Mami Box 1 – Familienroman. Claudia Torwegge

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Mami Box 1 – Familienroman - Claudia Torwegge Mami Box

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nicht ganz zu uns nehmen könnten, Edgar«, begann sie mit etwas enger Stimme. »Ich könnte es mir schon vorstellen, sie immer um mich zu haben. Aber wie würdest du dich dazu stellen?«

      Ihr Mann hatte sich aus seiner bequemen Haltung im Sessel aufgerichtet. »Denkst du an eine Adoption?« fragte er, leicht vorgeneigt.

      »So weit denke ich nicht. Wir übernehmen eine Pflegschaft, so nennt man das. Es bindet uns nicht endgültig.«

      »Du glaubst doch nicht, daß man ein Waisenkind aufnehmen und es zu irgendeiner Zeit wieder zurückschicken kann. Du wärest die letzte, die das fertigbrächte, Vera«, hielt Edgar ihr ernst entgegen.

      Vera wußte, daß er recht hatte. »Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll«, gestand sie grübelnd. »Vielleicht hätte ich damit gar nicht anfangen sollen. Jetzt ist ein Band zwischen uns geworden, das wieder zu zerreißen für Laura eine Katastrophe bedeuten würde.«

      »Und was würde es für dich bedeuten, wenn du Lauras übergroßen Anhänglichkeit ein Ende setztest?«

      »Sie würde mir fehlen«, sagte sie. »Sie ist so lieb, so dankbar. Du kennst sie nicht so gut wie ich. Es würde dich auch rühren.«

      »Doch, freilich kenne ich sie. Sie war doch manchmal noch da, wenn ich vom Dienst kam. Dann wollte sie lostraben, weil sie nicht stören wollte, und wenn ich sagte, sie könne ruhig noch bleiben, hat sie sich still gefreut.« Edgar lächelte ein wenig, als er daran dachte, aber dann wurde er gleich wieder ernst. »Vera, ich hätte grundsätzlich nichts dagegen, sie bei uns zu haben. Aber wir wissen doch rein gar nichts von diesem Kind, nicht, wo es herkommt, wer seine Eltern sind. Wie, wenn eines Tages doch noch jemand auftaucht und einen Anspruch darauf erhebt? Es ist mir sowieso unbegreiflich, wie die Herkunft eines Menschenkindes so völlig unbekannt sein kann.«

      »Ja, das ist schon sehr seltsam«, stimmte Vera ihm zu. »Aber dafür kann Laura doch nichts. Und wenn wirklich noch ein Blutsverwandter auftauchte, die Mutter gar, oder der Vater, dann soll es auch gut sein. Dann hätten wir sie wenigstens für eine Zeit aus dem Haus genommen, in dem sie nicht froh sein kann.«

      Skeptisch sah ihr Mann sie an. Er überlegte.

      »Wie war das damals, was war das für ein Heim, in das sie als Kleinkind gebracht wurde?« fragte er nach einer Pause. »Da müßte sich doch eine Spur zurückverfolgen lassen.«

      »Darüber weiß ich auch nichts Näheres«, gab Vera zurück. »Frau Behrend könnte uns bestimmt den Namen dieses Kinderheimes nennen. Ich kann mich darum kümmern, wenn es dir wichtig ist, Edgar.«

      Er nickte ihr zu. »Ich hielte es schon für richtig, bevor wir eine Entscheidung treffen, Vera. Man hat die Dinge möglicherweise zu sehr schleifen lassen und keinerlei weitere Nachforschungen mehr angestellt. Es fühlte sich wahrscheinlich niemand zuständig dafür.«

      Doch darin sollte Edgar Gerstner sich irren.

      *

      Das Kinderheim Maria Barein, nach seiner Stifterin benannt, war ein gepflegtes Haus mit ausgebildeten Säuglings- und Kinderschwestern. Die Atmosphäre, die Vera hier umfing, war hell und freundlich. Eine junge Schwester führte die Besucherin zu ihrer Chefin, Frau Dr. Schwendt.

      »Selbstverständlich haben wir nach diesem Ehepaar Matthau geforscht, das Laura Pavel seinerzeit in unsere Obhut gab«, sagte diese, nachdem Vera ihr Anliegen vorgebracht und sie sich eine Akte, diesen Fall betreffend, hatte kommen lassen. »Dem Vernehmen nach wollten sie eine größere Reise antreten. Sie leisteten eine Vorauszahlung für drei Monate. Danach kam nichts mehr. Mahnungen blieben erfolglos. Wir hörten uns um, die Wohnung war verschlossen, niemand wußte etwas über den Verbleib der Inhaber. Anscheinend hat das Paar sehr zurückgezogen gelebt. In ihrem Umfeld gab es nur Achselzucken, die Matthaus seien für länger verreist, weiter war nichts in Erfahrung zu bringen.«

      Mit angespannter Miene hatte Vera zugehört. »Und von dieser Reise sind sie nicht zurückgekommen?« stellte sie beklommen fest.

      Frau Dr. Schwendt hob die Hände und ließ sie mit einer resignierten Bewegung wieder sinken. »Nein, offenbar nicht. Jedenfalls haben wir nichts mehr davon gehört. Vielleicht sind sie tödlich verunglückt, oder sie sind untergetaucht, vielleicht war ihnen das Pflegekind lästig geworden, es gab da viele Vermutungen. Die Wohnung ist schließlich geräumt und weitervermietet worden. Niemand erhob einen Anspruch auf irgend etwas. Was sich an Werten darin befand, hat der Vermieter für die ihm entgangene Miete für sich einbehalten.«

      »Da blieb für Laura nichts übrig«, warf Vera ein.

      Frau Dr. Schwendt schüttelte den Kopf. »Es bestand auch kein rechtlicher Anspruch darauf. Wieso und auf welche Weise das Kind zu ihnen kam, weiß man nicht. Für mich bestand keine Veranlassung, danach zu fragen oder mir irgendwelche Papiere vorlegen zu lassen. Es sollte ein vorübergehendes Arrangement sein, wie hier in fast allen Fällen, und die finanzielle Seite war geregelt.«

      Vera senkte die Lider. Wie sachlich das klang. Aber freilich, man mußte das auch verstehen. In diesem Kinderheim waren die Plätze sicher hochbezahlt, sonst wäre dieser Standard nicht zu halten. »Dann mußte Laura ins Waisenhaus«, sagte sie leise, wie zu sich selbst.

      »Es gab keine andere Möglichkeit, leider. Wir behielten sie noch zwei, drei Monate, solange wir immer noch auf ein Lebenszeichen der Matthaus hofften. Aber dann mußten wir sie abgeben.« Mit einer endgültigen Bewegung schloß Dr. Schwendt die Akte Pavel.

      »Haben Sie Dank für Ihre Ausführungen«, sagte Vera, sich erhebend.

      »Bitte sehr. Sie werden nicht ohne Grund danach gefragt haben.« Aber was für Gründe das waren, interessierte die Dame nicht weiter. Hier kamen und gingen so viele Kinder, und dieser Fall lag Jahre zurück. Es gab ihn nur noch in einem Ordner, der wieder zurückgestellt werden würde in eine lange Reihe von anderen.

      *

      »Nehmen wir die Kleine also zu uns«, entschied Edgar. »Du siehst dich ja eh schon überlegend in unserem Gästezimmer um…« Sein lächelnder Blick ruhte auf seiner errötenden Frau.

      »Ja, das könnte gut Lauras Zimmer werden. So oft bekommen wir ja nicht Logierbesuch, und wenn, dann kann sie unten auf der Couch schlafen. O Edgar!« Vera trat auf ihren Mann zu, und als er sie umfing, legte sie die Hände vor seiner Brust zusammen und sah ihm in die Augen. »Willst du es wirklich? Bist du auch aus vollem Herzen bereit?«

      Er nickte. »Ja, Vera. Ich tue doch nichts Unüberlegtes. Es wird schon gutgehen«, sagte er fest.

      Das sprengte Vera fast das Herz, dem Kind sagen zu dürfen, daß es fortan bei ihnen wohnen könnte. Es geschah im Karolinen-Haus, nach Rücksprache mit Frau Behrend.

      »Das träume ich doch wieder nur«, flüsterte Laura. Sie kniff die Augen fest zusammen, um aus diesem Traum nicht zu erwachen.

      »Du träumst nicht«, versicherte Vera. »Sieh mich an. Hier bin ich, und wir bleiben jetzt zusammen.«

      »In dem schönen Haus?«

      »Da wirst du dein Zimmer haben, ja!«

      »Und ich bin euer Kind? Ihr seid meine Eltern?«

      »Deine Pflegeeltern, ja.«

      Es machte für Laura keinen Unterschied. »Dann darf ich Mama und Papa zu euch sagen?« Wie atemlos kam eine Frage nach der anderen.

      Nur

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