Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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So in dem von uns bereits zitierten Passus über den Getreidepreis: "In dem Getreidepreis z.B. bezahlt ein Teil die Bodenrente für den Besitzer, ein anderer die Arbeitslöhne oder den Unterhalt der Arbeiter und des Arbeitsviehs und der dritte den Gewinn des Pächters. Diese drei Teile scheinen entweder unmittelbar oder in letzter Linie den ganzen Getreidepreis auszumachen. Man könnte vielleicht noch einen vierten Teil für notwendig halten, um die Abnutzung des Arbeitsviehs und der Wirtschaftsutensilien auszugleichen. Aber es muß beachtet werden, daß der Preis aller Wirtschaftsutensilien sich wieder aus denselben drei Teilen zusammensetzt: 1. die Rente des Bodens, welcher es ernährt hat; 2. die auf seine Zucht verwendete Arbeit und 3. den Kapitalgewinn des Pächters, welcher sowohl die Bodenrente als die Arbeitslöhne vorgestreckt hat. Wenn also auch der Getreidepreis den Wert des Pferdes sowohl als dessen Ernährung enthält, so löst er sich doch mittelbar oder unmittelbar in die genannten drei Bestandteile: Bodenrente, Arbeit und Kapitalgewinn, auf."
Was Smith verwirrte, war, scheint es uns, folgendes:
1. Jede Arbeit geht vor sich mit irgendwelchen Produktionsmitteln. Aber das, was bei einer gegebenen Arbeit Produktionsmittel (Rohstoff, Instrument usw.), ist selbst Produkt einer früheren Arbeit. Für den Bäcker ist Mehl Produktionsmittel, dem er neue Arbeit zusetzt. Aber Mehl ist selbst aus der Arbeit des Müllers hervorgegangen, wo es nicht Produktionsmittel, sondern, genauso wie jetzt die Backware, Produkt war. Bei diesem Produkt war Korn als Produktionsmittel vorausgesetzt, aber wenn wir noch eine Stufe zurückgehen, so war Korn beim Landbauer nicht Produktionsmittel, sondern Produkt. Man kann kein wertenthaltendes Produktionsmittel finden, das nicht selbst Produkt einer früheren Arbeit wäre.
2. Kapitalistisch gesprochen, folgt daraus: Alles Kapital, das zur Herstellung irgendeiner Ware von Anfang bis zu Ende gebraucht wurde, läßt sich schließlich in ein gewisses Quantum geleisteter Arbeit auflösen.
3. Der Gesamtwert der Ware, alle Kapitalauslagen inbegriffen, löst sich also einfach in ein gewisses Arbeitsquantum auf. Und was auf jede Ware, muß sich auch auf die Gesamtheit der jährlich von der Gesellschaft hergestellten Warenmasse beziehen, auch ihr Gesamtwert löst sich in ein Quantum geleisteter Arbeit auf.
4. Jede kapitalistisch geleistete Arbeit zerfällt in zwei Teile: bezahlte, die die Löhne ersetzt, und unbezahlte, die Profite und Renten, d.h. Mehrwert schafft. Jede kapitalistisch geleistete Arbeit entspricht der Formel v + m.21
Alle bisherigen Thesen sind vollkommen richtig und unbestreitbar. Ihre Erfassung durch Smith beweist die Stärke und Unbeirrtheit seiner wissenschaftlichen Analyse und seinen Fortschritt in der Wert- und Mehrwertauffassung über die Physiokraten hinaus. Nur daß er bei These 3 gelegentlich in der Schlußfolgerung den groben Schnitzer machte: der Gesamtwert der jährlich hergestellten Warenmasse löse sich in das Quantum der in diesem Jahre geleisteten Arbeit auf, während er selbst an anderen Stellen zeigt, daß er sehr wohl weiß, der Wert der in einem Jahre von der Nation hergestellten Waren schließe notwendig auch die Arbeit früherer Jahre - nämlich die in den übernommenen Produktionsmitteln eingeschlossene Arbeit - ein.
Und doch mußte die aus den obigen ganz richtigen vier Thesen gezogene Schlußfolgerung Smith': der Gesamtwert jeder Ware wie der jährlichen Warenmasse der Gesellschaft löse sich restlos in v + m auf, ganz falsch sein. Smith identifiziert die richtige These: aller Wert der Ware stellt nichts als gesellschaftliche Arbeit dar, mit der falschen: aller Wert stellt nichts als v + m dar. Die Formel v + m drückt die Funktion der lebendigen Arbeit unter kapitalistischen Wirtschaftsverhältnissen aus, nämlich die Doppelfunktion: 1. Ersatz des variablen Kapitals (der Löhne); 2. Schaffung des Mehrwerts für den Kapitalisten. Diese Funktion erfüllt die Lohnarbeit während ihrer Anwendung durch den Kapitalisten, und durch die Realisierung des Warenwerts in Geld zieht der Kapitalist sowohl das in Löhnen vorgeschossene variable Kapital zurück, wie er den Mehrwert in die Tasche steckt. v + m drückt also das Verhältnis zwischen Lohnarbeiter und Kapitalist aus, ein Verhältnis, das jedesmal mit der Herstellung der Ware zu Ende ist. Ist die Ware verkauft und das Verhältnis v + m in Geld für den Kapitalisten realisiert, dann ist das Verhältnis und seine Spur in der Ware also erloschen. Der Ware und ihrem Wert sieht man absolut nicht an, in welchem Verhältnis und ob überhaupt ihr Wert durch bezahlte und unbezahlte Arbeit hergestellt ist, das einzige, was zweifellose Tatsache, ist der Umstand, daß die Ware ein gewisses Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit enthält, was in ihrem Austausch zum Ausdruck kommt. Für den Austausch selbst also wie für den Gebrauch der Ware ist es völlig gleichgültig, ob die Arbeit, die sie darstellt, in v + m zerfiel oder nicht. Nur ihr Quantum als Wert spielt eine Rolle im Austausch, und nur ihre konkrete Beschaffenheit, ihre Nützlichkeit spielt eine Rolle im Gebrauch. Die Formel v + m drückt also sozusagen nur das intime Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, die soziale Funktion der Lohnarbeit aus, die im Produkt ganz erlischt. Anders mit dem ausgelegten Kapitalteil, der in Produktionsmitteln angelegt ist, dem konstanten Kapital. Der Kapitalist muß außer Lohnarbeit noch Produktionsmittel anschaffen, weil jede Arbeit gewisser Rohstoffe, Instrumente, Baulichkeiten zu ihrer Tätigkeit bedarf. Der kapitalistische Charakter auch dieser Bedingung der Produktion kommt darin zum Ausdruck, daß diese Produktionsmittel eben als c, als Kapital erscheinen, d.h. 1. als Eigentum einer anderen Person als die Arbeitenden, getrennt von der Arbeitskraft, als Eigentum der Nichtarbeitenden; 2. als bloßer Vorschuß, Auslage zum Zwecke der Mehrwerterzeugung. Das konstante Kapital c erscheint hier nur als Grundlage für v + m. Aber das konstante Kapital drückt noch etwas mehr aus, nämlich die Funktion der Produktionsmittel im menschlichen Arbeitsprozeß unabhängig von jeder historisch-gesellschafthchen Form. Der Rohstoffe und Instrumente zur Arbeit bedarf in gleichem Maße der Feuerländer bei der Anfertigung seines Familienkanus, die kommunistische Bauerngemeinde in Indien bei der Bestellung der Gemeindeäcker, der ägyptische Fellache beim Anbau seiner Dorfländereien wie beim Bau der Pyramiden für den Pharao, der griechische Sklave in der kleinen athenischen Manufaktur, der feudale Fronbauer, der mittelalterliche Zunfthandwerker und der moderne Lohnarbeiter. Die aus menschlicher Arbeit bereits hervorgegangenen Produktionsmittel sind der Ausdruck des Kontakts der menschlichen Arbeit mit dem Naturstoff und dadurch ewige allgemeine Vorbedingung des menschlichen Produktionsprozesses. Die Figur c in der Formel c + v + m drückt also eine bestimmte Funktion der Produktionsmittel aus, die mit dem Aufhören der Arbeit nicht erlischt. Während es für den Austausch wie für den Gebrauch der Ware völlig gleichgültig ist, ob sie durch bezahlte oder unbezahlte Arbeit, durch Lohnarbeit, Sklavenarbeit, Fronarbeit oder irgendeine andere Arbeit zustande gekommen, ist es für den Gebrauch der Ware von entscheidender Wichtigkeit, ob sie selbst Produktionsmittel oder Lebensmittel ist. Die Tatsache, daß bei der Herstellung einer Maschine bezahlte und unbezahlte Arbeit verwendet worden, ist nur für den Fabrikanten der Maschine und seine Arbeiter von Bedeutung; für die Gesellschaft, die durch den Austausch die Maschine erwirbt, ist nur ihre Eigenschaft als Produktionsmittel, ihre Funktion im Produktionsprozeß von Bedeutung. Und genauso, wie jede produzierende Gesellschaft der wichtigen Funktion der Produktionsmittel seit jeher darin Rechnung tragen mußte, daß sie in jeder Produktionsperiode für die Herstellung erforderlicher Produktionsmittel der nächsten Periode Sorge trug, so kann auch die kapitalistische Gesellschaft jedes Jahr ihre Wertproduktion nach der Formel v + m, das heißt die Ausbeutung der