Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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199 Eine kurz vor denn Sezerssonskriege in den Vereinigten Staaten veröffentlichte Tabelle enthielt folgende Angaben über den Wert der jährlichen Produktion der Sklavenstaaten und die Zahl der beschäftigten Sklaven, von denen die übergroße Mehrzahl auf den Baumwollplantagen arbeitetet:
Baumwolle | Sklaven | |
1800 | 5,2 Mill. Doll. | 893.041 |
1810 | 15,1 Mill. Doll. | 1.191.364 |
1820 | 26,3 Mill. Doll. | 1.543.688 |
1830 | 34,1 Mill. Doll. | 2.009.053 |
1840 | 74,6 Mill. Doll. | 2.487.255 |
1850 | 111,8 Mill. Doll. | 3.179.509 |
1851 | 137,3 Mill. Doll. | 3.200.300 |
(Simons: Klassenkämpfe in der Geschichte Amerikas. Ergänzungsheft der "Neuen Zeit", Nr. 7, S. 39.)
200 Ein Musterbeispiel solcher Mischformen schildert der frühere englische Minister Bryce in den süd-afrikanischen Diamantgruben. "Die interessanteste Sehenswürdigkeit Kimberleys, die einzig in der Welt dasteht, sind die beiden sogen. 'Compounds', wo die in den Bergwerken beschäftigten Eingeborenen beherbergt und eingesperrt werden. Es sind ungeheure Einfriedungen ohne Dach, aber mit einem Drahtnetz überspannt, um zu verhindern, daß etwas über die Mauern geworfen wird. Ein unterirdischer Gang führt zu dem benachbarten Bergwerk. Es wird in drei 8stündigen Schichten gearbeitet, so daß der Arbeiter nie länger als 8 Stunden hintereinander unter der Erde ist. An der Innenseite der Mauer sind Hütten errichtet, wo die Eingeborenen wohnen und schlafen. Auch ein Hospital ist innerhalb der Umfriedung vorhanden sowie eine Schule, wo die Arbeiter in ihrer freien Zelt lesen und schreiben lernen können. Geistige Getränke werden nicht verkauft. - Alle Eingänge werden streng bewacht, und keine Besucher, weder Eingeborene noch Weiße, erhalten Zutritt; die Lebensmittel werden von einem innerhalb der Mauern befindlichen, der Gesellschaft gehörigen Laden geliefert. Das Compound der De Beers-Grube beherbergte zur Zeit meines Besuches 2.600 Eingeborene aller möglichen Stämme, so daß man dort Exemplare der verschiedensten Negertypen von Natal und Pondoland im Süden bis zum Tanganjikasee im fernen Osten sehen konnte. Sie kommen von allen Himmelsrichtungen, durch die hohen Löhne, gewöhnlich 18-30 M die Woche, herbeigelockt, und bleiben dort 3 Monate und länger, zuweilen sogar für lange Zeit ... In diesem weiten, rechteckigen Compound sieht man Zulus aus Natal, Fingos Pondos, Tembus, Basutos, Betschuanas, Untertanen Gungunhanas aus den portugiesischen Besitzungen, einige Matabeles und Makalakas und viele sog. Zambesi-Boys von den an beiden Ufern dieses Flusses wohnenden Stämmen. Sogar Buschmänner oder wenigstens Eingeborene, die von Buschmännern stammen, fehlen nicht. Sie wohnen friedlich zusammen und vergnügen sich in ihren freien Stunden auf ihre Art. Außer Glücksspielen sahen wir noch ein Spiel, das, dem englischen 'Fuchs und Gänse' ähnlich, mit Steinen auf einem Brett gespielt wird; auch Musik wurde auf zwei primitiven Instrumenten gemacht; auf dem sog. Kaffernklavier, das aus ungleich langen, nebeneinander in einem Rahmen befestigten Eisenplättchen besteht, und auf einem noch kunstloseren Instrument, aus ungleich langen, harten Holzstückchen gefertigt, denen man durch Anschlagen verschiedene Töne, die Rudimente einer Melodie entlocken kann. Einige wenige lasen oder schrieben Briefe, die übrigen waren mit Kochen oder Schwatzen beschäftigt. Manche Stämme schwatzen ununterbrochen und man kann in dieser seltsamen Negerretorte ein Dutzend Sprachen hören, wenn man von Gruppe zu Gruppe geht." Die Neger pflegen nach mehreren Monaten Arbeit mit ihrem aufgesparten Lohn das Bergwerk zu verlassen, um zu ihrem Stamme zurückzukehren, sich für das Geld eine Frau zu kaufen und wieder in ihren hergebrachten Verhältnissen zu leben. (James Bryce: Impressions of South Africa, 1897, deutsche Ausgabe 1900, S. 206.) Ebenda siehe auch die recht lebendige Schilderung der Methoden wie man in Südafrika die "Arbeiterfrage" löst. Wir erfahren da, daß man die Neger zur Arbeit in den Bergwerken und Plantagen in Kimberley, in Witwatersrand, in Natal, im Matabeleland zwingt dadurch, daß man ihnen alles Land und alles Vieh, d.h. die Existenzmittel nimmt, sie proletarisiert, sie auch mit Branntwein demoralisiert (später, als sie schon in der "Einfriedung" des Kapitals sind, werden ihnen, die an Alkohol erst gewöhnt worden, "geistige Getränke" streng verboten: Das Ausbeutungsobjekt muß in brauchbarem Zustand erhalten werden.), schließlich einfach mit Gewalt, Gefängnis, Auspeitschung in das "Lohnsystem" des Kapitals preßt.
201 Typisch für diese Beziehung ist das Verhältnis von Deutschland und England.
202 Nachdem er in seiner Geschichte Britisch-Indiens die Zeugnisse aus den verschiedensten Quellen, aus Mungo Park, Herodot, Volney, Acosta, Garcilaso de la Vega, Abbé Grosier, Barrow, Diodorus, Strabo u.a., wahllos und kritiklos zusammengeschleppt hat, um den Satz zu konstruieren, daß in primitiven Verhältnissen der Grund und Boden stets und überall Eigentum des Herrschers war, zieht Mill durch Analogie auch für Indien den folgenden Schluß: "From these facts only one conclusion can be drawn, that the property of the soil resided in the sovereign, for if it did not reside in him, it will be impossible to show to whom it belonged." (James Mill: The History of British-India, Bd. I, 4. Aufl., 1840. S. 311) Zu dieser klassischen Schlußfolgerung des bürgerlichen Ökonomen gibt sein Herausgeber H. H. Wilson, der als Professor des Sanskrit an der Universität in Oxford genauer Kenner der altindischen Rechtsverhältnisse war, einen interessanten Kommentar. Nachdem er schon in der Vorrede seinen Autor als einen Parteigänger charakterisiert, der die ganze Geschichte Britisch-Indiens zur Rechtfertigung der theoretical views of Mr. Bentham zurechtgestutzt und dabei mit zweifelhaftesten Mitteln ein Zerrbild des Hinduvolkes gezeichnet hätte (a portrait of the Hindus which has no resemblance whereever to the original, and which almost outrages humanity), macht er die folgende Fußnote: "The greater part of the text and of the notes here is wholly irrelevant. The illustrations drawn from Mahometans practice, supposing them to be correct, have nothing to do with the laws and rights of the Hindus. They are not, however, even accurate, and Mr. Mill's guides have misled him." Wilson bestreitet dann rundweg speziell in bezug auf Indien die Theorie von dem Eigentumsrecht des Souveräns auf Grund und Boden. (Siehe l.c., S. 305, Fußnote.) Auch Henry Maine meint, daß die Engländer ihren anfänglichen Anspruch auf den gesamten Grundbesitz in Indien, den Maine wohl als grundfalsch erkennt, von ihren muselmanischen Vorgängern übernommen hätten: "The assumption which the English first made was one which they inherited from their Mahometan predecessors. It was, that all the soil belonged in absolute property to the sovereign, and that all private property in land existed by his sufferance. The Mahometan theory and the corresponding Mahometan practice had put out of sight the ancient view of the sovereign's rights, which though it assigned to him a far larger share of the produce of the land than any western ruler has ever claimed, yet in nowise denied the existence of private property in land" (Village communities in the East and West, 5. Aufl., 1890. 104). Maxim Kowalewski hat demgegenüber gründlich nachgewiesen, daß die angebliche "muselmännische Theorie und Praxis" bloß eine englische Fabel war. (Siehe seine ausgezeichnete Studie in russischer Sprache: Das Gemeineigentum an Grund und Boden. Ursachen, Verlauf und Folgen seiner Zersetzung. Teil I, Moskau 1879.) Die englischen Gelehrten wie übrigens auch ihre französischen Kollegen halten jetzt zum Beispiel an einer analogen Fabel in bezug auf China fest, indem sie behaupten, alles Land sei dort Eigentum des Kaisers gewesen. Siehe die Widerlegung dieser Legende bei Dr. O. Franke: Die Rechtsverhältnisse am Grundeigentum in China. 1903.)