Der Irrläufer. Gudmund Vindland

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Der Irrläufer - Gudmund Vindland

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Wir klärten eine ganze Menge alter Mißverständnisse und beschlossen, daß es langsam Zeit wäre, Freunde zu werden. Als ich gehen mußte, sagte Harald: «Herzlichen Glückwunsch, Yngve. Mach, was für dich am besten ist. Aber sag’s keinem. Nicht mal unseren Alten. Die kapieren das nicht!»

      «Teufel auch, Harald! Hätt ich bloß vorher gewußt, daß ich so einen tollen Bruder hab!» Damit ging ich hinaus in den Maitag, um meinen Jungen zu treffen.

      Übrigens gab es noch einen Menschen, der verstand, was vorging, und das war Magnus’ Mutter. Sie war eine kleine, graue Frau, die immer zu Hause war und sich für ihren respektablen Mann und die sechs Kinder abplackte.

      Einmal blieb ich eine Weile bei ihr in der Küche sitzen, und wir klönten ein bißchen. Sie stand wie üblich am Herd: «Du und Magnus, ihr seid doch jetzt richtig unzertrennlich?» sagte sie plötzlich und drehte sich mir zu.

      Sie hätte uns genausogut im Bett überraschen können, denn ich sah, daß sie alles begriffen hatte. Ich wurde feuerrot und konnte sie nur anstarren. Sie hatte einen putzigen Ausdruck im Gesicht – als ob sie sich amüsierte –, und dann lächelte sie aufmunternd und sagte eindringlich: «Aber, Yngve, nein! Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Du darfst ruhig wissen, daß ich mich freue, daß ihr zusammen seid. Ich merk es Magnus an, daß es ihm gutgeht, und das kann ich von den anderen im Haus nicht sagen ... leider. Ich mag dich wirklich sehr, Yngve, also bleibt ruhig zusammen. Solang ihr könnt.»

      Ich mußte einen dicken Kloß hinunterschlucken und sagte nur: «Vielen Dank.»

      Und in dem Moment kam Magnus herein: «Ich bin fertig. Gehen wir?»

      Die Mutter lächelte und sagte hinter uns her: «Aber seid ein bißchen vorsichtig, Jungs.»

      Das ist der schönste Segen, der mir je zuteil geworden ist. Als ich das Magnus erzählte, freute er sich: «Sie erzählt das bestimmt nicht dem Alten. Sie hat uns immer gegen ihn unterstützt. Aber trotzdem bestimmt immer nur er.»

      Und das stellte sich als schrecklich wahr heraus.

      Inzwischen gingen wir in die erste Realschulklasse und schafften es, genug Zeit für die Hausaufgaben abzuzweigen. Beim Examen am Ende des Schuljahres hatten wir keine Probleme und bekamen gute Noten. Aber trotz allem geschahen im Wald wichtigere Dinge. Wir hatten nämlich eine neue Stelle entdeckt. Nachdem wir einem großen Bach einige Kilometer lang durch ziemlich unwegsames Gelände gefolgt waren, standen wir auf einmal oben an einem glitzernden Wasserfall. Ungefähr fünf bis sechs Meter hatte das Wasser freien Fall, und es hatte sich im Lauf der Jahre eine tiefe Kuhle gegraben, in der Forellen standen. Wir haben nie versucht, sie zu fangen. Statt dessen lebten wir mit ihnen zusammen. Mit den Fischen und den Vögeln – und einer Kreuzotternfamilie, die zuerst in unser Paradies gekommen war. Sie blieben im Geröll auf der Sonnenseite, und wir respektierten ihren Bereich. Wir haben nie andere Menschen in der Nähe gesehen.

      «Sollen wir ihn Sündenfall taufen?» fragte ich und küßte Magnus vorsichtig unterm Ohr. Aber das gefiel ihm nicht, dem Armen – der Name, wohlgemerkt.

      «Können wir ihn nicht lieber Segen nennen, oder Liebesdusche oder so was?»

      Klar konnten wir das – und wir machten dem Namen keine Schande. Dort schwammen und spielten wir zusammen. Dort liebten wir uns bei Sonnenschein, Regenwetter und Mondschein. Dort verwuchsen wir zu einer Einheit, die nie hätte getrennt werden dürfen. In der ersten Woche der Sommerferien zogen wir dorthin, mit dem Zelt und einem Schlafsack für jeden – um den Schein zu wahren. Wir haben immer nur in einem geschlafen. Wir lebten so einfach wie möglich, mit einer Feuerstätte, einer Bratpfanne und zwei Kochtöpfen. Tagsüber machten wir Wanderungen, angelten ein bißchen und waren ein Teil von der Erde um uns und dem Himmel über uns.

      In der Mittsommernacht blieben wir die ganze Nacht auf und redeten. Über die Welt, das Christentum und unsere Zukunft. Wir waren uns einig, daß unser Verhältnis, und was wir zusammen machten, unmöglich eine Sünde gegenüber Gott sein konnten. «Nein, und das hat ja sogar Christian gesagt», erinnerte sich Magnus.

      «Ach, red doch nicht von dem! Er hat ja trotz allem auch noch ganz andere Sachen gesagt.»

      «Ja, aber was er über Jesus und Johannes gesagt hat: ‹Der, den Jesus liebte?›»

      «Ja, sicher. Wir wollen’s wirklich hoffen, daß sie sich liebten, so wie wir. Daß sie es genauso gut zusammen hatten und sich genauso gerne mochten. Aber ganz sicher werden wir das bestimmt nie erfahren. Wir können das ja nicht beweisen. Sicher ist jedenfalls, daß wir zusammen sind und daß das gut und richtig ist. Gott weiß das und segnet uns.»

      «Komm», sagte Magnus, «wir gehen rauf und sehen uns den Sonnenaufgang an. Wenn Gott etwas gegen uns hat, kann er uns ja ein Zeichen geben.»

      Und Gott gab uns ein eindeutiges Zeichen: Er ließ seine Sonne aufgehen und über Gerechte und Ungerechte scheinen. Das goldene Licht ließ die Welt erglühen, und wir standen mitten in der Welt und glühten mit. Wir entblößten uns vor Gottes Sonne und empfingen das lebensspendende Licht. Ich habe nie etwas so wunderbar Schönes gesehen wie Magnus an jenem Morgen. Und dann empfingen wir einander. Legten uns in das glühende Heidekraut und spielten sanfte Liebesmelodien – Gott ist die Liebe. Dort im Heidekraut bliesen Magnus und Yngve einander zum ersten Mal. Und auch das glühte. Gott lächelte gerührt auf uns herab – und mußte schlucken.

      Ein paar Tage danach verlobten wir uns. Nicht mit Ringen – aber mit Halsketten. Ich wollte, daß wir einander ein Herz geben sollten, aber wegen seiner Familie durfte Magnus das nicht. Deshalb hängte ich meinem Jungen ein Kreuz um den Hals.

      Er gab mir ein Herz aus Gold.

      Magnus als Kreuzritter

      Am ersten Clubabend nach den Ferien war unheimlich viel los. Sozusagen als ganz besonderen Aperitif hatte die Leitung ein junges Ehepaar aus Norwegens christlichem Jugendbund eingeladen, das der ganzen Sache zusätzlichen Glanz verleihen sollte. Nach ihrer Hochzeit im Frühling hatten sie den Sommer in Frankreich verbracht. Sie beglückten uns mit einer feierlichen Diaplauderei, in der mindestens sechzig Kathedralen und Kirchen vorkamen, aber kein Tropfen Rotwein und nicht auch nur ein Käsekrümel.

      Als endlich unsere Theatergruppe an die Reihe kam, hatten Frode und ich längst erkannt, was hier not tat, damit ein bißchen Witz in die Sache kam: Der Schneider und das Pusterohr auf französische Art. Frode mit Baskenmütze, Schnurrbart und wahnsinnigem gallischen Temperament. Ich mit pomadigem, glattgelecktem Haar, französischer Aussprache und einer Menge Spitzen. Es kam natürlich ganz toll an. Schon kurz nach dem Anfang heulte das Publikum vor Begeisterung. Ich glaube, wir hatten es an diesem Abend so leicht wie richtige Schauspieler im Kabarett, obwohl wir nicht ein einziges Mal «Arsch» sagen durften. Aber das war eigentlich auch gar nicht nötig. Unser Sketch artete zu einer wilden Eierschlacht auf der Bühne aus, bevor es den Verantwortlichen gelang einzuschreiten. Riesenerfolg.

      Ich sah, wie die junge Predikantenfrau nach Herzenslust lachte und applaudierte.

      Danach sollte sie die Andacht halten – aber irgendwie war sie nicht so ganz bei der Sache. Sie versprach sich ein paarmal, und dann passierte etwas Unerwartetes; sie sollte Christus am Kreuz zitieren: «Da wandte Jesus sich dem Schächer zu und sprach: Wahrlich, ich sage dir, noch heute bist du mit mir in Paris!» Sie fuhr entsetzt zusammen und schlug die Hand vor den Mund, während der Saal in Gelächter ausbrach. Sie verlor die Nerven. Frode und ich waren gerade aus dem Hinterzimmer gekommen und standen in der Tür, zusammen mit dem Pastor Christian und ihrem Mann. Sie kam auf uns zugelaufen, das Gesicht in den Händen versteckt.

      «Los, rein hier, schnell!» zischte der liebende

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