Mein geniales Leben. Jenny Jägerfeld

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Mein geniales Leben - Jenny Jägerfeld

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aus beigefarbenem Kunststoff, und die Gläser sind so dick wie Flaschenböden und vergrößern die Augen ganz gewaltig. Ich sehe wie ein Minion aus, wenn ich die Brille aufhabe. Sorry. Ich mache Witze, das mach ich meistens, wenn ich über mein Schielauge spreche, aber eigentlich möchte ich nur heulen. Denn soll ich euch ein Geheimnis verraten? Ich würde später am liebsten mal fürs Fernsehen arbeiten. Als Moderator für zum Beispiel Die Tierklinik. Oder noch lieber für irgendeine Sendung, die mit Erfindungen zu tun hat. Wo Kinder sich Ideen für lustige Maschinen oder Apps ausdenken und sie dann auch ausführen dürfen. Aber habt ihr jemals einen schielenden Fernseh-Moderator gesehen? Nein. Das habt ihr nicht. So jemand kriegt beim Fernsehen nämlich keinen Job. Der muss denn eben beim Rundfunk arbeiten oder in irgendeinem beschissenen Büro, wo ihn niemand sieht. Das ist der Grund, warum ich mir die Haare bis weit übers Auge hab wachsen lassen – weil ich mein Auge verbergen will. Lieber hacke ich mir mit einer Axt ins Bein, als dass ich mir die Haare schneiden lasse.

      NOCH 57 TAGE

      GUJKE UND JELLYBEANS

      Vor ICA, dem Supermarkt, nahm Oma einen Einkaufswagen und setzte Bobo hinein. Bobo wollte nie im Kindersitz sitzen, sondern immer ausgerechnet im Warenkorb. Oma rannte ein paar Schritte, dann hängte sie sich über den Wagen und hob die Füße hoch. So rollten sie in den Laden. Bobo lachte laut. Ich folgte in einigem Abstand. Es war ein bisschen peinlich, aber eigentlich kannte ich ja niemanden hier. Noch nicht. Oma dagegen kannte viele. Jedenfalls begrüßte sie jeden, der vorbeiging. Manche grüßten zurück, andere glotzten nur. Ich sah, wie sie einander etwas zuflüsterten. Aber so was lässt Oma kalt.

      »Es gibt nur eine Sache auf der Welt, die schlimmer ist, als dass die Leute über dich reden, und zwar, dass sie nicht über dich reden«, hat Oma einmal bemerkt.

      Wer Oma einmal begegnet ist, vergisst sie nicht so schnell. Sie sieht nicht unbedingt wie eine ältere Dame um die fünfundsechzig aus. An diesem Tag trug sie eine enge schwarze Hose aus Leder, hochhackige grüne Schuhe und eine Bomberjacke mit Silberpailletten. Lange graue Haare, mindestens fünf klirrende goldene Ketten um den Hals und roten Lippenstift.

      »So«, sagte Oma, als sie die Füße wieder auf den Boden gestellt hatte. »Was brauchen wir?«

      Bobo deutete auf die Erdbeeren.

      »Erdbeeren, ja, die brauchen wir dringend«, bestätigte Oma.

      Bobo deutete auf eine dunkelgrüne Wassermelone, die fast so groß war wie ein Strandball.

      »Eine Wassermelone, die brauchen wir auch!« Oma wuchtete die Melone in den Wagen, wo sie mit einem schweren Plumps zwischen Bobos Beinen landete.

      Ich fand es super, mit Oma einzukaufen. Das fanden wir alle, Majken und Bobo auch. Darum begleiteten wir Oma jedes Mal, wenn sie einkaufen ging. Majken, die ohne Weiteres den Titel »die flinkste Maus Schwedens« hätte gewinnen können, war schon in den Laden vorausgerannt. Wahrscheinlich stand sie jetzt bei den Süßwaren vor den Behältern mit den losen Süßigkeiten und futterte die Bonbons, die auf den Boden gefallen waren. Das machte sie oft. »DIE WERDEN JA SOWIESO WEGGEWORFEN!«, erklärte sie dann. Mama drehte fast durch, wenn Majken sich so benahm, aber Oma schien das kein bisschen zu stören.

      Oma schreibt nie eine Liste, bevor sie zum Einkaufen fährt, sondern kauft einfach, was ihr gerade einfällt. Das finden wir ganz besonders toll. Mama dagegen hat immer eine äußerst wohlüberlegte Liste dabei. Die Sachen, auf die sie verzichten kann, falls es zu teuer wird, stehen in Klammern. Auf keinen Fall kauft sie etwas, das nicht auf der Liste steht, da kann man noch so viel betteln. Vor allem jetzt nicht, wo sie arbeitslos ist. Aber Oma braucht man gar nicht erst zu fragen. Man legt einfach das, was man haben will, in den Einkaufswagen. Und solange keine komischen Zusätze auf der Verpackung stehen, so was wie E-314 oder so, kauft Oma es.

      Natürlich war ich früher schon mal in diesem Laden gewesen, aber immer nur, wenn wir Oma besucht hatten. Jetzt dagegen würden wir ja hier wohnen und in Zukunft immer in genau diesem Supermarkt einkaufen. Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an all die leckeren Sachen dachte, die es bei uns zu essen geben würde.

      Das war ein weiterer Punkt auf meiner Liste über die Vorteile unseres Umzugs. PUNKT 1: Ein eigenes Zimmer. PUNKT 2: Nach Herzenslust einkaufen dürfen. Aber am wichtigsten war PUNKT 3: Neuanfang.

      Der Umzug nach Skärblacka bedeutete nämlich auch: Ich würde mich selbst rebooten können. Ein neuer Mensch werden. Ich hatte vor, beliebt zu werden. Unglaublich beliebt. Die Leute sollten bei meinem Anblick kreischen und ohnmächtig umfallen, ich wollte Autogramme schreiben, meine Fans sollten Selfies mit mir machen und dann kichernd davonrennen. Ich wollte werden wie Kanye West oder Beyoncé. Okay, das war vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen. Ich wäre ja schon zufrieden, wenn ich mit anderen Leuten reden könnte, ohne wie ein Freak angegafft zu werden. Oder wenn ich im Sportunterricht in eine Mannschaft gewählt werden würde. Es wäre auch nicht schlecht, wenn die anderen mir ab und zu zuhören würden, oder wenn sie sich im Speisesaal mal neben mich setzen wollten.

      Das war in Stockholm nicht unbedingt der Fall gewesen. An und für sich hatte ich in Stockholm einen Freund gehabt, Valter, aber wenn ich etwas sagte, hatte er nicht direkt übertrieben aufmerksam zugehört. Manchmal waren wir nach der Schule zusammen nach Hause gegangen. Hatten uns dann und wann ein paar SMSe geschickt und ein seltenes Mal am Wochenende getroffen. Aber wenn ich ehrlich sein soll, glaube ich, er war vor allem darum mit mir zusammen, weil er sonst keinen Freund hatte, und nicht, weil er mich so unglaublich cool fand.

      Mama behauptet immer, ich sei »ein einmaliger Junge«, ich sei »anders« und »speziell«. Aber eigentlich ist das wohl nur eine freundlichere Art zu sagen, dass ich irgendwie komisch bin.

      Ich hatte genau sechzig Tage Zeit, um ein neuer Mensch zu werden. Oder inzwischen eher siebenundfünfzig Tage. Dann waren die Sommerferien zu Ende und ich würde in meiner neuen Schule anfangen. In der Mosstorpschule. Klar, es würde nicht einfach werden, das eigene Leben in siebenundfünfzig Tagen zu verändern, aber total unmöglich dürfte es eigentlich auch nicht sein. Wenn man zum Mond fliegen kann, sollte man doch auch beliebt werden können? Oder?

      Wir hatten die Gemüseabteilung noch nicht einmal hinter uns gelassen, als Bobo bereits in den vielen Wassermelonen, Salatköpfen, Maiskolben und Erdbeerkartons zu ertrinken drohte, die Oma in den Wagen gelegt hatte.

      »Gujke!«, rief Bobo und deutete eifrig auf einen großen Berg Gurken.

      Bobo liebt Gurken, und das ist ehrlich gesagt auch eines der wenigen Wörter, die sie wirklich sagen kann. Für jemand, der im Dezember vier wird, ist das vielleicht nicht gerade eine Meisterleistung, aber wir freuen uns jedes Mal, wenn sie überhaupt spricht. Bobo liebt Gurken mehr als alles auf der Welt. Oder, nein, am meisten liebt sie natürlich Mama und Majken und mich. Aber dann kommen bestimmt Gurken. Manchmal glaube ich fast, sie liebt Gurken mehr als ihren eigenen Vater.

      Bobo und Majken haben einen anderen Vater als ich. Svedrik. So heißt er. Hast du Fredrik gesagt? Nein, Svedrik! Und auch wenn Svedrik in Bobos und Majkens Leben häufiger präsent ist als mein Vater in meinem eigenen Leben (nachdem ich meinen Vater exakt null Mal getroffen habe), würde er wohl nicht gerade zum Vater des Jahres nominiert werden. Svedrik ist nett und immer gut gelaunt und umarmt einen wie ein großer lieber Bär. Aber irgendwie fehlt bei ihm die action. Er findet viele Dinge extrem schwierig. Sich einen Job zu besorgen, zum Beispiel. Den Abwasch zu machen ebenfalls. Und aufzuräumen. Und Essen zu kochen. Und einzukaufen und Bobo die Windeln zu wechseln und überhaupt von der Couch aufzustehen, um Majken von der Schule oder Bobo von der Vorschule abzuholen. Schließlich wurde es Mama zu dumm. Sie musste mehr oder weniger alles allein erledigen. Sie erklärte, es sei, als wäre sie die Mutter von vier Kindern, nur

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