Das einfache Leben. Ernst Wiechert

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Das einfache Leben - Ernst Wiechert Klassiker bei Null Papier

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      Das Haus war dun­kel, und Tho­mas stieg mit ei­ner Ker­ze die Trep­pe hin­auf.

      »Ne­ben­an war sein Zim­mer«, sag­te Gru­ber. »Sie lässt kei­nen hin­ein. Aber es ist ganz still dort, und Sie brau­chen sich nicht zu fürch­ten.«

      Tho­mas stand noch am of­fe­nen Fens­ter. Nein, er fürch­te­te sich nicht. Al­les wür­de gut sein, wie er es ge­se­hen hat­te. Er wuss­te, dass es auf ihn ge­war­tet hat­te, sonst wür­de er ja wei­ter­ge­fah­ren sein, die brei­te Stra­ße zur Stadt. Man muss­te nur ge­hor­sam sein.

      Er ließ das Fens­ter of­fen und sah noch im Dun­keln zur nied­ri­gen Zim­mer­de­cke auf. Der große Vo­gel … wie er die schwe­ren Flü­gel ge­öff­net hat­te … und dann wie­der in Schlaf ver­sun­ken war … der Mond fiel in ihre ge­schlos­se­nen Au­gen … die Ster­ne kreis­ten … al­les war gut und ru­hig dort … er woll­te aus­stei­gen dort und ar­bei­ten … nie war er al­lein ge­we­sen … Schif­fe, Men­schen, Häu­ser … er hat­te kei­nen Ehr­geiz mehr und we­nig Glau­ben … wie ein Ge­schwätz … aber dort woll­te er sich be­re­den, so ein­sam wie die großen Vö­gel …

      Dann schlief er ein.

      Er er­wach­te da­von, dass der Re­gen auf das Dach rausch­te und dass ne­ben­an, hin­ter der dün­nen Wand, je­mand ging. Er er­riet es nur dar­aus, dass in re­gel­mä­ßi­gen Ab­stän­den eine Die­le lei­se knarr­te. Es war ein seuf­zen­der Ton, als wenn im Wal­de zwei Bäu­me sich an­ein­an­der rie­ben. Ein ganz schwa­cher Schein stand schon hin­ter dem Fens­ter, aber es muss­te noch Nacht sein. Die Din­ge des Zim­mers zeig­ten noch kei­nen Um­riss.

      Er rich­te­te sich auf und lausch­te. Die Schrit­te mus­s­ter lang­sam und ganz re­gel­mä­ßig sein, auch glaub­te er, als seir Atem ru­hi­ger ging, das Knis­tern ei­nes Sei­den­klei­des zu hö­ren. So war es die Frau, die im Zim­mer ih­res Soh­nes war. Er wuss­te nicht, ob sie dort zu schla­fen pfleg­te.

      Der Re­gen rausch­te, kein Wind ging, und der Wald emp­fing be­we­gungs­los die strö­men­den Trop­fen. Ein ein­zi­ger tiefer Ton stand um das Haus, groß und tröst­lich wie Mee­res­rau­schen. Aber nun hob sich eine Stim­me da­zwi­schen auf, tief und ganz lei­se, die mit ge­schlos­se­nen Lip­pen eine Me­lo­die er­klin­gen ließ. Die Frau sang, so lei­se wie über ei­nem schla­fen­den Kind, aber das Lied son­der­te sich doch ab von dem ein­tö­ni­gen Rau­schen des Re­gens, weil es Höhe und Tie­fe hat­te, einen Gang der Töne, der an­ders ge­ord­net war als das Fal­len der Trop­fen, eine mensch­li­che Be­wegt­heit, die nicht ein­mal die der Kla­ge war, son­dern fast wie ein lei­ser Marsch vor sich hin­ging, selbst­ver­ges­sen wie ein Kind auf abend­li­cher Stra­ße.

      Tho­mas war es, als ken­ne er das Lied, ja er wuss­te, dass er es kann­te, so ge­nau, wie man sei­nen Na­men kennt, aber in dem Zwie­licht des däm­mern­den Mor­gens und in der Un­wirk­lich­keit al­les Ge­sche­hens konn­te er sich nicht er­in­nern. Traum und Mor­gen ver­wisch­ten sich ihm, und wäh­rend er lausch­te, war er ge­neigt zu mei­nen, dass auch dies da­zu­ge­hö­re zu dem neu­en Le­ben, die sin­gen­de Frau wie der Re­gen, dass der Kum­mer sich hier nicht ver­ber­ge wie in den Städ­ten, son­dern sin­gend durch die Nacht gehe und es ihn nicht be­rüh­re, ob ein Mensch zu­hö­re, ein Frem­der gar. den es aus dem Schla­fe we­cke.

      Nun ver­stumm­te das Lied oder es ver­schmolz mit dem Re­gen, und auch die Be­we­gung der Die­le klang nun weit her, als sei­en es doch zwei Kie­fern im Wal­de, die in der Mor­gen­luft er­schau­ernd sich rühr­ten. Schließ­lich war es, als la­che es lei­se hin­ter der Wand, ein Mensch, der mit sich al­lein wäre, ganz al­lein, und eine Erin­ne­rung rie­fe den lei­sen Ton in sei­ner Brust her­auf.

      Doch war Tho­mas wohl schon ein­ge­schla­fen, als dies ge­sch­ah.

      Am Mor­gen dann fand er nie­man­den in der Stu­be un­ten, aber ne­ben sei­nem Früh­stück lag ein Zet­tel des Förs­ters, dass er auf die In­sel fah­ren (der Kahn lie­ge un­ten am Ufer) und ihn dort oder wie­der im Hau­se er­war­ten möge. Die Schrift war fest und ge­ra­de, und Tho­mas dach­te wie­der an das Lied in der Nacht und wie selt­sam es wohl aus­se­hen wür­de, wenn die Frau die Wor­te in ih­rer Schrift dar­un­ter set­zen woll­te. »Sie­ben Jah­re, mein lie­ber Herr …«

      Lei­se ging er aus dem Haus. Der Re­gen hat­te fast auf­ge­hört, aber die Wol­ken zo­gen noch dun­kel, in lan­gen Zü­gen über den Wald. Aus den Bäu­men tropf­te es un­auf­hör­lich in das wel­ke Laub, und bei je­dem Wind­stoß rausch­te es schwer und sprü­hend her­ab. Es war im­mer noch warm, und die Wal­der­de roch bit­ter und schwer.

      Dün­ne Ne­bel zo­gen über den See, und die In­sel lag düs­ter über dem grau­en Was­ser. Das Haus war nun zu se­hen, nicht mehr als eine große Hüt­te, und es war ei­gent­lich nur ein schwe­res Rohr­dach über ei­ner nied­ri­gen wei­ßen Wand. Aber Rauch stieg aus dem Schorn­stein, und da­ne­ben hob der be­wal­de­te Hü­gel sich bis zu den Ei­chen auf sei­ner Kro­ne. Die tro­ckenen Wip­fel ver­schwam­men im Ne­bel.

      Tho­mas stand am Ufer und lausch­te, ob er einen Ton ver­näh­me, aus den Wäl­dern oder über dem Was­ser, aber nur der Rohr­sän­ger rief im ho­hen Schilf, und die Trop­fen fie­len im Wald. Er stand lan­ge und sah hin­über. Er hör­te sein Herz mit ru­hi­gen Schlä­gen klop­fen und dach­te, dass er als ers­tes ein klei­nes, leich­tes Boot für Joa­chim be­sor­gen müss­te, wenn er zu den Som­mer­fe­ri­en käme. Al­les an­de­re schi­en ihm ge­ord­net und selbst­ver­ständ­lich.

      Er fuhr ste­hend hin­über, da die Ru­der­bän­ke nass wa­ren. Das Boot hat­te einen fla­chen Bo­den, und mit je­dem Schlag des lan­gen Ru­ders hob die Spit­ze sich lei­se rau­schend aus dem Was­ser. Zu­erst sah er den Grund, hel­len Sand, über den klei­ne, er­starr­te Wel­len­mar­ken lie­fen, dann wur­de das Was­ser dun­kel, fast schwarz, und grü­ne Ge­wäch­se ho­ben sich schwan­kend aus der Tie­fe auf. Mit­un­ter sprang ein schwe­rer Fisch ins Licht, und ein sil­ber­ner Schein blitz­te matt durch die graue Luft. Dann lie­fen dün­ne Rin­ge über den See, grif­fen über sein Boot hin­aus und erstar­ben wie­der. Es war ihm, als sei er im­mer so ge­fah­ren, als brauch­te es nicht auf­zu­hö­ren und als sei­en Schif­fe und Meer nur ein Traum ge­we­sen, eine ge­spens­ti­sche Ver­grö­ße­rung aus un­ru­hi­gem Schlaf, und nun zie­he sich al­les wie­der zu­recht zu ge­ord­ne­ter und be­schei­de­ner Wirk­lich­keit.

      Der fla­che Kiel stieß lei­se auf den Sand des Ufers, und er stieg aus. Ohne sich um­zu­se­hen, ging er den Hang zum Hau­se hin­auf und klopf­te an die graue Tür. Als nie­mand ant­wor­te­te, trat er ein.

      In dem dämm­ri­gen Licht sah er nur das Feu­er im Herd und eine dunkle Ge­stalt, die hin­ein­starr­te, die Arme auf die Knie ge­stützt, das Kinn in den Hän­den. Da kei­ne Ant­wort auf sei­nen Gruß er­folg­te, ging er um den Mann her­um und setz­te sich auf einen Holz­sche­mel ne­ben dem Herd. Un­ter dem grau­en Haar­busch sah er nun das Ge­sicht des Man­nes, fins­ter, aber nicht böse, wie es un­be­wegt in das Feu­er blick­te, den Wi­der­schein der Flam­me auf der ge­fal­te­ten Stirn und in den fast schwer­mü­ti­gen Au­gen. Ein grau­er Bart hing ihm un­ge­pflegt auf die Brust, und ein dump­fer Ge­ruch von Rauch und Fi­schen ging von ihm aus.

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