Mein geniales Leben. Jenny Jägerfeld
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Lächelnd drehte sie sich zu mir um.
»Jedenfalls ist das Bild bestens dafür geeignet, das Loch in der Wand damit abzudecken! Im Flipperzimmer. In deinem Zimmer, meine ich!«
»Perfekt«, sagte ich.
Ich streckte die Hand aus, berührte die Harpune vorsichtig. Das Holz unter meinen Fingern war blankpoliert und seidenweich.
»Oma, kannst du mir fünfhundert Kronen leihen? Du kriegst sie gleich zurück, wenn wir nach Hause kommen.«
»Fünfhundert! Ganz schön überteuert! So ein Wucherer! Er kriegt höchstens dreihundert.«
»Ich stehe hier«, sagte der Mann. »Ich höre alles.«
Ich wusste nicht genau, was Wucherer bedeutet, aber mir war klar, dass es nichts Gutes war.
»Sagen Sie mal«, sagte Oma und sah dem Verkäufer direkt in die kleinen Hemdknopfaugen. »Ist das hier eine magische Harpune?«
»Äh … nein.«
»Bekommt man als Dreingabe ein Motorrad?«
Der Mann hob fragend die Augenbrauen.
»Hat die Harpune etwa irgendwann mal Jesus gehört? Nein? Na dann! Ich gebe Ihnen dreihundert«, sagte Oma und begann in ihrer goldglitzernden Handtasche zu kramen.
Sie zog eine Brieftasche heraus und knallte drei Hunderter auf den überladenen Tisch. Drei Hundertkronenscheine, die sofort von einem Windstoß aufgefangen wurden und rasch durch die Luft davonwirbelten.
»Oh dear!«, schrie Oma. Ich rannte hinter den Scheinen her, die natürlich in drei verschiedene Richtungen davonflatterten. Als es mir gelang hochzuhüpfen und einen der Hunderter in der Luft zu fangen, war ich von mir selbst recht beeindruckt. Ich glaube, ich bin noch nie so hoch gesprungen! Ich musste an den Wettkampf in Leichtathletik denken, den wir vor einem Monat in meiner alten Schule gehabt hatten. Wie ich im Hochsprung die Latte schon bei siebzig Zentimetern gerissen hatte. Mein Sportlehrer hatte geseufzt und gesagt: »Was machen wir nur mit dir, Sigge? Hör auf zu denken! Spring einfach! Vergiss deinen Kopf und überlass alles deinem Körper!«
Jetzt hatte ich die Antwort! Geld! Wenn mein Lehrer auf der anderen Seite dieser stinkenden Turnmatte mit einem Hunderter gewedelt hätte, wäre ich mühelos mindestens über eins zwanzig rübergeflogen!
»Hör auf zu denken« ist übrigens einer der schlechtesten Ratschläge, die ich je bekommen habe. Ich hab es versucht, aber es ist einfach unmöglich, mit dem Denken aufzuhören.
Der zweite Hunderter war in einem stachligen Gestrüpp hängen geblieben und ließ sich leicht abpflücken, aber der dritte war davongeflogen und verschwunden.
»So. Ich hab es mir anders überlegt. Sie bekommen zweihundert«, sagte Oma, als das finanzielle Chaos sich gelegt hatte.
»Mindestens vierhundert will ich haben«, sagte der Mann.
»Sie bekommen zwei.«
»Dreihundertfünfzig.«
»Zwei.«
»Dreihundert.«
»Gebongt«, sagte Oma, nahm die Harpune vom Tisch und reichte sie mir.
Ich stellte erstaunt fest, wie schwer sie war, und wurde von einem so starken Glücksgefühl erfüllt, dass mir tatsächlich Tränen in die Augen kamen.
»Aber den letzten Hunderter müssen Sie sich selbst holen. Der ist irgendwo dort drüben«, erklärte Oma und wedelte mit ihrer ringgeschmückten Hand vage in Richtung Horizont.
NOCH 58 TAGE
WENN DIE HÖLLE ZU EIS GEFRIERT
»Du musst dir die Haare schneiden lassen«, sagte Mama.
»Nein, muss ich nicht.«
»Auf jedem Foto, das ich seit Mittsommer von dir gemacht habe, hängen dir die Haare übers Gesicht! Man sieht ja gar nicht mehr, wie du aussiehst!«
»Du weißt doch, wie ich aussehe?«
Ich saß auf dem Fußboden und bohrte meine Finger in Einsteins weiches Fell. Kraulte ihn hinter den Ohren und beobachtete, wie er genießerisch die Augen schloss, wie er den Kopf zurücklehnte und die große schwarze Schnauze in die Luft streckte, als wäre er ein Wolf, der gleich losheulen wollte.
»Man sieht deine Augen nicht mehr«, beschwerte Mama sich.
Rein technisch gesehen hatte sie nicht recht. Sie hätte sagen sollen: Man sieht dein Auge nicht mehr. Das andere Auge war nämlich ohne Weiteres zu sehen. Ich hatte die Haare schräg abgeschnitten, sodass sie mir nur über das eine Auge fielen.
Mama wischte sich die Hände an der Schürze ab und versuchte es auf die sanftere Tour:
»Und dabei hast du so schöne Augen.«
»Mhmm.«
»Darf man die denn nicht sehen?«
»Heißt das, du würdest mich in Ruhe lassen, wenn ich hässliche Augen hätte?«
Plötzlich ging die Küchentür auf und Oma trat ein, eine Zigarette im Mundwinkel und ein ausgestopftes Wiesel unterm Arm. Sie sah sich um, als würde sie etwas suchen, und stellte dann das Wiesel auf der Spüle ab.
»Also bitte, liebste Charlotte«, sagte Mama mit angeekelter Miene. »Musst du dieses räudige Vieh unbedingt hier abstellen, wenn ich beim Kochen bin?«
»Geduld, Darling! Ich will nur das Nähzeug holen. Hast du es irgendwo gesehen?«
Oma warf die Kippe ins Spülbecken und öffnete die Tür zur Speisekammer.
»Nein, und dort wird es ja wohl kaum zu finden sein.«
»Pavlovs Kopf ist oben ein bisschen aufgeplatzt. Ich brauche Sattlergarn oder sonst was Kräftiges, vielleicht eine Art Faden aus Metall? Dieser Faden, den du neulich besorgt hast, hat meinen Erwartungen nämlich nicht entsprochen.«
Oma beugte sich vor wie ein Klappmesser und öffnete einen Schrank, den sie durchwühlte. Ich glaube, sie kann gar nicht in die Hocke gehen. Jedenfalls habe ich das noch nie beobachtet.
»Tut mir echt leid«, sagte Mama säuerlich.
»Das war keine Kritik, Darling, das war nur eine Information.«
Ich trat vor zu Pavlov dem Wiesel und berührte vorsichtig seinen Kopf an der Stelle, wo die weißgraue flauschige Füllung hervorquoll, als würde sein Gehirn aus Fusseln bestehen. Mama hackte mit hastigen, gereizten Bewegungen weiter Zwiebeln und sagte:
»Jedenfalls habe ich morgen einen Termin zum Haareschneiden für dich ausgemacht.«
»Den