Die verschwundene Melodie. Arno Alexander

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Die verschwundene Melodie - Arno Alexander

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dem meine Nachforschungen einsetzen mußten.“

      Doris horchte auf.

      „Haben Sie etwas entdeckt? Sollte es wirklich Wilkins sein, der meine Schwester verfolgt? Und warum wurde dann eigentlich der Fahrkartenkontrolleur ermordet?“ fragte sie eifrig. Man merkte, daß sie fleißig die Zeitungen gelesen hatte.

      „Ganz zweifellos ist Wilkins der Mann, der Ihre Schwester verfolgt“, bestätigte der Kriminalbeamte. „Und warum der Kontrolleur ermordet wurde? Das ist nicht schwer zu erklären: Er wird sich beim Betreten des Abteils erinnert haben, daß er darin eine Dame gesehen hatte, wird die beiden Verbrecher befragt und seine Neugier und sein gutes Gedächtnis mit dem Leben bezahlt haben. Übrigens“, fuhr er lebhaft fort, „ist es mir gestern abend gelungen, den Grund festzustellen, warum Wilkins Ihre Schwester in seine Gewalt bekommen wollte.“

      „Was ist der Grund?“ Doris sah gespannt zu ihm hinüber.

      „Sie haben doch einen Onkel, Frederick Manhattan?“ antwortete Hearn mit einer Gegenfrage. Als Doris stumm nickte, fügte er langsam, jedes Wort betonend, hinzu: „Dieser Frederick Manhattan hatte nämlich zur Universalerbin seines sich auf Millionen beziffernden Vermögens Ihre Schwester Evelyn eingesetzt.“

      Überraschung malte sich in den Zügen beider Mädchen.

      „Evelyn seine Erbin? Ich soll ihn beerben?“ riefen sie wie aus einem Mund.

      „Augenblick, Augenblick ...“ mischte sich der Arzt ins Gespräch. „Ihre Worte, Mr. Hearn, erklären ja vieles, unter anderem auch den gestrigen Versuch, meine Patientin von hier zu entführen. Aber warum dann das plötzliche Aufgeben dieses Planes? Hm ... Ich kann mir das nicht anders erklären, als daß das Telegramm ganz unverfänglichen Inhalts war, und der Kerl seinen Plan nur aufgab, weil er merkte, daß er mit mir nicht fertig werden konnte ...“

      Hearn machte eine abwehrende Handbewegung.

      „Der Beauftragte Wilkins’ wäre mit Ihnen ganz bestimmt fertig geworden“, sagte er entschieden. „Nein, das erklärt sich viel einfacher: Mr. Manhattan hat nämlich sein Testament inzwischen geändert. Das hat Wilkins zweifellos gleich mir feststellen können und demzufolge jedes Interesse an Ihrer Patientin verloren.“

      „Und wer ... wer ist der neu eingesetzte Erbe?“ erkundigte sich Doris fiebernd.

      Hearn hob die Schultern.

      „Das festzustellen, ist mir leider nicht möglich, denn die Notare haben bekanntlich ihr Berufsgeheimnis. Auch von dem jetzt ungültigen Testament konnte ich nur Kenntnis erlangen, weil es zu den allgemeinen, erledigten Akten gelegt wurde, an die ein bestochener Schreiber leicht herankommen kann.“

      „Ich möchte nicht dieser Erbe sein“, sagte der Arzt nach kurzem Schweigen. „Soviel ich beurteilen kann, hat jener Wilkins dennoch eine Möglichkeit, das Testament einzusehen, und dem Erben drohen jedenfalls große Gefahren.“

      Der Kapitän lächelte.

      „Es ist gar nicht so sicher, daß es Wilkins auch diesmal gelingen wird, den Inhalt des Testaments zu erfahren. Hm ... Natürlich droht dem Erben Gefahr ...“ Nachdenklich kaute er an seiner Oberlippe, dann fügte er ernst hinzu: „Die größte Gefahr aber droht Mr. Manhattan selbst.“

      9

      Mrs. Isatschik saß steif und ernst im Mietauto und blickte durch ein Lorgnon zum Fenster hinaus. Ihre Hautfarbe war gelblich, die Augen stechend und die Züge scharf und eckig. Neben ihr hockte bescheiden ein etwa fünfundzwanzigjähriger junger Mann. Seine Mienen waren ergeben, und die Blicke, mit denen er zur Mutter aufsah, demutsvoll.

      „Wilbur“, sagte Mrs. Isatschik mit einer Stimme, die wie eine zersprungene Saite klang. „Wilbur, hast du die Einladungskarte des Onkel Frederick gut verwahrt?“

      „Yes, dear mother“, lautete die Antwort.

      „Wilbur, hast du auch den Gashahn in der Küche abgedreht?“

      „Yes, dear mother. Als ich die angebrannte Mehlsuppe vom Feuer nahm, drehte ich ihn ab.“

      „Das war klug von dir, Wilbur; ich bin stolz auf dich“, erklärte die Mutter würdevoll. Nach einer Weile fuhr sie gemessen fort: „Du darfst in Gegenwart von fremden Leuten nie so ungeniert über Mehlsuppen sprechen. Wenn der Chauffeur dich hört, könnte er daraus schließen, daß wir arm sind. Wir essen immer Braten zu Hause, merke dir das!“

      Wilbur senkte den Kopf.

      „Yes, dear mother. Der Gänsebraten heute schmeckte ausgezeichnet.“

      „Du bist ein kluger Kopf, Wilbur! Übrigens, was glaubst du wohl, warum der alte Krakeeler Manhattan uns zu sich einladet? Bedenke, es geschieht seit langen Jahren zum erstenmal!“

      „Er wird sich langweilen, dear mother“, mutmaßte der Jüngling und gähnte verstohlen.

      „Du hast beinahe das Richtige getroffen, Wilbur“, sagte die Mutter eifrig. „Er will dich zu seinem Universalerben einsetzen! Verstehst du?“

      „Yes, dear mother. Das wäre nett von ihm.“

      „Nett?“ rief Mrs. Isatschik empört aus. „Seine Pflicht und Schuldigkeit ist das! Er hat keine Kinder; ich bin seine einzige Stiefschwester ...“

      „Du sagtest doch neulich, er hätte viele Verwandte?“ wagte Wilbur einzuwerfen.

      „Unterbrich mich nicht“, tadelte sie. „Natürlich hat er viele Verwandte: Brüder, Schwägerinnen, Neffen und Nichten. Ich aber bin seine einzige Stiefschwester. Und ich, deine Mutter, sage dir: du und kein anderer wirst Universalerbe! Was wirst du dann tun, Wilbur? He?“

      „Ich werde mich satt essen“, erklärte der junge Mann mit Sehnsucht in der Stimme.

      Mrs. Isatschik runzelte die Stirn.

      „Natürlich, das auch. Aber dein erster Gedanke wird doch deine Mutter sein? Nicht wahr, Wilbur?“

      „Yes, dear mother“, antwortete er demütig. „Du darfst dich auch satt essen.“

      Mrs. Isatschik wollte auffahren, doch bezwang sie sich.

      „Es gibt wichtigere Dinge als Essen“, belehrte sie ihn. „Du weißt, daß ich mein Asthma nur in einem europäischen Luftkurort ausheilen kann. Das würdest du doch deiner alten Mutter gönnen?“

      Wilbur blieb die Antwort schuldig.

      Er dachte an die Zeiten zurück, da sein Vater noch lebte, und der Erfüllung eines solchen Wunsches nichts im Wege gestanden hätte. Damals war alles anders gewesen: das Haus der Isatschiks war der Treffpunkt der vornehmsten Gesellschaft, es gab Pferde und eine zahlreiche Dienerschaft; alljährlich wurden kostspielige Reisen gemacht, und oft kreuzte man wochenlang mit eigener Yacht auf dem Ozean herum. Das alles hörte an dem Tage auf, als man seinen Vater mit durchschossener Schläfe im Turmzimmer auffand. Wilbur war damals erst dreizehn Jahre alt, aber er erinnerte sich noch heute des Anblicks. Nichts Fürchterliches war im Gesicht des Toten. Es schien fast, als läge auf den feingeschnittenen Lippen der Anflug des allen so gut bekannten sorglosen Lächelns.

      Wilbur dachte an die vielen fremden Leute, die dann immer wieder kamen und immer wieder

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