Der Irrläufer. Gudmund Vindland

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Der Irrläufer - Gudmund Vindland

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mußt dich auch ausziehen, Yngve!» Er legte die Hände um meinen Kopf, während ich mir die Hose auszog. Dann zog er mich an sich. Nackte Haut an nackter Haut. Zum ersten Mal in unseren jungen Leben. Wir drückten uns hart und fest. Lange. Dann fingen wir an, uns anzufassen. Vorsichtig tastend, streichelten wir uns über den Rücken, durch die Haare. Die Tränen liefen. Keiner von uns wollte loslassen. Außer Atem legten wir uns auf die stinkenden Schweißturnmatten und liebten uns. Lange, lange. Lernten uns richtig gut kennen und lernten viel über uns selber.

      «Ich hab mich so nach dir gesehnt!» sagte ich.

      «Und ich mich nach dir!» sagte Magnus. Und wir küßten uns wieder und wieder. Lachten und weinten. Patschten einander ins Gesicht. Ich nahm seinen Schwanz in die Hand. Er war einfach schön. Und nicht größer als meiner.

      «Sollen wir’s jetzt machen?» flüsterte ich.

      «Was denn?»

      «Kommen.»

      «Wieso denn?»

      Verstehen überflutete mich wie eine Welle von Zärtlichkeit. «Nein, aber, Magnus, o mein Junge, hattest du denn noch nie ... einen ... Orgasmus?»

      «Nein ...» Er versteckte sein Gesicht an meinem Hals.

      «Ach, Magnus, keinen Schreck kriegen, keine Angst haben, ich helf dir. Guck mal, es ist nicht gefährlich, nur schön.»

      Wir halfen uns gegenseitig. Wir waren so geil, daß wir sofort kamen, gleichzeitig. Das war’s, wovon ich geträumt hatte; mit ihm, von dem ich geträumt hatte! Und diesmal war es kein Traum. Er war noch immer da – ich konnte ihn anfassen und fühlen. Er hing krampfhaft in meinen Haaren und stöhnte, ein kleines, überwältigtes Stöhnen.

      «Geht’s dir gut, Magnus?»

      «Ich weiß nicht, doch, gut, gut. Aber es ist bestimmt nicht gefährlich? Es war so ... stark.»

      «Nein, ganz sicher nicht gefährlich. Sie sagen das nur, damit wir ... das nicht machen. Damit es uns nicht gutgeht.»

      «Kannst du nicht das Licht anmachen? Ich möchte sehen, wie das aussieht. Der Schalter ist da hinten neben der Tür.»

      «Da gibt’s nichts zu sehen. Es ist weiß und glänzt.»

      «Ja, aber ich will es sehen. Du brauchst doch nur das Licht anzumachen. Niemand kann uns hier entdecken.»

      Blink-blink-blink. Das Licht tat mir in den Augen weh. Aber jetzt konnte ich ihn auch sehen. Er lag noch mit dem Rücken auf der Gummimatte und schaute mit offenem Mund und mit erstaunten Augen über seinen glänzenden Bauch. Ich war sofort bei ihm und nahm seine Hand. Er hatte Angst.

      «Wie kannst du überhaupt wissen, daß es nicht gefährlich ist?»

      «Weil ich das jeden Tag mache, schon über ein Jahr, und weil es in Karl Evangs Arztbuch steht. Keine Angst, Magnus. War’s denn nicht schön?»

      «Doch. O doch!» Sein ganzes Gesicht leuchtete auf, als er mich ansah.

      Wir betrachteten uns lange.

      «Ich finde dich schön», sagte er.

      «Ich dich auch.»

      Dann trockneten wir uns mit meiner Unterhose ab. Wir hatten nichts anderes. Als wir uns anzogen, umarmte er mich plötzlich hart und hatte wieder Angst. «Du sagst es doch keinem?»

      «Nein, spinnst du? Natürlich sag ich’s keinem. Keiner Menschenseele. Das ist und bleibt unser Geheimnis ... und ... wir tun das doch wieder? Wir bleiben doch ... zusammen?»

      Magnus hielt mich mit ausgestreckten Armen von sich ab. Ich sah in seinen glänzenden Augen die Stärke wachsen. Sein Entschluß leuchtete stark und schelmisch in seinem Blick. Mit einem «Jaaa!» warf er mich auf die Matte.

      Ich war gerade vierzehn geworden. An diesem Abend fing mein Leben an. Auch innerlich wuchs ich – wuchs ich mich stark. Ich werde niemals vergessen, was da zwischen uns passiert ist. Magnus auch nicht, auch wenn er es mit aller Kraft versucht.

      Von da an waren wir unzertrennlich. Aber wir verstanden instinktiv, daß wir uns in acht nehmen mußten. Vor allem in der Schule. Am meisten aber vor Magnus’ Vater. Wir wußten genau, daß etwas Schreckliches passieren würde, wenn man uns entdeckte. Die Erziehung der fünfziger Jahre hatte uns davon überzeugt, daß «nette Onkel» kein bißchen nett waren – und daß Wichser, Schwule, Arschficker und Exhibitionisten minderwertige gefährliche Tiere waren, vor denen brave Jungen sich hüten mußten. Das taten wir auch! Denn wir waren ja nicht so. Wir waren ineinander verliebt, mit den Kräften der Jugend in doppelter Potenz. Keine Macht der Welt hätte uns voneinander trennen können. Trotz der gründlichen Bearbeitung durch die Mächtigen und die Moral.

      Ich hatte eine glückliche Hand gehabt bei der Wahl meiner Eltern. Gesundes Zusammenleben haben sie mich zwar nicht gerade gelehrt, aber sie versuchten auch nicht, die sexuellen Seiten des Lebens zu unterdrücken. Evangs Arztbuch stand bei ihnen im Regal, und darin las ich, bis meine Augen groß und feucht wurden – und mein Schwanz auch. Ich fand alles sozusagen auf eigene Faust heraus und brauchte nicht zu fragen.

      Der arme Magnus hatte es da nicht so leicht. All sein Wissen über unsere Körperfunktionen verdankte er drohend gereckten Zeigefingern und einem «Gesundheitslexikon», das für armselige Knaben mit schmutzigen Lüsten und Lastern bestimmt war. Dort stand: «Onanie, siehe Selbstbefleckung». Und all die Ansteckungsgefahren, die im Pimmel lauerten, waren fürwahr kein Pappenstiel. Ich geriet völlig in Verzweiflung, als Magnus mir zeigte, was wir Selbstbeflecker für schicksalhafte Leiden zu erwarten hatten: Pickel, trockenes Haar, Schuppen, Haarausfall, bleiche Haut, unsteten Blick, Rückenmarkschwund. Und zum Schluß noch unheilbaren Irrsinn. Die einzige tröstliche von all den Prophezeiungen war: «Übersteigerte Reizung der Manneskraft führt zu übermäßigem Wachstum derselben.» Immerhin ein Trost! Aber erst nach einigen Monaten legte sich Magnus’ Angst vor Rückenmarkschwund und all den anderen Scheußlichkeiten. Ganz losgeworden ist er sie wohl nie. Es bleibt nicht ohne Folgen, wenn man seine ganze Kindheit hindurch mit den Händen auf der Bettdecke schlafen muß.

      Aber nach und nach widerlegten wir gemeinsam diese blöden Behauptungen – durch theoretische und praktische Experimente. Leider zeigte es sich im Lauf der Zeit, daß wir uns mit einer gnadenlosen Übermacht angelegt hatten: mit dem Herrn und seinen eifrigen Dienern.

      Bei Magnus zu Hause konnten wir nicht Zusammensein. Er war das vorletzte von sechs Geschwistern und teilte sein Zimmer mit einem älteren Bruder. Sein Vater hatte alle Kinderzimmerschlüssel eingezogen; also konnte, auch wenn Magnus’ Bruder nicht da war, jederzeit irgendwer hereinplatzen. Bei mir zu Hause ging alles leichter. Jedenfalls konnte ich meine Zimmertür abschließen. Aber diese Teure-Heimat-Blocks sind ja so verdammt hellhörig, daß wir einfach nicht zu wichsen wagten, wenn meine Eltern da waren. Zum Glück waren sie beide in der Gewerkschaft aktiv, wir hatten also meistens zwei oder drei Abende in der Woche für uns. Wir beide – allein. Ich war schon vorher krank vor Verlangen und Lust. Magnus auch. Was zwischen Magnus und mir entstand, gehörte nur uns, und ich bewachte es wie den kostbarsten Schatz der Welt – das war es ja auch.

      In der Schule redeten wir so wenig wie möglich miteinander. Einfach, weil wir uns sonst verraten hätten. Ich war ganz sicher, wenn jemand gesehen hätte, wie Magnus mich verliebt anlächelte, hätte er sofort gewußt, was Sache war. Ich selber war bestimmt auch wie ein offenes Buch – also mußte ich mich schließen. Die meisten anderen Jungs wichsten zwar

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