Das einfache Leben. Ernst Wiechert

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Das einfache Leben - Ernst Wiechert Klassiker bei Null Papier

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Mu­tes über­ste­hen zu kön­nen.

      »Hei­ßen Orla?« frag­te die hei­se­re Stim­me, die die Wor­te wie aus ei­ner Ge­wehr­mün­dung her­vors­tieß.

      »Ja­wohl, Herr Ge­ne­ral.«

      »Ge­dient?«

      »Ja­wohl, Herr Ge­ne­ral.«

      »De­ko­riert?«

      »Ja­wohl, Herr Ge­ne­ral.«

      Eine klei­ne Pau­se trat ein, in der der Ge­ne­ral fort­fuhr, sei­nen Be­su­cher gleich­sam durch­boh­rend zu be­trach­ten, nicht etwa aus Miss­trau­en, son­dern aus ei­ner al­ten Übung, die sich ihm vor der er­starr­ten Front un­zäh­li­ger Sol­da­ten­ko­lon­nen als nütz­lich er­wie­sen ha­ben moch­te. Tho­mas war über­zeugt, dass er ein Wai­sen­kind oder ein neu­ge­bo­re­nes Kalb im Stall auf ge­nau die glei­che Wei­se zu be­trach­ten pfleg­te, blieb also un­ver­än­dert in sei­ner gu­ten Hal­tung und wich den blau­en Blit­zen nicht für eine Atem­län­ge aus.

      »Gru­ber er­zählt«, fuhr die hei­se­re Stim­me fort, »Steu­er­mann, Ska­ger­rak und der­glei­chen. Miss­trau­isch ge­gen al­les See­fah­ren­de. An­fang mit Schan­de ge­macht. Hof­fe, Re­gel durch Aus­nah­me be­stä­tigt se­hen. Hier nur brau­chen, was in Ge­sin­nung und Hal­tung zu­ver­läs­sig. Zu … ver … läs … sig! Ver­stan­den?«

      »Ja­wohl, Herr Ge­ne­ral.«

      »Gut … Vor­gän­ger Esel. Gü­ter­tei­lung, Welt­frie­de, rote Fah­ne und der­glei­chen. Kein Lump, aber Esel. Auf Bar­ri­ka­den fal­len. Glo­rio­se Zei­ten für Lum­pen und Esel. In­sel Stütz­punkt Was­ser­sei­te. Vor dem Fein­de fal­len, wenn nö­tig, ver­stan­den?«

      »Ja­wohl, Herr Ge­ne­ral.«

      Nach die­ser Ver­si­che­rung ent­spann­te das dro­hen­de Ge­sicht sich ein we­nig, und eine zwei­te Pau­se trat ein, in der Tho­mas sich zu er­in­nern ver­such­te, wel­cher der preu­ßi­schen Kö­ni­ge die­se Re­de­wei­se ge­liebt hat­te. Doch be­gann nun, als er des wei­te­ren Ver­lau­fes si­cher war, die In­sel sich wie­der zwi­schen sei­ne Ge­dan­ken zu schie­ben, und un­ver­mit­telt über­kam ihn nach die­sen ru­he­lo­sen und von frem­den Bil­dern über­la­de­nen Ta­gen das war­me Ge­fühl tröst­li­cher Ge­bor­gen­heit, eine glück­li­che Mü­dig­keit, die da­nach ver­lang­te, den Schein des Herd­feu­ers auf den dunklen Boh­len zu se­hen und den Wind um das Rohr­dach ge­hen zu hö­ren.

      Zu­vor aber hat­te er noch ein­mal sei­ne Wor­te mit Be­dacht zu wä­gen, um die et­was zö­gern­den Fra­gen des Ge­ne­rals nach Schul­bil­dung, Rei­sen und Fa­mi­li­en­ver­hält­nis­sen zu be­ant­wor­ten; emp­fing dar­auf sei­ne Dienst­an­wei­sung, die sich auf den Jagd­schutz er­streck­te, und un­ter­schrieb schließ­lich den kur­z­en Ver­trag, den sein Bro­therr nach ei­nem al­ten, schon ver­gilb­ten Mus­ter mit großen, al­ter­tüm­li­chen Buch­sta­ben auf­setz­te und ihm hin­schob.

      Tho­mas las, was er an Rech­ten und Pf­lich­ten be­sit­zen wür­de, an Geld­lohn und »Na­tu­ra­li­en«, er­fuhr, dass Mehl, Kar­tof­feln und Win­ter­obst ihm zu­stän­den, wo­bei er das letz­te be­son­ders be­mer­kens­wert fand, dass »ein grau­er Fi­scher­rock nebst ei­nem Paar Was­sers­tie­feln, so bis über die Knie zu zie­hen«, ihm jähr­lich zu­kämen und dass er »al­le­zeit in Treue zu sei­ner Herr­schaft zu ste­hen« habe, wie auch die­se ge­lob­te, ihn »in Be­dürf­nis­sen des Lei­bes und der See­le gut und ge­ach­tet zu hal­ten«. Schi­en ihm also, als er dies lang­sam ge­le­sen hat­te, dass der Ver­trag wohl aus der Zeit je­nes wort­kar­gen Kö­nigs stam­men moch­te, dass aber gleich­wohl Rüh­ren­des in die­sen al­ten Wen­dun­gen lie­ge, mehr als er sonst in Ver­trä­gen mit Haus­wir­ten oder Mie­tern er­fah­ren hat­te, und als er noch ein­mal, be­vor er die Fe­der an­setz­te, in die Au­gen des al­ten Man­nes sah, wuss­te er, dass die­ser Ver­trag noch nie­mals mit bes­se­rem Wil­len und viel­leicht auch mit tiefe­rer Be­rech­ti­gung un­ter­schrie­ben wor­den war als eben nun.

      Eine fes­te, brei­te Hand streck­te sich ihm über die Tisch­plat­te ent­ge­gen, und als er auf­sprang und sie er­griff, war es ihm, als könn­te er für die­sen al­ten, wun­der­li­chen Mann, um den eine ver­gan­ge­ne Zeit gleich­sam wie eine Rüs­tung stand, gern, »wenn nö­tig«, vor dem Fein­de fal­len.

      »Gute Hal­tung!« sag­te die dro­hen­de Stim­me. »Gleich ge­sehn. Gut aus­kom­men.«

      Sie tra­ten an den Ge­wehr­schrank, und der Ge­ne­ral zeig­te ihm die klei­ne Büch­se und Dop­pel­flin­te, die er ihm ins Forst­haus schi­cken wer­de. »Dem Esel ab­ge­nom­men«, sag­te er. »Auf Ei­che ge­stan­den und auf ›Blut­sau­ger‹ ge­war­tet. Bei ar­men Leu­ten Auge mal zu­drücken, bei Lum­pen Fin­ger krumm ma­chen! Den­ken, dass Ei­gen­tum auf­ge­hört hat. Zucht und Ord­nung hal­ten! Selbst dar­in groß ge­wor­den. Sol­dat blei­ben auch im Fi­scher­rock, ver­stan­den?«

      »Ja­wohl, Herr Ge­ne­ral.«

      Sie ver­ein­bar­ten, dass Tho­mas den Dienst in vier­zehn Ta­gen an­tre­ten soll­te, mit dem Fisch­fang aber nicht vor dem Mai zu be­gin­nen sei. »Mal auf In­sel be­su­chen«, schloss der Ge­ne­ral und streck­te noch ein­mal sei­ne Hand aus. »Kein Welt­meer her­um, aber gu­tes Was­ser. Nicht schlech­tes­te De­vi­se: ›Ich dien.‹«

      Dann war Tho­mas ent­las­sen. Der fri­de­ri­zia­ni­sche Rie­se lehn­te schwer­mü­tig an der Ka­no­nen­mün­dung, und Tho­mas hat­te ihn im Ver­dacht, mit sei­ner Nase be­schäf­tigt ge­we­sen zu sein. Doch half er ihm freund­lich in den Man­tel.

      »Un­be­quem?« frag­te Tho­mas und deu­te­te auf die Uni­form.

      »Nein, Herr, bloß im Dorf ru­fen sie ›Kas­per­le‹ und schmei­ßen mit Pfer­de­äp­peln.« Er lä­chel­te me­lan­cho­lisch und be­glei­te­te den Gast zur Tür.

      »Ja­woll, Herr, und ich krie­ge sie schon noch ein­mal!«

      Als er die Tür öff­ne­te und Tho­mas hin­austrat, kam ein schwarz­ge­klei­de­tes Mäd­chen die Stein­trep­pe her­auf­ge­stie­gen. Es war viel­leicht drei­zehn Jah­re alt, hielt sich sehr ge­ra­de und warf eben mit ei­ner Kopf­be­we­gung das Haar zu­rück, das ihm lose bis auf die schma­len Schul­tern fiel. Ein jun­ger, ha­ge­rer Mann mit ei­ner Bril­le, eben­falls in Schwarz ge­klei­det, be­en­de­te eben einen Satz, aus dem Tho­mas ent­nahm, dass von der Stel­lung der ger­ma­ni­schen Frau im Al­ter­tum die Rede ge­we­sen war.

      Bei­de blie­ben ste­hen und sa­hen Tho­mas an, der jun­ge Mann zer­streut und noch mit sei­ner Be­weis­füh­rung be­schäf­tigt, das Mäd­chen auf­merk­sam und ohne Ver­le­gen­heit.

      Tho­mas woll­te mit ei­ner leich­ten Ver­nei­gung zur Sei­te tre­ten, doch blieb er ste­hen, nahm den Hut ab

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