Florentiner Novellen. Isolde Kurz

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Florentiner Novellen - Isolde Kurz

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Jetzt würde sie sich selig preisen, wenn sie nur mit ihm ziehen dürfte in jene finsteren, sonnenlosen Wälder, wo die Gebeine ihres Oheims moderten, und dort in einer Höhle mit ihm leben. Doch Tag für Tag sah sie das Geschick näher heranrücken und klammerte sich der fliehenden Zeit ans Gewand, die sie erbarmungslos dem Entsetzlichen entgegentrug.

      Überwältigt von Kummer und Scirocco hatte sie sich in dem schwülen Zimmer zur Ruhe gelegt, das auch durch die weitgeöffnete Balkontüre keine Luft empfing. Aus den Stallungen stiegen schwere Dünste auf, mischten sich mit dem Geruch welkender Blumen im Garten und vermehrten ihre Betäubung. Das häusliche Getriebe war verstummt, der dunkle Himmel, der durch die Balkontüre zu ihr niedersah, hatte keinen Stern, und es deuchte ihr, als sehe sie einen finsteren Magier mit großen dunklen Fittichen, die sich im Fluge nicht bewegten, geräuschlos über dem Himmel hinziehen; es war der menschgewordene Scirocco, der wie durch bösen Blick die Natur lähmte und sie willenlos erschlafft in seine feuchten widerlichen Arme zwang. Nun streckte er diese Arme auch gegen sie aus, und jetzt erkannte sie, daß er Marcantonios Züge trug. Sie stöhnte unter seinem Druck, aber ihre kraftlosen Glieder konnten ihn nicht zurückstoßen. Da klang Veits Stimme in ihre umschläferten Ohren, so hatte sie ihn schon oft zu vernehmen geglaubt, aber heute vernahm sie ihn wirklich, nur vermochten die ersehnten Laute sie nicht aus dem Zauberschlaf des Glutwindes zu erwecken, sondern mischten sich in das Spiel, das ihre Träume trieben. Die Stimme, die einen Augenblick näher gekommen war, verlor sich wieder in der Ferne, der Retter fand nicht den Weg zu ihr, er ließ sich zur Seite locken, sie sah ihn ferner und ferner hinschwinden, aber sie konnte weder rufen noch die Arme nach ihm ausbreiten.

      Mit Anstrengung öffnete sie die schweren Lider und sah im Waldhäuschen drüben ein rötliches Licht. Aber gleich begann die Phantasie ihr Spiel von neuem und verwob auch dieses Licht in ihren Traum. Da fuhr mit einem Male eine zischende Feuerschlange nieder, die sie auch mit geschlossenen Lidern wahrnahm, und fast gleichzeitig ein übergewaltiger Donnerschlag, der das ganze Haus in seinen Grundmauern rüttelte. Das Mädchen sprang mit beiden Füßen aus dem Bette, der Donner war das große Erlösungswort gewesen, das den Bann des Scirocco sprengte. Denn jetzt kam auch Leben in die Natur, die Lüfte rangen sich los, die Welt atmete befreit auf, während neue Blitze folgten. Im Hause schlugen Türen und Fenster, mehrere Stimmen wurden zugleich laut, die Pferde wieherten in den Ställen. Die Jungfrau griff nach einem Gewand, das sie hastig umwarf, und trat ohne Furcht auf den Balkon, um dem prächtigen Gewitter zuzusehen, das in wilden Blitzen niederging, sich aber schon ein wenig entfernt hatte. Seltsam, drüben im Waldhäuschen brannte noch immer das rote Licht, aber es schien größer geworden, ja, es wuchs von Sekunde zu Sekunde. Jetzt tauchten andere Lichter daneben auf, feurige Zungen leckten empor und ließen auf Augenblicke die Umrisse des Häuschens aus der Dunkelheit hervortreten. Das Mädchen starrte lautlos auf das überraschende Schauspiel, denn nun erhellte sich das Häuschen auch von innen, und in dem roten Glutmeer, das langsam aufstieg, sah sie eine dunkle Gestalt. Wie ein Blitz trat es vor ihren Geist, daß sie soeben geträumt hatte, der Geliebte werde von dem Zauberer im Waldhäuschen gefangengehalten.

      »Guido!« schrie sie mit durchdringender Stimme, die weit in die schlafende Landschaft hinaushallte, und streckte die Arme aus, als könnte sie ihn durch den leeren Raum herziehen. Die Gestalt war plötzlich näher gerückt, sie stand wie in freier Luft, aber ganz von roten Flammen umzüngelt. Aufs neue schrie sie: »Guido! Guido!« aber jetzt wurde ein polterndes Krachen vernehmbar, das ganze Flammengerüst versank auf einmal in schwarze Nacht, und dichter Qualm verhüllte die Stätte.

      Länger ertrug es Lucrezia nicht; ohne ihrer bloßen Füße zu achten, flog sie die Treppe hinab und durch das geöffnete Haustor ins Freie. Auf sandigem Weg eilte sie den Abhang hinunter nach dem Wildbach, dessen tiefeingerissenes Ufer von einem dichten Rohrwald bedeckt war. Sie brach durch das Gezweige, obgleich ihr der Wind den Rauch entgegentrug. Aber oben leckten noch wilde Gluten, die sich jetzt mehr nach abwärts wandten, und bei dem Feuerschein erkannte Lucrezia eine dunkle Gestalt am anderen Rande des Flußbetts. Sie arbeitete sich hinüber, mehrmals strauchelnd, weil das trockene Steingeröll ihre zarten Füße verletzte und ihnen keinen festen Halt bot. Sie erkannte jetzt den Junker, der am Boden lag, ja, sie hätte ihn auch mit geschlossenen Augen erkannt, denn sie fühlte seine Gegenwart, und ihre Schüchternheit überwindend schlang sie beide Arme um ihn und suchte ihn emporzurichten. Doch er seufzte nur und schien nicht bei Besinnung zu sein. Da tauchte sie den Zipfel ihres Gewandes in den schwachen Wasserfaden, der noch inmitten des vertrockneten Bettes hinschlich, und netzte ihm die rauchgeschwärzte Stirn.

      Er erholte sich und nannte ihren Namen.

      »Ich sah dich stehen und winken«, stammelte er, »da sprang ich herab und verdanke dir mein Leben.« Er versuchte aufzustehen, aber ein heftiger Schmerz bewies ihm, daß eine Kniescheibe verletzt und an kein Gehen zu denken war. Mittlerweile wurde der Qualm immer dichter und drohte beide zu ersticken. Mit röchelnder Stimme beschwor er sie, ihn zu verlassen und sich zu retten, aber sie schüttelte den Kopf, und nachdem sie mehrmals mit äußerster Anstrengung versucht hatte, den schweren Mann in ihren Armen aufzuheben, setzte sie sich ergeben nieder, zog seinen Kopf auf ihren Schoß und sagte zärtlich: »So sterben wir zusammen.«

      Aber der Himmel hatte Erbarmen mit dem jungen Paar, denn der Wind drehte sich und jagte die Flammen mit dem größten Teil des Rauches hügelabwärts und seitlich gegen das Olivendickicht hinüber.

      Endlich wurde es im Garten lebendig. Windlichter tauchten auf, man hörte die Stimmen der Diener, und nun gelang es Lucrezia mit allem Aufwand ihrer vom Rauch belästigten Lungen Hilfe herbeizurufen. Zwei erstaunte, noch halb verschlafene Knechte schleppten den fremden Jüngling, den ihre junge Herrin liebevoll mit den Armen stützte, die Uferböschung hinauf in den Garten. Dort aber, außer dem Bereich des Qualmes, mußten sie ihn niederlegen und sich nach einer Tragbahre entfernen, da der Verletzte bei der Fortbewegung zu große Qualen litt. Der Lärm wuchs, die Bauern eilten mit Äxten und Hacken nach dem Olivenhain, um den begonnenen Waldbrand einzuschränken, aber der Wind wehte stark, und die Bäume standen so dicht, daß die Waldung preisgegeben werden mußte. Die Leute stellten alle Rettungsversuche ein und trösteten sich mit der Hoffnung, daß das Feuer, wenn es das Ackerland und die Wiesengräben erreichte, ohne Nahrung in sich zusammensinken werde.

      Inzwischen prasselten die Flammen lustig weiter, ein Knistern, Knattern und Knallen ging durch den Hain wie über ein Schlachtfeld. Das Feuer wart seinen Schein weit über den Garten und beleuchtete die Gestalt des jungen Mädchens, die sich aufs neue neben dem halb ohnmächtigen Fremdling niedergeworfen hatte und sein Haupt mit ihren Händen stützte. Sie betrachtete ihn liebevoll. Sein sonst so schönes blondes Kraushaar war ganz versengt und sein Gesicht von Rauch geschwärzt, sonst schien er außer der gebrochenen Kniescheibe keinen Schaden davongetragen zu haben, aber er litt heftige Schmerzen, und der Kopf, der auf Lucrezias Knien lag, war so schwer wie Blei.

      Endlich erschien auch Herr Bernardo in all dem Tumult ohne Übereilung in weißem Überwurf mit schönem würdigem Schritt. Er betrachtete überrascht die Gruppe am Boden, hatte aber Schönheitsgefühl genug, im stillen einen Maler herbeizuwünschen, damit er das wild-anmutige, von rotem Schein umzuckte Bild festhalte: die Jungfrau im weißen Gewande wie eine Pietà mit ihren entblößten Armen den Verwundeten stützend und umschlingend, mit dem kleinen elfenbeinweißen Fuß, der sich fest gegen den Sandboden stemmte, um der schweren Last eine Stütze zu geben, und dem langen schwarzen Haar, das wie ein dunkler Strom am Boden floß.

      Doch aus diesem Kunstgenuß riß ihn eine schreckliche Ahnung.

      »Und der Kodex!« rief er plötzlich.

      »Hier auf meiner Brust«, murmelte Veit, den der Angstschrei Bernardos aus der Halbohnmacht weckte, und er betastete mit den Händen sein Wams.

      »Nein, er ist nicht hier – o mein Gott – ich habe ihn oben gelassen.« –

      Was jetzt geschah, blieb allen Anwesenden als etwas Unerhörtes auf ewig ins Gedächtnis geprägt: Herr Bernardo vergaß plötzlich Haltung

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