Maigret verliert eine Verehrerin. Georges Simenon

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Maigret verliert eine Verehrerin - Georges  Simenon Georges Simenon

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nichts einbilde. Ich weiß genau, wo alles hingehört, weil ich es bin, die den Haushalt macht. Meine Tante hat nie ein Dienstmädchen gewollt. Als es das erste Mal passiert ist, dachte ich noch, dass ich mich irre. Aber danach habe ich genau aufgepasst, und gestern habe ich mir genau eingeprägt, wo sich jeder Gegenstand befand. Ich bin sogar noch weiter gegangen. Ich habe einen Faden quer vor die Eingangstür gespannt …

      Und dann waren nicht nur zwei Stühle verrückt, sondern auch der Faden war gerissen. Es hat also jemand unsere Wohnung betreten. Jemand hat sich eine Zeit lang im Wohnzimmer aufgehalten und den Sekretär meiner Tante aufgemacht, denn auch dort hatte ich ein Erkennungszeichen angebracht. Es ist das dritte Mal in zwei Monaten. Meine Tante kann sich seit Kurzem fast gar nicht mehr bewegen. Niemand außer mir hat einen Wohnungsschlüssel, und doch ist das Schloss nicht aufgebrochen worden. Ich wollte Tante Juliette nichts davon erzählen, um sie nicht zu beunruhigen. Ich bin aber sicher, dass nichts verschwunden ist. Sie hätte es mir gesagt, denn sie ist sehr misstrauisch.«

      »Alles in allem«, fasste Maigret ihren Bericht zusammen, »behaupten Sie also, dass zum dritten Mal in zwei Monaten ein Unbekannter in Ihre und die Wohnung Ihrer Tante eingedrungen ist, durch das Wohnzimmer gegangen ist und die Stühle verrückt hat …«

      »Die Schreibunterlage auch!«

      »… die Stühle und die Schreibunterlage verrückt und im Sekretär herumgewühlt hat, obwohl er abgeschlossen ist und auch nichts darauf hindeutet, dass er gewaltsam geöffnet wurde.«

      »Außerdem hat heute Nacht jemand im Wohnzimmer geraucht. Weder meine Tante noch ich rauchen. Gestern war auch niemand bei uns, und trotzdem hat es heute Morgen im Wohnzimmer nach Zigarettenrauch gerochen.«

      »Ich werde mir das einmal ansehen.«

      »Gerade das möchte ich vermeiden. Meine Tante ist sehr schwierig. Sie würde es mir übel nehmen, zumal ich ihr nichts davon erzählt habe.«

      »Und was erwarten Sie dann von der Polizei?«

      »Ich weiß es nicht. Ich vertraue Ihnen. Wenn Sie sich vielleicht ein paar Nächte im Treppenhaus aufhalten könnten …«

      Armes Mädchen, wenn sie sich vorstellte, es wäre die Aufgabe eines Kommissars der Kriminalpolizei, die Nacht in einem Treppenhaus zu verbringen, um das Gerede eines jungen Mädchens zu überprüfen!

      »Ich schicke heute Nacht Lucas zu Ihnen.«

      »Kommen Sie nicht selbst?«

      Nein! Hundertmal nein! Nun ging sie wirklich zu weit! Und ihre Enttäuschung, da hatten Maigrets Kollegen recht, ähnelte der Enttäuschung einer Verliebten.

      »Vielleicht wird es nicht heute Nacht sein, sondern erst in drei, fünf oder zehn Tagen. Wie soll ich das wissen, Herr Kommissar? Bei dem Gedanken, dass jemand …«

      »Wo wohnen Sie?«

      »In Bourg-la-Reine, einen Kilometer von der Porte d’Orléans entfernt, an der Route Nationale. Genau gegenüber der fünften Straßenbahnhaltestelle. Es ist ein großes fünfstöckiges Backsteingebäude. Im Erdgeschoss sind eine Fahrradhandlung und ein Lebensmittelgeschäft. Wir wohnen im fünften Stock.«

      Lucas war dort gewesen. Er hatte sich bei den Nachbarn erkundigt.

      Er war skeptisch zurückgekehrt.

      »Eine alte Frau, die ihre Wohnung seit Monaten nicht mehr verlässt, und ihre Nichte, die das Dienstmädchen und die Krankenschwester spielt.«

      Man hatte die örtliche Polizei auf das Haus aufmerksam gemacht, die es fast einen Monat lang überwacht hatte. Außer den Mietern hatte man in keiner einzigen Nacht jemanden hineingehen sehen.

      Und dennoch war Cécile erneut zum Quai des Orfèvres gekommen.

      »Er war wieder da, Herr Kommissar. Diesmal hat er Tintenspuren auf der Schreibunterlage hinterlassen. Ich habe das oberste Blatt erst gestern Abend gewechselt.«

      »Und er hat nichts mitgenommen?«

      »Nein, nichts.«

      Maigret war so unvorsichtig gewesen, die Geschichte seinen Kollegen zu erzählen, und der ganze Quai des Orfèvres hatte sich darüber lustig gemacht.

      »Maigret hat eine Eroberung gemacht!«

      Durch die Glaswand des Warteraums hatten sie das schielende Fräulein begutachtet und waren dann beim Kommissar hereingeplatzt.

      »Beeil dich! Da ist jemand für dich!«

      »Wer?«

      »Deine Verehrerin …«

      Acht Nächte hintereinander hatte Lucas in dem Treppenhaus Wache gehalten, aber weder etwas gesehen noch gehört.

      »Vielleicht kommt er morgen«, hatte Cécile gesagt.

      Schließlich hatte man es aufgegeben.

      »Cécile ist da!«

      Mittlerweile war Cécile berühmt. Alle nannten sie nun schon Cécile. Wenn ein Inspektor den Kommissar in seinem Büro sprechen wollte, hieß es:

      »Achtung! Es ist jemand drin.«

      »Wer?«

      »Cécile!«

      Maigret musste an der Porte d’Orléans umsteigen. An der fünften Haltestelle stieg er aus.

      Auf der rechten Seite ragte zwischen zwei unbebauten Grundstücken ein frei stehendes Gebäude auf, das aussah wie ein schmales und hohes Stück Schichtkuchen.

      Nichts Ungewöhnliches. Autos, die nach Arpajon und Orléans unterwegs waren. Lastwagen, die von den Markthallen zurückkamen. Die Haustür befand sich zwischen der Fahrradhandlung und dem Lebensmittelgeschäft. Die Concierge schälte gerade Mohrrüben.

      »Ist Mademoiselle Pardon schon zurück?«

      »Mademoiselle Cécile? Ich glaube nicht. Aber klingeln Sie ruhig. Madame Boynet wird Ihnen aufmachen.«

      »Ich dachte, sie ist gelähmt?«

      »Ja, so gut wie. Aber sie hat an ihrem Sessel ein System anbringen lassen, das es ihr ermöglicht, die Tür zu öffnen. So eins wie hier in unserer Loge. Und wenn sie will …«

      Fünf Etagen! Maigret graute vor Treppen. Diese hier war dunkel und mit einem tabakbraunen Läufer belegt. Die Wände waren speckig. Auf jedem Treppenabsatz änderte sich der Geruch, je nachdem, was gerade gekocht wurde; ebenso wie die Geräusche: Klavierspiel, Kindergeschrei, und irgendwo wurde heftig gestritten.

      Im fünften Stock hing links ein verstaubtes Namensschild unter dem Klingelknopf: Jean Siveschi. Es musste also die rechte Tür sein. Er klingelte. Das Klingeln hallte durch die ganze Wohnung, doch im Schloss war kein Klicken zu hören und die Tür öffnete sich nicht. Er klingelte noch einmal. Sein Unbehagen schlug in Besorgnis um, die Besorgnis in Schuldgefühle.

      »Was ist denn los?«, fragte eine weibliche Stimme hinter ihm.

      Er wandte sich um und sah ein etwas rundliches Mädchen, dessen hellblauer Bademantel ihre weibliche

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