Sturm über der Eifel. Katja Kleiber

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sturm über der Eifel - Katja Kleiber страница 7

Sturm über der Eifel - Katja Kleiber Eifel Krimi

Скачать книгу

Sie strich über das weiche Moos auf den Wurzeln der Eiche. Es war noch feucht vom Morgentau.

      Aber er hatte angerufen, sagte sie sich, also wollte er sie wahrscheinlich wiedersehen. Wenn auch vielleicht nur, um Kräuterwissen auszutauschen. Was jetzt nicht mehr geschehen würde. Nie mehr. Die Endgültigkeit seiner Abwesenheit erschütterte sie.

      Eine Ameise wuchtete ein Ästlein über den unebenen Waldboden. Trockene Blätter lagen ihr im Weg. Die Ameise musste um sie herumwandern, dabei immer das Zweigstück mit sich schleppend. Ameisen konnten Lasten tragen, die ihr eigenes Körpergewicht weit übertrafen, hatte Ella gelesen. Sie selbst konnte keine Last mehr ertragen, kein Federgewicht, kein Ästlein.

      »Ums Leben gekommen«, echote die Stimme von Kommissarin Marx in ihr, die ihr anschließend »möglichst schonend« beigebracht hatte, dass Leo erstochen worden war. Als ob man so etwas überhaupt irgendwie schonend erklären konnte. So umständlich und beschönigend die Worte auch waren, die die Pferdeschwanzfrau gewählt hatte, sie hatten die Wucht der Wahrheit nicht mindern können. Leo war tot. Es würde sich nichts anbahnen zwischen ihnen. Er würde nicht noch mal anrufen. Sie würde nicht herausfinden, ob er Pflanzen wirklich so sehr geliebt hatte wie sie selbst. Ob sie gemeinsam etwas auf die Beine hätten stellen können, etwas Gutes. Und nie würde sie erfahren, ob seine Hände so sanft gewesen waren wie seine Augen.

      Sie war ehrlich gewesen zu den Polizeibeamten. Sie hatte kein Alibi für den möglichen Tatzeitpunkt. Sonntagabend war sie müde gewesen, ihre erste Reitstunde hatte sie mehr angestrengt als gedacht. Sie hatte auf der Couch gelegen, ihren Kater auf dem Bauch, eine Decke über den Füßen, Rocco neben sich, und ein Buch gelesen. Im Kamin hatte das Feuer geknistert, alles war gut gewesen. Das Buch hatte von einer Frau gehandelt, einer Falknerin, die einen Habicht zähmte und damit die Trauer um ihren verstorbenen Vater überwand. Im Nachhinein erschien Ella das jetzt wie ein Zeichen, eine Vorhersage. Tod und Trauer, sollten das ihre Themen dieses Herbstes werden?

      Eine Bö ließ sie erschauern. Ihr Hintern war kalt und feucht geworden. Es war definitiv nicht die richtige Jahreszeit, um draußen zu meditieren, wozu sie gar nicht gekommen war. Zu viele Gedanken. Die Kraft der Eiche hatte sich nicht auf sie übertragen. Diesmal nicht. Ella rappelte sich hoch und dehnte die steif gewordenen Muskeln.

      Rocco sprang auf. Endlich tat sich was. Schnell blickte er sich um, fand einen Ast, nahm ihn ins Maul, sprang spielerisch umher, dabei nach Ella schielend. Sie achtete nicht auf ihn. Sie wusste, dass er ihr nach Hause folgen würde. Rocco brauchte keine Leine. Er ließ sie nie aus den Augen. Seit die Polizei sein Herrchen abgeführt hatte, war Ella sein Ein und Alles. Er schien fürchterliche Angst davor zu haben, auch sein neues Zuhause und sein neues Frauchen zu verlieren.

      Ella zog den Reißverschluss ihrer Jacke bis zum Kinn hoch und ging einen Schritt schneller. Es war wirklich zu kalt, um im Wald herumzusitzen.

      Auf dem Weg zu ihrem Haus, den Hang des Arembergs hinunter, entdeckte Ella einen ihrer Nachbarn. Er beugte sich über einen Zaunpfahl und spannte Draht neu. Sollte sie ihn nach einer Weide fragen, die sie pachten könnte? Sie könnte sich ja mal erkundigen, was das kosten würde.

      »Hallo!« Ella sprach den Mann schon aus einiger Entfernung an, damit er nicht erschrak. Doch Rocco war ohnehin schon bei ihm, sprang begeistert um ihn rum, um ihn zum Spielen aufzufordern.

      Der Bauer richtete sich auf. Er trug einen fleckigen Blaumann, der schon so viele Male durch die Waschmaschine gewandert war, dass er nur noch graublau war, und einen alten Fleecepullover. Auf dem Kopf saß eine speckige Kappe wie festgewachsen, um die Augen hatten sich Hunderte kleiner Fältchen eingegraben. Im Dorf nannten sie ihn den »Wasser-Juppes«, weil er vor Urzeiten mal beim Wasserwerk angestellt gewesen war. Um ihn von den drei oder vier anderen Juppes in der Umgebung zu unterscheiden.

      »Hallo.«

      Die Eifler wirkten auf den ersten Blick schweigsam, aber Ella wusste mittlerweile, dass das täuschte. Sie brauchten nur ein Weilchen, um aufzutauen.

      Rocco wurde freundlicher begrüßt. Der Mann tätschelte seinen Kopf, bis es dem Hund zu viel wurde.

      Ella ließ ein paar Bemerkungen über das Wetter fallen. Der Sommer viel zu trocken. Danach Regen, zu spät und zu viel auf einmal. Und dann noch der Sturm.

      Wasser-Juppes brummte zustimmend.

      Schließlich kam sie auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen. »Die Wiese, über die wir neulich schon gesprochen haben, was ist mit der?«

      »Jo, die Wiese da oben, die wär schon passend für ein Pferd«, reagierte Wasser-Juppes positiver, als sie erwartet hatte. »Groß genug auch. Aber …« Jetzt druckste er herum.

      »Was aber?« Sie blickte ihn offen an.

      »Hab sie verkauft.«

      Das war natürlich schade. Sie hatte ihm vor einigen Wochen von ihrem Plan erzählt. Damals hatte er gesagt, er werde sich die Sache überlegen. Sie hatte den Verdacht gehegt, dass er mit seiner Frau darüber sprechen wollte. Häufig waren die Frauen ja die Finanzminister in der Ehe.

      Nun hatte er sich anders entschieden. Nicht schön, aber schließlich konnte Wasser-Juppes seine Wiese verkaufen, wann und an wen er wollte. Aber wieso blickte er ihr nicht in die Augen? Schämte er sich vielleicht, weil er den Käufer über den Tisch gezogen hatte?

      »Guten Preis bekommen?«, wollte sie wissen.

      Er nickte und grinste über beide Ohren. »Pferd willste halten? Frag doch die Frau aus Köln.« Er nickte in Richtung der beiden Tiere auf der Weide weiter hangabwärts, die Ella überhaupt erst auf die Idee mit dem Pferd und dem Reiten gebracht hatten. »Die ist nur am Wochenende hier, aber Margret oben aus Aremberg hat ein Auge auf die Tiere, guckt, ob Wasser da ist und so. Dafür bekommt sie ein paar Euro.« Der Bauer wischte sich über die Stirn, obwohl er nicht schwitzte. »Vielleicht kannste die Wiese ja pachten und die Pferdchen dazukriegen. Die Kölnerin hat dat doch bald satt, immer herzufahren.« Er blinzelte ihr verschwörerisch zu.

      Ella nickte gedankenverloren. Das war eine Möglichkeit. Außerdem gab es ja noch mehr Bauern mit Wiesen hier in der Nähe. Die vom Wasser-Juppes war allerdings für sie besonders günstig gelegen. Optimistischerweise hatte sie angenommen, dass er in seinem Alter den Hof ohnehin verkleinern wollte. Er hatte schon die Schweine abgeschafft und dann auch noch die Kühe. Jetzt stieß er Land ab, wie es schien. Leider war ihr jemand zuvorgekommen.

      Vielleicht war das mit dem Pferd und der Wiese ja ohnehin eine Schnapsidee. Zuerst musste sie mal das Dach vom Anbau reparieren und den dann zu einem Stall umbauen. So ein Pferd brauchte doch einen Stall für den Winter, oder? Außerdem wäre es dann immer in ihrer Nähe, und sie könnte jederzeit seine samtigen Nüstern streicheln. Am besten würde sie bei ihrer nächsten Reitstunde Marnie fragen, was sie alles vorbereiten musste, wenn sie plante, sich ein Pferd anzuschaffen. Sie nickte Wasser-Juppes zum Abschied zu.

      »Mach et joot.« Der Mann wirkte erleichtert, als sie weiterging.

      Ella pfiff nach Rocco, der seine Nase aus einem Mauseloch zog und freudig hinter ihr hersprang.

      Keltenopfer

      »War es Ritualmord? Toter am Goloring entdeckt – das Werk einer Sekte?«

      Peter las die Überschrift auf der Titelseite der Tageszeitung und verschluckte sich an seinem Kaffee.

      »Der Fall eilt.« Tanja klopfte mit dem Kuli auf den Tisch, was Peter auf der Stelle nervte. »Je schneller wir ihn lösen, desto eher hat dieser

Скачать книгу