Bekenntnisse. Augustinus von Hippo
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Du also, mein Gott und Herr, der du dem Kinde das Leben gabest und den Leib, den du, wie wir sehen mit vernünftigen Sinnen ausgerüstet, durch Glieder wohl zusammengefügt, mit einem schönen Äußeren geschmückt und für dessen Erhaltung in seiner Gesamtheit und Unversehrtheit du alles, was der Leben spendende Geist unternimmt, bestimmt hast, du heißest mich, dessentwegen dich loben, „dich bekennen und deinem Namen lobsingen, Allerhöchster“18. Denn du bist der allmächtige und gütige Gott, auch wenn du nur dieses allein getan hättest, was kein anderer tun kann denn du, Einziger, der jegliches Maß bestimmt, Schönster, der du alles schön gestaltest und alles nach deinem Gesetze ordnest. Diesen Abschnitt also meines Lebens, Herr, in dem gelebt zu haben ich selbst mich nicht erinnern kann, hinsichtlich dessen ich den Worten anderer Glauben schenken muß, den ich vermutlich wie viele andere Kinder verbracht habe - wiewohl das ein sehr zuverlässiger Schluß ist - diesen Abschnitt also möchte ich meinem Leben in dieser Zeitlichkeit nicht gern hinzuzählen. Denn die gleiche Finsternis völligen Vergessens umhüllt es wie das andere, das ich im Mutterleibe zugebracht habe. Wenn nun das Wort des Psalmisten gilt, „in Ungerechtigkeit bin ich empfangen, und in Sünden hat meine Mutter mich in ihrem Schoße genährt“19, wo, ich flehe dich an, mein Gott, wo, o Herr, bin ich, dein Sklave, wo oder wann bin ich ohne Schuld gewesen? Doch ich sehe von jener Zeit ab: was kümmert sie mich schließlich auch noch, wenn sogar jede Spur von ihr verwischt ist?
8. Augustinus erzählt, wie er sprechen gelernt hat.
Bin ich nicht aus der Kindheit herauf fortschreitend zum Knabenalter gelangt? Oder vielmehr: ist nicht dieses selbst an mich herangelangt und hat die Kinderzeit abgelöst? Und doch ist diese nicht verschwunden; wohin wäre sie denn gegangen? Dennoch war sie nun nicht mehr; denn ich war nicht mehr ein unmündiges Kind, sondern ein mit Sprache begabter Knabe. Dessen erinnere ich mich; wie ich aber sprechen lernte, habe ich erst später erfahren. Meine Lehrer waren nämlich nicht Erwachsene, die mir nach einer bestimmten Methode die Worte darboten wie etwas später die Buchstaben; ich selbst war es vermöge des Verstandes, den du mir gegeben hast, mein Gott, wenn ich durch Seufzen, durch mannigfache Laute und verschiedene Bewegungen der Glieder die Gefühle meines Herzens kundzutun suchte, damit man mir meinen Willen erfüllte, ich aber dies weder in allem, was ich wollte, noch bei allen, bei denen ich es wollte, vermochte. Ich erwog in meinem Gedächtnisse: wenn Erwachsene irgendeinen Gegenstand nannten und im Anschlusse daran ihren Körper zu etwas hinbewegten, so sah und begriff ich, daß sie mit diesen Lauten mir den Gegenstand nannten, den sie mir zeigen wollten. Daß sie dies aber beabsichtigten, ging aus den Bewegungen ihres Körpers hervor, jener natürlichen Sprache aller Völker, die sich aus Mienenspiel, Winken mit den Augen, den Gebärden der übrigen Glieder und dem Ton der Stimme zusammensetzt, der die einzelnen Empfindungen der Seele anzeigt, wenn sie etwas erstrebt, festhält, verschmäht oder flieht. So lernte ich denn nach und nach verstehen, welche Dinge die einzelnen Worte bedeuteten, die ich in verschiedenen Sätzen in verschiedenem Zusammenhang häufig hörte; mein Mund gewöhnte sich an jene Zeichen, und ich konnte meine Wünsche durch sie ausdrücken. So tauschte ich mit meiner Umgebung die Bezeichnungen für die gegenseitigen Wünsche aus und trat in innigere Beziehung zur menschlichen Gemeinschaft, allerdings noch abhängig von dem Willen der Eltern und der Anweisung der Erwachsenen.
9. Gleich anderen Kindern haßt er das Lernen, liebt das Spielen und Fürchtet die Schläge.
Gott, mein Gott, was für Jammer mußte ich da erleben, welche Täuschungen wurden mir zuteil, da man dem Knaben als Lebensregel vorzeichnete, denen zu gehorchen, die mich zum Gehorsam ermahnten, damit ich auf dieser Erde glänzte und mich in wortreichen Künsten auszeichnete, die nur dazu dienen, Ehre bei den Menschen und trügerische Reichtümer zu gewinnen, Dann gab man mich in die Schule, um die Buchstaben zu lernen, eine Kunst, deren Nutzen ich Ärmster nicht begriff. Zeigte ich mich aber lässig im Unterrichte, so bekam ich Schläge. Die Erwachsenen priesen diesen Entwicklungsgang, und viele, die vor uns gelebt auf dieser Welt, hatten leidvolle Wege angelegt, die wir durchlaufen mußten - doppelt mühevoll und schmerzlich für uns arme Adamssöhne. Wir fanden aber auch o Herr, Menschen, die zu dir riefen, und wir lernten von ihnen, indem wir soviel von dir begriffen wie uns möglich war: du müßtest etwas Großes sein und könntest uns, wenngleich unsern Sinnen nicht wahrnehmbar, erhören und uns zu Hilfe kommen. So begann ich denn schon als Knabe zu dir zu rufen, zu dir, „meine Hilfe und Zuflucht“20, und dich anzurufen, sprengte ich die Bande meiner Zunge, und so klein ich war, flehte ich doch mit nicht kleiner Inbrunst zu dir, daß ich nicht mehr in der Schule Schläge bekäme. Und da du mich nicht erhörtest, „was mir zum Heile gereichte“21, so lachten die Erwachsenen, darunter sogar meine Eltern, die doch sicherlich mir kein Übel wünschten, über Schläge, die ich wenigstens damals als ein großes und schweres Übel empfand.
Gibt es wohl, o Herr, einen so hochgemuten, mit überaus großer Inbrunst dir anhängenden Sinn, gibt es einen solchen, sage ich (denn manchmal ist auch eine gewisse Stumpfheit die Ursache!), also gibt es einen Menschen, frage ich, der mit so frommem Sinne dir anhinge und hochherzig gesinnt wäre, daß er Foltern, Krallen und all die anderen Marterwerkzeuge, vor denen gnädig sie zu bewahren alle Welt dich in großen Ängsten anfleht, ebenso so geringfügig erachtet, obwohl die, welche sie aufs äußerste fürchten, seinem Herzen nahe stehen, wie unsere Eltern über die Strafen lachten, welche die Lehrer über uns verhängten? Denn fürwahr, wir fürchteten sie gerade so sehr und beteten ebenso sehr um ihre Abwendung, sündigten aber trotzdem, indem wir weniger schrieben oder lasen oder an die Studien dachten, als wir sollten. Denn es mangelte uns nicht, o Herr, an Gedächtnis oder Verstand, die du uns in einem für jenes Alter hinreichenden Maße gegeben, allein das Spiel erfreute uns, und uns straften solche, die genau dasselbe trieben. Indessen die Possen bei den Erwachsenen heißen Geschäfte; tun aber Knaben Ähnliches, so werden sie von ihnen bestraft, und keiner empfindet Mitleid mit den Knaben oder mit jenen oder mit beiden. Sollte wirklich ein gerechter Richter die Schläge, die ich als Knabe für mein Ballspiel erhielt, ganz in der Ordnung finden, weil ich durch dieses Spiel gehindert wurde, mir schneller die Kenntnisse anzueignen, mit denen ich später ein weit häßlicheres Spiel treiben sollte? Oder tat etwa eben der, von dem ich Schläge erhielt, etwas anderes, wenn ein gelehrter Kollege über ihn in einer öffentlichen Disputation triumphierte und er dann heftiger von Galle und Neid verzehrt wurde als ich, wenn ich im Wettstreite mit dem Balle22 meinem Spielgenossen unterlag?
10. Der Hang zum Spiel und die Vorliebe für das Theater verleidet ihm das Studium.
Und dennoch sündigte ich, Herr mein Gott, der du die ganze Natur schaffst und lenkst, die Sünde aber nur lenkst23, Herr mein Gott, ich sündigte, indem ich gegen die Vorschriften meiner Eltern und Lehrer handelte, Denn ich hätte ja später einen guten Gebrauch von den Wissenschaften machen können, die ich erlernen sollte - unabhängig von der Absicht derer, die es verlangten. Und ich war nicht etwa ungehorsam, weil ich etwas Besseres erwählt hatte, sondern aus Hang zum Spielen, aus Begierde, stolze Siege davon zu tragen und meine Ohren durch lügenhafte Erzählungen kitzeln zu lassen, damit sie umso brennender juckten, während die gleiche Neugierde mehr und mehr aus meinen Augen nach den Schauspielen und dem Zeitvertreib der Erwachsenen hinfunkelte. Doch diejenigen, die sie veranstalteten, stehen in solchem Ansehen, daß wohl alle für ihre Kinder ein Gleiches wünschen; und gleichwohl haben diese Eltern nichts gegen die Züchtigung ihrer Kinder einzuwenden, wenn sie sich durch ähnliche Spiele von den Studien abhalten lassen, durch welche sie die Befähigung zur Veranstaltung jener Schauspiele erlangen sollen! Sieh, o Herr, voll Erbarmen auf diese Zustände herab und befreie uns, die wir dich anrufen, befreie auch jene, die dich noch nicht anrufen, damit sie dich anrufen und du sie befreiest!
11. Augustinus fällt in eine schwere Krankheit und verlangt in ihrem Verlaufe nach der Taufe; nach seiner Genesung aber wird sie verschoben.
Schon