Von Dolomiten im Vorgarten und anderen Herausforderungen. Sabine Zinkernagel

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Von Dolomiten im Vorgarten und anderen Herausforderungen - Sabine Zinkernagel

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ungewöhnlich.

      Jetzt wollen sie mich alle drei Tage untersuchen, um zu schauen, wie der Wasserkopf sich entwickelt. Wenn es für dich gefährlich wird, werden sie dich eben früher aus meinem Bauch herausholen. Du bist jetzt schon so weit in deiner Entwicklung, dass das kein größeres Problem mehr wäre. Trotzdem wäre es besser, wenn du möglichst lange in meinem Bauch bleiben kannst.

      Die Ärzte werden aber nicht darauf warten, dass du von selbst zur Welt kommst. Bei einer normalen Geburt könnte der Druck in deinem Köpfchen noch höher werden und deinem Gehirn Schaden zufügen. Das wollen wir alle auf jeden Fall vermeiden. Deshalb werden die Ärzte dich ein paar Tage vor dem Geburtstermin aus meinem Bauch herausholen. So etwas nennt man einen „Kaiserschnitt“. Du kommst also als Prinz auf die Welt!

      Sobald du ein paar Wochen alt bist, werden die Ärzte ein Ventil in deinen Kopf einsetzen. So kann das überschüssige Nervenwasser aus deinem Kopf abfließen, und du kannst dich dann vielleicht ganz normal entwickeln.

      Das wäre natürlich wunderbar. Es beten auch ganz viele Leute dafür, dass alles gut wird. Aber auch wenn du nicht ganz so fit sein solltest wie andere Babys, kannst du dich auf zwei Dinge verlassen: Du bist unser Kind, und die Frage, ob du einmal studieren oder in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten wirst, kann nichts an unserer Liebe zu dir ändern. Und an Gottes Liebe erst recht nicht.

      Deine Mama

       28. Dezember 1994

      Lieber Jacob,

      Gott sorgt schon richtig gut vor für dich! Und für uns auch.

      Heute sollten wir im Krankenhaus in den Kreißsaal gehen, um messen zu lassen, ob ich schon Wehen habe. Der Papa hat geklingelt, eine Hebamme kam heraus – und zog deinen Papa erst einmal ganz fest an ihre Brust. Ich wollte mich gerade schon wundern, da sagte die Hebamme: „Hallo, Martin“, und Papa antwortete: „Hallo, Jutta“.

      Die beiden kennen sich noch aus der Gemeinde, in die Papa als Jugendlicher gegangen ist.

      Außer ihr arbeiten noch drei weitere Frauen, die Papa von dort kennt, auf der Kinderstation. Die werden sicher doppelt gut auf dich aufpassen. Jutta wird auch unsere Hebamme für zu Hause werden und nach uns schauen, wenn wir nach deiner Geburt wieder zu Hause sind.

      Es ist schon ein gutes Gefühl, zu wissen, dass da nicht irgendjemand kommt, sondern eine Freundin.

      Siehst du, Gott regelt vieles ganz wunderbar.

      Von Wehen ist bei mir übrigens noch nichts zu merken. Deshalb wollen die Ärzte bis zum 10. Januar mit dem Kaiserschnitt warten. Wir warten auch schon ganz gespannt auf dich. Noch zwei Wochen hat Gott Zeit, um ein Wunder zu tun und den Wasserkopf einfach so verschwinden zu lassen …

      Deine Mama

       12. Januar 1995

      Lieber Jacob,

      Nun bist du also schon zwei Tage alt. Ich wollte dir ja sofort nach dem Aufwachen aus der Narkose schreiben – aber ich hatte absolut keine Ahnung, was so ein Kaiserschnitt bedeutet! Einen ganzen Tag lang habe ich im Aufwachraum vor mich hingedämmert und nur eines richtig wahrgenommen: Mein Bauch tut weh. Besonders, wenn ich husten muss oder sprechen möchte oder versuche, wenigstens die Beine etwas zu bewegen.

      Gestern früh kam dann eine Schwester und sagte, ich solle einmal kurz aufstehen. Wie bitte? Die konnte nicht mich meinen, die hatte mich bestimmt mit der Frau im Nebenbett verwechselt. Aber sie hat darauf bestanden, dass ich jetzt aufstehen muss. Resolut hat sie mich auf die Seite gedreht – mein Bauch tat so weh! – meinen Oberkörper zum Sitzen hochgezogen und meine Füße auf den Boden gesetzt – mein Bauch tat so weh! – und mich vorsichtig auf die Beine gestellt – mein Bauch tat so weh!

      Zum Glück durfte ich mich gleich wieder hinlegen – mein Bauch tat immer noch so weh! – und wurde auf die Wochenstation geschoben. Übrigens, mein Bauch tut auch hier noch weh.

      Zum Glück ist wenigstens dein Papa in der Lage, sich um dich zu kümmern. Er hat dich direkt nach deiner Geburt auf den Arm genommen, dich gewaschen, gewickelt und angezogen. Er pendelt jetzt im Krankenhaus immer zwischen meinem und deinem Bett hin und her und erzählt mir, wie es dir geht. Wenn du schläfst, nimmt er eines seiner Bücher und lernt für sein Examen. Schließlich will er ja später einmal nicht nur die Brötchen für dich verdienen, sondern auch die Butter und den Käse drauf!

      Weißt du eigentlich schon, dass du der Sohn eines echten Helden bist?

      Heute hat dein Papa etwas geschafft, das eigentlich gar nicht möglich ist: Er hat dich in deinem Wärmebettchen aus der Säuglings-Intensivstation hinunter zu mir gefahren und dich auf meinen Bauch gelegt. Damit ich mir meinen tollen Sohn schon jetzt richtig ansehen kann.

      Der Arzt hat das ganz, ganz, ganz ausnahmsweise erlaubt, weil es dir im Grunde gut geht, und weil eine Schwesternschülerin – auch eine Bekannte von deinem Papa aus seiner Gemeinde – mitgekommen ist, um auf dich aufzupassen. Die Schülerin hat übrigens danach einen Rüffel bekommen: Sie könne die Eltern ihrer kleinen Schützlinge doch nicht einfach duzen! Zum Glück war dein Papa noch dabei und hat alles erklärt.

      Auf der Wochenstation haben alle Schwestern Bauklötze gestaunt, als sie dich gesehen haben. Ein Baby von der Intensivstation hatten sie hier noch nie zu Besuch!

      Ich habe mich wirklich gefreut, dich zu sehen. Aber als du dann auf meinem Bauch gelegen bist … du ahnst es sicher schon: Der Bauch tat so weh. Vielleicht zehn Minuten lang habe ich versucht, dich so in den Arm zu nehmen, dass es für mich erträglich würde. Nur hat der Bauch in jeder erdenklichen Stellung viel zu sehr weh getan. Also hat dein Papa dich wieder genommen und sich mit dir im Arm neben mein Bett gesetzt. So konnten wir uns wenigstens sehen.

      Wenn alles gut geht, kann ich dir vielleicht schon morgen mit einem Rollstuhl einen Gegenbesuch abstatten. Und zwar auf der Kinderklinik. Denn Intensivüberwachung brauchst du nicht mehr. Nur dein Kopf muss regelmäßig untersucht werden. Bis jetzt können die Ärzte aber nicht mit Sicherheit sagen, ob das Nervenwasser darin zunimmt.

      Vielleicht geschieht ja tatsächlich noch ein Wunder, und du brauchst gar kein Ventil …

      Deine Mama

       1. März 1995

      Lieber Jacob,

      die Ärzte überlegen immer noch, ob sie deinen Wasserkopf operieren müssen. Als sie nicht mehr mit dem Ultraschall durch die Fontanelle in deinen Kopf schauen konnten, hat der Neurologe sogar einen kleinen Apparat konstruiert, mit dem man am Rest der Fontanelle den Hirndruck messen kann!

      Der Druck auf dein Gehirn ist etwas höher als normal, aber noch deutlich unter der Grenze, ab der es gefährlich für dich werden würde. Das Problem ist, dass er ganz langsam zunimmt. Deshalb muss jetzt allmählich eine Entscheidung fallen, ob du ein Ventil brauchst oder nicht.

      Für mich ist dabei etwas ganz anderes wichtig: Bis jetzt muss ich alle drei Tage mit dir ins Krankenhaus kommen und deinen Hirndruck kontrollieren lassen. Außerdem soll ich mit dir zum Augenarzt, und die normalen Untersuchungen beim Kinderarzt muss ich ja auch machen lassen.

      Das heißt jedes Mal: Dich wecken, warm anziehen, dich und deinen Kinderwagen

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