Der Irrläufer. Gudmund Vindland

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Der Irrläufer - Gudmund Vindland

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fertig war, versuchte ich gar nicht mehr, ihn zu verstehen. So ein gutgemeinter Rat auf dem Weg ins Leben! Ich konzentrierte mich auf den Körperkontakt mit meinem Liebsten. Der Pastor kratzte mich ein wenig auf der Kopfhaut, als er seine Hand wegnahm. Boshaft wie König Christian der Siebte!

      Unser Familienfest war eigentlich schön. Unter normalen Arbeitern macht man nicht soviel Gedöns. Niemand behauptete, ich wäre nun in die Reihen der Erwachsenen eingetreten, und darüber war ich froh. Die Verwandtschaft aß und trank und machte sich einen schönen Tag. Ich dachte viel an Magnus, der jetzt bei seiner Familie sitzen mußte, der Familie mit sauren Betmündern und strammen Haarknoten.

      Mein armer, schöner Junge!

      Ich bekam tausendvierhundert Kronen, und das war klasse. Dafür kaufte ich mir unter anderem meine erste Schreibmaschine.

      Unser Frühling

      Gleichzeitig brach der Frühling los. Der Schnee schmolz, die Birken schlugen aus – und auch wir sprangen auf wie die Knospen. Wir waren fast jeden Tag im Wald. Nahmen unsere Schulsachen mit und taten, als wollten wir Aufgaben machen. Die meisten machten wir übrigens auch – aber zuallererst waren wir zusammen, zusammen, zusammen.

      Wir waren zwei schmusige, heiße Kälber. Wir kletterten und sprangen und hüpften und liebten. Oft konnten wir stundenlang zusammen in einer Höhle aus Fichtenzweigen liegen, oder oben auf dem Stein, nackt in der Hitze der Sonne, und unser liebes Spiel spielen. Wir beobachteten neugierig, wie das Leben sich in der Natur rings um uns Bahn brach – und nicht zuletzt auch in uns selbst. An einem Sonntagmorgen sahen wir eine Schar Graugänse in Formation nach Norden fliegen. Als wir zusammenlagen, sagte Magnus: «Du bekommst ein paar schöne Haare am Arsch.»

      «Hast du schon lange», antwortete ich.

      Das heißt jetzt nicht, daß wir, rein sexuell, technisch besonders avanciert waren. Danach hatten wir noch kein Bedürfnis. Vorläufig war es für uns mehr als genug, daß wir uns nah waren, zusammen, nackt. Der Orgasmus kam ganz von selbst.

      In jeder Hinsicht wuchsen wir zusammen. Es gab keine verbotenen Themen mehr. Wir diskutierten über alles mögliche. Durch die ganze Pubertät hindurch waren wir gleich groß gewesen und näherten uns jetzt beide den eins achtzig. Magnus hatte ein bißchen breitere Schultern als ich, aber sonst waren wir ziemlich gleich. Nicht nur körperlich übrigens – und das ist wichtig: Wir waren gleichgestellt und gleichwertig. Und verliebt. Es war ein Jubelfrühling!

      Magnus schlug ein lockeres Trainingsprogramm vor, um unsere neue Muskulatur richtig zu entwickeln. Ich wies darauf hin, daß wir bei unserer Samenproduktion darauf achten mußten, genügend Proteine abzubekommen. Wir fraßen unheimliche Mengen Eier – und wurden geiler und geiler aufeinander. Seitdem habe ich nie mehr so intensiv gelebt. Magnus auch nicht. Das geht einfach nicht.

      Ich habe mich oft darüber gewundert, wieso in dieser Zeit niemand etwas gemerkt hat. Fast niemand jedenfalls. Wir gingen uns in der Schule nämlich nicht mehr aus dem Weg. Die Antwort ist sicher, daß unser Verhältnis uns so viel Lebensmut und Kraft gab, daß niemand auf die Idee kam, wir könnten etwas «Häßliches oder Falsches» tun. Wir erlebten das, was wir zusammen taten, als das genaue Gegenteil – als schön und richtig –, und deshalb hatten wir im Grunde nichts zu verbergen. Wir hatten keine Angst mehr, entdeckt zu werden, und darum wurden wir auch nicht entdeckt. Außerdem waren wir wegen unseres Theaterspielens ziemlich beliebt und konnten uns allerlei erlauben, ohne ernst genommen zu werden. Einmal trug Magnus mich quer über den Schulhof, während ich heulte und zappelte. So direkt provozierten wir die Vorurteile nur selten. Wir konnten gut mit dem Umarmen warten, bis wir allein im Wald waren. Wir wußten ja beide, daß wir auf etwas Gutes und auch nicht vergeblich warteten.

      Ich war fast nie zu Hause, aber die Familie konnte mir sicher ansehen, daß irgendwas anlag. Daß ich übermütig und froh war und sehr in Anspruch genommen, darüber freuten sie sich dann auch – ohne sich aufzudrängen.

      Nur Harald, mein Bruder, fragte mich direkt. Er war drei Jahre älter als ich und ging auf das Gymnasium. Er war übrigens immer der Kronprinz in der Familie gewesen – tüchtig und strebsam. «Was treibst du eigentlich jetzt? Wir kriegen dich ja fast nie mehr zu sehen.»

      «Ich bin mit Magnus zusammen.»

      «Ja, soviel hab ich auch mitgekriegt. Aber, was macht ihr? Wo treibt ihr euch rum?»

      «Wir haben im Wald eine Lieblingsstelle.» Er sah mich neugierig an, und ich beschloß, ihn zu schockieren. «Du hast doch gesagt, daß du das kapiert hast. Ich bin zusammen mit Magnus. Wir lieben uns.»

      «Jesses!» sagte Harald. Ich dachte: Gleich fällt er vom Stuhl. «Spinnst du? Bist du denn sicher ...? Weißt du überhaupt, was das bedeutet?»

      «Das bedeutet, daß wir uns gern haben und daß wir unheimlich gern zusammen sind. Und du hältst die Fresse, wenn du das so schrecklich findest. Ich hab dir das erzählt, weil du gefragt hast, und nicht, damit ...»

      «Nein, nein, beruhig dich doch, Yngve! Ich erzähl’s nicht weiter, das versprech ich. Es ist nur so ungewohnt für mich, mir meinen kleinen Bruder vorzustellen, wie ...»

      «Mensch! Ewig mußt du in allem das Schlimmste sehen! Du hast wohl noch nie mit einem zusammen gewichst, hm? Oder was?»

      «Doch, ja. Als ich in deinem Alter war, klar. Aber du hast ja gesagt, ihr wärt zusammen. Das klingt so ... so gewaltig.»

      «Ja, ist es auch!»

      «Na gut, mir egal. Aber was ist mit Mädchen? Hast du keine Lust, mit Mädchen zusammenzusein?»

      «Nein, weiß ich nicht. Das ist irgendwie nicht dasselbe.»

      «Nein, das ist was ganz anderes!»

      «Ja, fragt sich bloß, was du da machst. Oder hast du etwa schon oft richtig gefickt?»

      «Nein, sicher nicht. Wenn du ehrlich bist, kann ich’s ja auch sein. Eigentlich hab ich das nur einmal richtig gemacht. Die Mädchen haben zuviel Angst, weil sie dann nicht mehr Jungfrau sind. Aber man kann ja trotzdem zusammenliegen ...»

      «Ganz recht! Genau das machen wir auch.»

      «Was! Du und Magnus ... Macht ihr noch mehr?»

      «Was meinst du denn?»

      «Ach, du weißt genau, was ich meine. Arschficken!»

      «Nein, tun wir nicht, das ist nicht ... nötig. Wir kommen auch so gut klar.»

      «Ihr seid also nicht so widerliche Arschficker?»

      «Genausowenig wie du ein Arschloch!»

      «Jetzt reg dich doch nicht auf, Yngve. Ich mach doch nur Witze.» Harald mußte lachen. «Weißt du, mir fällt was ein. Früher, als ich noch zur Volksschule ging, und vielleicht auch noch später, hab ich geglaubt, daß das neunte Gebot genau davon handelt. Daß es verboten ist, daran zu denken, also, an den Arsch.»

      «Sag bloß! Steht denn auch was davon drin?»

      «Klar. Bei all dem Latein im alten Katechismus. Da steht schwarz auf weiß: ‹Du sollst nicht begehren deines Nächsten Asinus ... ›» Wir lachten, bis wir am Boden lagen. Harald hielt sich den Bauch und brachte stockend heraus: «Für mich ist’s okay, Yngve. Nur den Esel von Johansens aus der fünften Etage darfst du nicht ficken. Den soll er für sich behalten dürfen.»

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