Der Irrläufer. Gudmund Vindland

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Der Irrläufer - Gudmund Vindland

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du bist ein kläglicher Tropf. Du machst nur alles für dich kaputt und setzt die gute Meinung der anderen ... ja, vielleicht auch ihre Freundschaft ... aufs Spiel, wenn du dich weiter so aufführst. Ich habe wirklich nichts gegen dich. Ich halte euch beide für nette, nicht zuletzt auch für intelligente junge Männer, und ... wie ich schon gesagt habe ... dieses Haus steht euch offen, wann immer ihr wollt. Und es täte mir weh, wenn ihr dieses Angebot nicht annehmen würdet.»

      Die Worte hingen genauso schwer in der Luft wie der Zigarrenrauch. Dann warf mir Magnus einen langen Blick zu, und mir sackte das Herz in die Hose: Der Junge wollte alles versprechen! Und wenn ich nicht nachgab, konnte ich alles verlieren. Deshalb ging ich den ersten Kompromiß meines Lebens ein: «Das ist schrecklich nett von dir ... Christian. Wir können ja eigentlich sonst nirgendwo hingehen ... Bei uns beiden zu Hause sind so viele neugierige Leute. Bisher haben wir das ja trotzdem geschafft ... Aber es ist sicher gut, wenn wir einen erwachsenen Freund haben, der uns mag und ... respektiert.» Das letzte sagte ich leise und sah dabei meine gefalteten Hände an. An den Knöcheln waren sie blau.

      «Yngve!» sagte der Pastor. «Da machst du mir aber wirklich eine Freude! Jetzt trinken wir auf uns. Auf die drei verschworenen Brüder im Geiste ... und im Fleische. Wir werden noch viel Spaß miteinander haben, und ... By the way, das bleibt doch unter uns, oder? Unsere Privatangelegenheiten gehen niemand anderen etwas an, nicht?»

      «Ja, ganz klar!» Magnus war begeistert.

      Ich nickte beifällig, aber ich traute mich nicht, die beiden anzusehen, denn innerlich schrie ich lauthals Protest.

      Der Pastor füllte unsere Gläser. Vorher mußte Magnus noch ganz schnell seines austrinken. Er hatte noch größere und glänzendere Augen und war so schön, daß es weh tat. Er sah ganz hingerissen aus, aber er war es nicht meinetwegen. Das brachte mich wenigstens auf klare Gedanken: Herrgott, wie leichtgläubig du bist! Mein lieber, unschuldiger Junge, du merkst nicht, was echt ist und was falsch ... Aber das mußt du lernen! Was ist bloß los mit dir?

      Pastor Christian beantwortete mir diese Frage. «Ich bin wirklich beeindruckt von euch Jungen heutzutage. Beeindruckt, weil ihr in bezug auf eure persönliche Entwicklung und in menschlicher Hinsicht schon so weit seid. So weit wie ihr sind natürlich noch nicht alle, ihr gehört ja immerhin zur Elite, und das darf euch auch nicht beunruhigen. Die Gesellschaftsentwicklung deutet darauf hin, daß die Intelligenzija die neue Oberklasse sein wird ...»

      Jawohl, ja. Die Taktik war leicht zu durchschauen. Er lobte die Jugend, besonders uns, über den grünen Klee und brachte Magnus um Sinn und Verstand. Der Junge kapierte einfach nichts. Er saß nur da, glotzte, lächelte und fühlte sich anerkannt – von einem Erwachsenen! Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben. Aber nicht mit mir! Ich wollte mich nicht durch Schmeicheleien oder Überredungskünste zu irgend etwas bringen lassen, und ich wollte nichts von meinem Verhältnis zu Magnus hergeben. Um keinen Preis. Ich war noch nie eifersüchtig gewesen, auch wenn ich jeden Tag meinen Jungen mit einer Menge Leute teilen mußte. In der Schule. Im Jugendclub. Zu Hause bei der Familie. Das war ja ganz natürlich. Aber dieser Pastor hier wollte ihn mir wegnehmen. Er lockte und zog ihn zu sich hin, und ich mußte die Zähne zusammenbeißen und gute Miene zum bösen Spiel machen. Aber in mir wuchs der Haß auf diesen hinterhältigen Bibelprediger. Der Haß war so groß, daß ich Angst vor mir selber bekam.

      Als wir endlich loskamen, konnte ich noch durchhalten, bis wir vom Pastorenhaus aus nicht mehr zu sehen waren. Und dann platzte die Reaktion aus mir heraus. Ich weinte und kotzte.

      Magnus bekam Angst. «Mein Güte, was ist denn los mit dir? Bist du krank? Verträgst du keinen Wein?»

      «Wir dürfen da nie mehr hingehen, Magnus! Er ist gefährlich. Er lügt!»

      «Nein, jetzt übertreibst du. Du warst sauer und fies. Ich finde, er ist okay. Versetz dich doch mal an seine Stelle. Er ist einsam und alleine und ... Pastor und so.»

      «Er mußte ja nicht Pastor werden!»

      «Sag so was nicht. Er muß doch seiner Berufung folgen.»

      «Seiner Berufung, uns zu quälen?»

      «Er hat uns nicht gequält! Was glaubst du, wie es dir einmal geht, wenn du dreißig bist?»

      «Weiß ich doch nicht. Aber ich werde bestimmt nicht versuchen, anderen alles kaputtzumachen, wenn sie zusammen sind und sich mögen. Magnus, du mußt mir glauben! Der Typ ist sicher in Ordnung, aber wir sind wichtiger. Wir müssen alles festhalten, was wir zusammen haben. Wir können nicht mit ihm teilen! Ich kann das nicht!»

      «Das mein ich doch auch nicht. Daß wir mit ihm schlafen sollen ... Aber wir können doch trotzdem nett zu ihm sein. Ihn besuchen und so.»

      «Dann mußt du alleine gehen. Ich kann den Kerl nicht ausstehen. Dir ist doch wohl klar, daß er unheimlich scharf auf dich ist?»

      Im Laternenlicht sah ich, wie Magnus rot wurde. Bei dem Schnee war außer uns niemand auf der Straße. Ich drehte mich um und umarmte ihn. Fühlte seinen Körper durch den dicken Wintermantel. Er legte seine Arme sanft um meinen Hals.

      «Wir dürfen nicht böse aufeinander sein, Magnus. Wir haben doch nur uns.»

      Die Kapuzen unserer Mäntel berührten sich. Es war, als wenn wir in einem Zelt stünden. Ich weinte. Magnus auch.

      «Verzeih mir, Yngve! Ich will doch nur dich. Das weißt du doch. Christian hat mir nur leid getan.»

      «Würdest du mich denn mit irgendwem teilen?»

      «Nein. Um nichts in der Welt.» Zwei Autos fuhren vorbei, während wir uns küßten. Eines hupte.

      Confirmare

      Auf die Dauer wurde der Pastor Christian ganz schön nervig. Er hatte offenbar beschlossen, daß er Magnus um jeden Preis haben wollte, und er zog ihn ganz offen allen anderen Konfirmanden vor. Der Junge wurde zu einer Art Kirchendiener ernannt und mußte jedesmal das Eingangsgebet lesen. Ansonsten sollte er als Christians rechte Hand fungieren. Aber es lief nicht so, wie der Pastor sich das vorgestellt hatte. Es dauerte lange, bis ihm aufging, daß seine Taktik ganz falsch war. Magnus führte alle Aufträge aus, aber nur aus Pflichtgefühl: nicht, weil es ihm gefiel. Die meisten anderen hoffnungsvollen Sünder waren natürlich entzückt, daß sie nichts zu tun brauchten. Mich versuchte der Pastor völlig zu ignorieren, aber trotzdem hatte ich den Hauptgewinn. Das Verhältnis zwischen Magnus und mir wurde nicht davon berührt, daß Christian versuchte, ihn mit Beschlag zu belegen. Wir schlossen uns nur noch enger aneinander. Natürlich paßte ich die ganze Zeit auf wie ein Luchs. Mit der Eifersucht konnte ich gut fertig werden. Ich vertraute Magnus.

      Es war ein schöner Winter.

      Wir besuchten den Pastor nie mehr – zusammen.

      O ja, mit meinem Magnus wuchs ich und wurde stark. In dieser Zeit hatte ich selten Angst. Der Jugendclub kam uns zu trist vor, wir gründeten eine Theatergruppe. Genau das hatte gefehlt. In wenigen Monaten stieg die Mitgliederzahl von sechzig auf hundertdreißig, und jeden Freitag war der Bär los. Wir führten alle Sketche auf, die wir finden konnten, und schafften es immer, eine Menge draus zu machen. Wir hatten einen irren Spaß. Kostüme in allen Varianten erbettelten wir von enthusiastischen Müttern, und unsere Ausgaben für Schminke waren «unverantwortlich hoch», meinten die Verantwortlichen. Von denen gab es viele. Es gab immer ein paar Verantwortliche, die unser Programm zensierten, bevor es zur Aufführung kam. Auf diese Weise konnten sie eine Menge Vergnügen verhindern.

      Aber wir lernten bald, sie zu linken. Wir veränderten unser Programm, wenn wir schon auf der Bühne

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