sprach ruhiger, während das Toben des Sturmes von Außen her das Gebet begleitete.

      Da plötzlich schrieen die der Thür zunächst Stehenden laut auf. Eine Sturzwelle hatte die nach dem Zwischendeck führende Thür aufgedrückt, ein Wasserstrahl ergoß sich plötzlich von oben herab in den Saal und drang bis in die äußersten Winkel. Die Frauen schrieen laut und stiegen auf die Bettstellen. Alle glaubten, das Ende sei da.

      Einen Augenblick später trat der dienstthuende Leutnant herein. Er hielt eine Laterne in der Hand, war ganz durchnäßt, sein Gesicht von der angestrengten Arbeit gerötet. Mit wenigen Worten beruhigte er die Frauen, indem er erklärte, daß nur ein Zufall das Eindringen des Wassers verschuldet habe, daß die Gefahr nicht so groß sei, weil das Schiff auf offener See schwimme.

      Noch zwei, bis drei Stunden tobte der Sturm, bald rasend heftig, bald etwas nachlassend. Allmälich beruhigten sich die Gemüter. Endlich schien es draußen zu dämmern. Ein blasser Lichtschimmer stahl sich durch das dicke Glas des Deckenfensters. Nachdem Lorenz und Maryscha alle Gebete verrichtet, die sie auswendig wußten, hüllten sie sich in ihre Schlafdecken und verfielen bald in tiefen Schlaf.

      Sie wurden erst geweckt, als der Ton der Glocke zum Frühstück rief. Aber sie konnten nichts genießen. Ihre Köpfe waren schwer wie Blei! Lorenz befand sich noch schlimmer als seine Tochter. Er war außer sich. Der Agent, welcher ihn für die Auswanderung gewonnen, hatte ihm zwar gesagt, daß sie über das Wasser fahren würden, er hatte aber niemals gedacht, daß das Meer so groß sei. Er hatte gemeint

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