Rosenhain & Dschinnistan. Christoph Martin Wieland

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Rosenhain & Dschinnistan - Christoph Martin Wieland

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gewaltiger Ritter in einer ganz goldnen, über und über von Edelsteinen blitzenden Rüstung in die Schranken ritt und ihn aufforderte, entweder die ungenannte Dame seines Herzens zu nennen oder zu gestehen, daß sie mit der schönen Heliane in keine Vergleichung kommen könne.

      Jedermann wurde gewahr, daß der Prinz durch diese Aufforderung in Verlegenheit geriet und eine gute Weile unentschlossen stand, die Augen bald auf das Prachtgerüste heftend, wo Narcissa, als Austeilerin des Danks, zu den Füßen der beiden Kaiserinnen saß, bald einen gramvollen Blick auf den unbekannten Ritter schießend, der mit großer Gelassenheit erwartete, wozu sich der weiße Ritter entschließen würde. "Soll ich mir", dachte Narcissus, "von einem Nebenbuhler, wie es scheint, den Namen meiner Ungenannten abtrotzen lassen? Kann ich es mit Ehre? Oder ist es vielleicht Heliane selbst, die mir diesen Beschwerlichen über den Hals geschickt hat? Erkläre ich mich, wenn ich mit ihm kämpfe, nicht öffentlich gegen sie, und ist nicht die Belohnung meines Sieges über die dreißig verloren, ich mag überwinden und überwunden werden?"

      Diese Gedanken fuhren wie Blitze durch seinen Kopf, aber er hatte keine Zeit, sich lange zu bedenken. »Ich nehme«, sprach er, so laut, daß es alle Welt hören konnte, zu dem Unbekannten, »ich nehme deine Ausforderung unter der Bedingung an, daß ich, wenn ich dich aus dem Sattel werfe, den Namen meiner Ungenannten ihr selbst nennen will; streckst du aber mich zu Boden, so soll ihn weder ein Sterblicher noch ein Gott aus meinem Busen reißen.«

      Nach dieser Erklärung, die der Fremde sich gefallen ließ, nahmen beide ihren Stand und sprengten mit eingelegten Lanzen gegeneinander. Die Lanzen brachen, aber die Ritter blieben fest im Sattel, und nachdem sie sich frische Lanzen geben lassen, rennten sie zum zweitenmal. Die Lanzen zersplitterten abermals, und Dagobert erhielt sich mit der höchsten Anstrengung noch kaum im Steigbügel; aber beim dritten Ritt raffte er alles, was ihm von Kraft noch übrig war, zusammen und hob seinen Gegner so gewaltig aus dem Sattel, daß er über zwanzig Schritte weit hinausflog und dem Ansehn nach einen sehr gefährlichen Fall getan haben mußte. Dagobert sprang von seinem Roß, um dem Gefallenen zu Hülfe zu eilen; aber dieser hatte sich schon wieder, so leicht, als ob ihm nichts geschehen wäre, in den Sattel eines andern für ihn bereitstehenden Pferdes geschwungen, ritt in vollem Sprung aus den Schranken und ließ sich nicht wieder sehen.

      Ein jauchzendes Siegesgeschrei des unzähligen Volks, das sich Kopf an Kopf um die Schranken her drängte, begleitete nun den von seinem Abenteuer noch verwirrten Sieger zu den Füßen der schönen, nicht weniger betroffnen Narcissa-Heliane, die, in einer seltsamen Schwebe zwischen ihrem Stolz und ihrem Herzen, nicht Zeit hatte, zum Entschluß zu kommen, ob sie ihm Kaltsinn oder Teilnahme in ihren Augen zeigen sollte. Vermutlich würde das Herz die Oberhand behalten haben, wenn sie nicht in dem Blicke, womit der Prinz, indem er sich vor ihr aufs rechte Knie niederließ, ihre Augen bis auf den Grund zu durchforschen schien, den Triumph eines seiner Sache schon gewissen Siegers zu sehen geglaubt hätte. »Darf ich mir schmeicheln«, sagte er, »daß die schöne Heliane keinen Augenblick zweifelte, wer die Ungenannte sei, die allein mich in einunddreißig Kämpfen zum Sieger machen konnte?«

      »Empfanget, edler Ritter«, antwortete Narcissa, indem sie ihm den Dank (eine aus goldnen Lorbeerblättern zierlich gewundne und mit Perlenschnüren durchflochtene Krone) aufsetzte, »mit meinem Glückwunsch den Preis Euer Tapferkeit, und trauet mir soviel Bescheidenheit zu, ein Geheimnis, wofür Ihr soviel wagtet, weder erraten noch erforschen zu wollen.«

      Sie sagte dies mit einem Blick und einem Lächeln, die ihren Worten mehr als die Hälfte von ihrer Bitterkeit benehmen sollten; aber auf den stolzen Narcissus wirkte beides das Gegenteil; der sanfte Blick und das holde Lächeln schienen ihm die Verachtung noch durch Hohn zu schärfen. Er raffte sich hastig auf, warf einen Blick, der bloß zürnen sollte, aber seinen Schmerz nicht verhehlen konnte, auf Narcissen und entfernte sich von ihr mit einer tiefen Verbeugung, wie einer, der nicht wiederzukommen gesonnen ist.

      Daß übrigens von dem goldnen Ritter, den niemand kennen wollte, und von seinem ebenso plötzlichen Erscheinen als Verschwinden bei Hof und in der Stadt etliche Tage lang viel gesprochen, vermutet und gestritten wurde, ist leicht zu erachten. Da man aber immer weniger von der Sache begriff, je mehr man sie auf alle Seiten kehrte, so blieb die allgemeine Meinung endlich bei der Voraussetzung stehen, es sei ein von Helianen angestellter Handel gewesen, um dem Prinzen eine Erklärung abzunötigen, zu welcher er, aus Ursachen, die er selbst am besten wissen müsse, sich nicht entschließen zu können scheine.

      Sobald unsre Selbstliebhaber sich wieder allein sahen, fand sich, daß sie mit ihrem geliebten Selbst noch weniger zufrieden waren als eines mit dem andern. Dagobert machte sich Vorwürfe, daß er, anstatt Helianen öffentlich für seine Dame zu erklären, es darauf habe ankommen lassen, ob sie sich in der Ungenannten erkennen werde; und wie sehr er sich auch durch ihre unbezwingbare Gleichgültigkeit beleidigt fühlte, so waren doch die Augenblicke die häufigsten, worin er sie entschuldigte, ja sogar rechtfertigte, und gegen sich selbst behauptete, sie habe sich ohne Verletzung alles Zartgefühls nicht anders benehmen können. Narcissa hingegen zürnte über sich selbst, daß sie seine Erklärung bei Empfang des Preises in einem Ton beantwortet hatte, der, wofern er sie wirklich liebte, sein Herz empfindlich kränken und, falls die Liebe seinen Stolz noch nicht völlig überwältigt hatte, für eine förmliche Abweisung aufgenommen werden mußte. Beide glaubten also einander eine Art von Genugtuung schuldig zu sein, nur war die Schwierigkeit, wie dies geschehen könne, ohne vielleicht einen Schritt zuviel zu tun und das, was jedes sich selbst schuldig zu sein glaubte, auf ein ungewisses Spiel zu setzen.

      Diese Bedenklichkeiten eines übertriebenen Zartgefühls gaben ihrem gegenseitigem Betragen eine Miene von zwangvoller Unschlüssigkeit zwischen Annäherung und Zurückhaltung. Sie beobachteten einander mit einer Art von mißtrauischer Teilnahme, welcher kein Blick, keine noch so leise vorübergehende Veränderung der Gesichtszüge entwischte, die aber immer geneigt war, etwas Zweideutiges zu sehen, und immer zweifelhaft, von welcher Seite sie es nehmen sollte. Das Peinliche eines solchen Verhältnisses brachte sie nicht selten in einem Anfall von Ungeduld zum Entschluß, es gänzlich abzubrechen; aber bei jedem Versuch überzeugten sie sich stärker von der Unmöglichkeit der Ausführung. Siegen oder sterben schien itzt beider Wahlspruch zu sein; und wer kann sagen, wie lange diese seltsame Art, die Liebe wie einen Zweikampf auf Leben und Tod zu behandeln, noch hätte dauern und welche Folgen sie wenigstens für die zärter gebaute Heliane hätte haben können, wenn ihr Verhältnis nicht durch eine zufällige Begebenheit eine andere Wendung bekommen hätte.

      Nicht lange nachdem in Trapezunt alles wieder seinen gewöhnlichen Gang zu gehen begonnen hatte, traf ein Fremder daselbst ein, der in kurzer Zeit die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er kam, seinem Vorgeben nach, aus einem so weit entfernten Lande, daß dessen Name schwerlich jemals zu Trapezunt gehört worden war; und weil sein eigener etwas schwer auszusprechen sei, sagte er, so habe er ihn ins Griechische übersetzt und nenne sich dermalen Sophranor sowie seine ihn begleitende Schwester Euphrasia. Da sie sich einige Zeit zu Trapezunt aufzuhalten und auf einem ziemlich großen Fuß zu leben gesonnen waren, so mietete Sophranor einen der schönsten Paläste der Stadt, nahm zu dem Gefolge, so er mitgebracht, noch eine Menge Hausbediente aller Arten an und richtete sich in allem so ein, als ob er immer dazubleiben gedächte.

      Beide, Sophranor und seine Schwester, hatten in Gestalt und Anstand etwas zugleich Anziehendes und Ehrfurchtgebietendes; und da sie ein prächtiges Haus machten und (was, in ihrem Falle, das wesentlichste ist) alles bar und ohne zu handeln in gutem blankem Golde bezahlten, so wurde ohne weiteres Nachforschen angenommen, daß sie unfehlbar Personen von großer Bedeutung sein müßten; was sie denn auch um so mehr wurden, da sie sich mit einem Geheimnis umgaben, welches immer die Hoffnung irgendeiner wichtigen Entdeckung oder Entwicklung übrigließ. Alle Abende versammelte sich bei Euphrasien eine Gesellschaft, die aus allem, was der Hof und die Stadt Ausgezeichnetes hatte, bestand und in verschiedenen Sälen und Zimmern aufs angenehmste unterhalten wurde.

      Euphrasia schien eine Person von dreißig Jahren zu sein, keine eigentliche Schönheit; aber in ihrem Wuchs und Anstand

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