Florentiner Novellen. Isolde Kurz

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Florentiner Novellen - Isolde Kurz

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Herr, sie seufzte nach Euch wie die getreue Helena!«

      Veit rüttelte aufs neue an den Fesseln des Schlummers, die ihn schon wieder umstricken wollten.

      »Die getreue Helena?« sagte er befremdet.

      »Ja, Herr, wie die getreue Helena, da sie dem abwesenden Gatten Ulysses das Strumpfgewand wob. Von ihr habt Ihr nichts zu besorgen.«

      Veit war zu müde, um zu lächeln, er sank nur beruhigt mit dem Kopf aufs Kissen zurück.

      »Hört Ihr mich, Herr Ritter?« begann Lucius ängstlich aufs neue. »Das Fräulein will Euch wohl, aber die Luft hier ist Euch nicht ganz gesund, denn schon mancher Fremdling fiel in des Verderbens Schlingen, statt in den Schoß der Liebe.«

      Lucius hätte gerne den Jüngling durch einen versteckten Wink gewarnt, ohne sich selber bloßzustellen, denn Marcantonios übergroße Beflissenheit gegen den ahnungslosen Nebenbuhler schien ihm unnatürlich und gefährlich. Aber Veits Schlaftrunkenheit und seine eigene schwülstige Redeweise, die er bei Gefahr seines Lebens nicht zu ändern vermocht hätte, hinderten ihn, sich verständlich zu machen.

      »Was willst du sagen?« gähnte Veit.

      »Daß Ihr umlauert seid von der tausendköpfigen Mitra des Verrats«, flüsterte der Rote keuchend. »Herr, man hat Euch liebevoll und gastfrei aufgenommen, aber mir fällt dabei ein, was der lateinische Poet sagt – wie sagt doch der lateinische Poet? Hm, es fällt mir jetzt nicht ein – aber es würde sehr gut hierher passen.«

      »Laß den lateinischen Poeten, guter Lutz«, murmelte Veit. »Wenn du mir etwas zu sagen hast, so tu es, aber ohne Zitate und Schnörkel werk, denn ich bin müde.«

      »Herr, möchtet Ihr Euch wach halten – ach, da nickt er schon wieder. Herr Ritter, trennt Euch nicht von Eurem Schwert! – Er hört mich nicht!«

      Lucius bückte sich und suchte in heftiger Beängstigung nach des Jünglings Schwert, das er an seine Seite legte, ohne ihn durch seinen flüsternden Zuruf mehr erwecken zu können. Er sah sich ratlos um. Vom Haine her meinte er Geräusch zu hören. Er lauschte.

      »Nein, es ist alles still. Aber mir ist so bange. Was bin ich doch für ein Hasenfuß! Und der schöne Anfang meines Gedichtes ist auch weggeblasen. Was mische ich mich denn in fremde Angelegenheiten!«

      Er wollte sich zurückziehen, da fiel sein Blick auf den Tisch. Hier lag die Schriftrolle, das goldene Vlies, das dem Hause Rucellai unerhörte Opfer gekostet hatte. Er konnte es nicht lassen, liebkosend mit den Fingern darüberzufahren, der klassische Kitzel siegte über seine Furchtsamkeit, er hielt die Rolle gegen das Licht und betrachtete ehrfurchtsvoll die Schnüre, womit sie umwunden war.

      Plötzlich fuhr er zusammen, er hörte ein leises Wehen und Schleichen auf der Treppe und dann einen deutlichen Schritt. Darauf wurde es ganz still, als ob der späte Schleicher an seinem eigenen Geräusch erschrocken sei und den Atem verhalte. Dem Roten sträubten sich die Haare auf dem Kopf. Jetzt schlich es wieder und noch leiser als zuvor, aber es war schon viel höher oben auf der Treppe. Da stürzte Lucius, ohne noch einmal nach dem preisgegebenen Schläfer zu blicken, in sinnloser Angst auf das offene Fenster zu, schwang sich hinaus und kletterte behend und leise wie ein Eichhorn auf das Dach des Schuppens und von da auf den Waldboden hinab. Es war völlig dunkel; Lucius kam erst ein wenig zur Besinnung, als er auf seiner raschen Flucht mit Heftigkeit gegen einen knorrigen Olivenstamm rannte. Sein Herz klopfte so laut, daß er fast taub war gegen äußeres Geräusch. »Es ist ja nichts«, dachte er, »nur meine eigene Einbildung. Wäre doch die Nacht schon vorbei!«

      Jetzt bemerkte er auch, daß er noch immer die Schriftrolle in der Hand hielt; er nahm sie zitternd und leise Gebete sprechend mit sich auf seine Kammer.

      Der Junker erwachte nicht, als sich die Gestalt seines Wirtes leise und vorsichtig zu der offenen Türe hereinschob. Marcantonio trug ein blankes, langes Messer in der Hand und ließ einen raschen Blick durch das ganze Gemach gleiten. Seine Züge zeigten in dem blassen Licht des Lämpchens den Ausdruck erbarmungsloser Entschlossenheit.

      Er näherte sich leise dem Kopfende des Lagers, das dem Eingang abgekehrt war, und schob vorsichtig die linke Hand unter das Kissen, indem er zugleich mit der Rechten das Messer über dem Schläfer gezückt hielt, um bei der leisesten Bewegung zuzustoßen. Doch Junker Veit lag wie ein Toter, nur die Flut und Ebbe seines halbentblößten Busens verkündete Leben in der ausgestreckten Gestalt.

      »Das Pulver tut seine Schuldigkeit«, sagte sich Marcantonio, »aber wo hat er den Kodex?«

      Er wagte es sogar, ihm die Hand unter das Wams zu schieben, nachdem er leise das Schwert entfernt hatte, aber er zog sie leer hervor.

      Der Zorn über die vergebliche Mühe verscheuchte das aufkeimende Mitleid mit dem ahnungslos Schlummernden.

      »Junger Tor«, sagte er grimmig,» Gott weiß, ich verlangte nicht nach deinem Leben, auch nicht um Lucrezias willen, hättest du nur das Buch gutwillig hergegeben! Aber du hast es selbst gewollt.«

      Er zog einen Strohwisch aus dem Busen, entzündete ihn an der Lampe, nachdem er leise die Matte am Fenster wieder herabgelassen hatte, und schob ihn unter die Lagerstatt.

      »So bin ich rein von Blut«, murmelte er zufrieden. »Fahre nun in Flammen gen Himmel, samt deinem Cicero!«

      Leises Knistern in dem von der Sommerhitze spröden Strohteppich sagte ihm, daß das Feuer schon sein Werk begann. Er zog sich rasch zurück, verschloß die Türe von außen und warf noch im Vorübereilen einen glimmenden Strohhalm auf gut Glück in den Heuschuppen.

      »Zur Sühne für den armen Donato«, murmelte er, »den das Barbarenvolk wie einen Hund erschlagen hat.«

      Als er am Fuß des Hügels stand, sah er von oben schon den Qualm zum Himmel steigen, und der Brandgeruch drang ihm in die Nase.

      »Der Olivenhain wird verloren sein«, sagte er sich und empfand es fast als eine Beruhigung seines Gewissens, daß er sein eigenes Gut zugleich dem Verderben preisgab.

      »Es ist am besten so«, dachte er noch, indem er nach Hause schlich. »Morgen wird es heißen, daß er in der Trunkenheit die Lampe umgestoßen habe.«

      Zu derselben Stunde stöhnte Lucrezia unter dem Bann eines schweren Alpdrückens auf ihrem Lager. Sie war stets ein gehorsames Kind gewesen und hatte ihre Ehre dareingesetzt, des Vaters Befehl willig nachzukommen, als er sie mit dem deutschen Junker verlobte. Daß ihr das leicht geworden, hatte sie sich zum besonderen Verdienst angerechnet und nicht geahnt, wie schwer ein väterliches Gebot fallen kann, wenn es dem eigenen Herzen widerspricht. Als sie nun vor wenigen Tagen die Wendung ihrer Zukunft erfuhr, da hatte sie wohl schüchterne Berufung auf ein früheres Versprechen gewagt, war aber von dem Vater nachdrücklichst bedeutet worden, daß sie dem Geschick und ihm für diesen Tausch zu ganz besonderem Danke verpflichtet sei.

      Bernardo hatte seine Kinder stets in strenger Zucht gehalten, und Lucrezia fürchtete seinen lächelnden Ernst und die glatte Unbeugsamkeit mehr, als wenn er ein Wüterich gewesen wäre. Also hatte sie auch diesmal ihr Köpfchen geneigt, aber nicht in willigem Gehorsam, sondern erschrocken und wehrlos wie ein Lamm, das zum Schlachthaus geführt wird. Sie fühlte wohl in ihrem Grausen vor dem gelehrten Bräutigam, der mit dem pergamentenen Schädel selber einem alten Kodex glich, etwas wie ein heiliges Naturrecht durch, aber wie sich auflehnen, sie allein, ohne Hilfe, gegen den Druck einer eisernen Welt? Ja, wenn der blonde Fremde zurückkehrte und sie wieder in seine starken Arme faßte, dann würde sie keine Furcht mehr kennen. Sie mußte sich ihn denken, wie er etwas

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