Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg

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Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band) - Rosa Luxemburg

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wir nur in der Tat in Wertverhältnissen ausgedrückt, was Grundlage nicht nur der kapitalistischen Reproduktion, sondern der Reproduktion jeder Gesellschaft ist. In jeder produzierenden Gesellschaft, welche ihre soziale Form auch sei - in der primitiven kleinen Dorfgemeinde der Bakaïri Brasiliens, in dem großen Oikos mit Sklaven eines Timon von Athen oder auf den kaiserlichen Fronhöfen Karls des Großen -, muß die verfügbare Arbeitsmenge der Gesellschaft so verteilt werden. daß sowohl Produktionsmittel in genügender Menge wie Lebensmittel hergestellt werden. Und zwar müssen die ersteren ausreichen ebenso zur direkten Herstellung von Lebensmitteln wie zur künftigen Erneuerung der Produktionsmittel selbst, die Lebensmittel aber zur Erhaltung der mit ihrer Herstellung wie mit der Herstellung der Produktionsmittel beschäftigten Arbeitenden und obendrein zur Erhaltung aller Nichtarbeitenden. Insofern ist das Marxsche Schema in seiner allgemeinen Proportion die allgemeine absolute Grundlage der gesellschaftlichen Reproduktion, nur daß hier die gesellschaftlich notwendige Arbeit als Wert erscheint, die Produktionsmittel als konstantes Kapital, die zur Erhaltung der Arbeitenden notwendige Arbeit als variables Kapital und die zur Erhaltung der Nichtarbeitenden notwendige als Mehrwert.

      In der kapitalistischen Gesellschaft beruht aber die Zirkulation zwischen den zwei großen Abteilungen auf Warenaustausch, auf Austausch von Äquivalenten. Die Arbeiter und Kapitalisten der Abteilung I können nur soviel Lebensmittel von der Abteilung II erhalten, wie sie ihr an der eigenen Ware, an Produktionsmitteln, liefern können. Der Bedarf der Abteilung II an Produktionsmitteln wird aber bemessen durch die Größe ihres konstanten Kapitals. Daraus folgt also, daß die Summe des variablen Kapitals und des Mehrwerts in der Produktion der Produktionsmittel - hier (1.000 v + 1.000 m) I - dem konstanten Kapital in der Produktion der Lebensmittel - hier 2.000 c II - gleich sein muß.

      Eine wichtige Bemerkung muß noch zu dem obigen Schema gemacht werden. Das angegebene konstante Kapital seiner beiden Abteilungen ist in Wirklichkeit nur ein Teil des von der Gesellschaft angewandten konstanten Kapitals. Letzteres zerfällt in fixes - Baulichkeiten, Werkzeuge, Arbeitstiere -, das in mehreren Produktionsperioden fungiert, in jeder aber nur mit einem Teil seines Wertes - im Verhältnis zum eigenen Verschleiß - in das Produkt eingeht, und in zirkulierendes - Rohstoffe, Hilfsstoffe, Heizungs- und Beleuchtungsstoffe -, das in jeder Produktionsperiode ganz mit dem Wert in das neue Produkt eingeht. Für die Reproduktion kommt aber nur der Teil der Produktionsmittel in Betracht, der wirklich in die Wertproduktion eingeht, der übrige, außerhalb des Produkts übriggebliebene und fortfungierende Teil des fixen Kapitals muß zwar im Auge behalten, kann jedoch bei der exakten Darstellung der gesellschaftlichen Zirkulation außer Betracht gelassen werden, ohne die Richtigkeit der Darstellung zu beeinträchtigen. Dies kann leicht bewiesen werden.

      Denken wir uns das konstante Kapital 6.000 c der I. und der II. Abteilung, das in das Jahresprodukt dieser Abteilung tatsächlich eingeht als bestehend aus 1.500 c fixem und 4.500 c zirkulierendem, wobei die 1.500 c fixes den Jahresverschleiß der Baulichkeiten, Maschinen, Arbeitstiere darstellen usw. Dieser Jahresverschleiß sei gleich 10 Prozent des Gesamtwerts des fixen Kapitals, das in Anwendung kommt. Dann hätten wir in Wirklichkeit in den beiden Abteilungen 15.000 c fixes 4.500 c zirkulierendes Kapital, zusammen also 19.500 c + 1.500 v an gesellschaftlichem Gesamtkapital. Das ganze fixe Kapital jedoch, dessen Lebensdauer (bei 10 Prozent Jahresverschleiß) auf 10 Jahre angenommen wird, muß erst nach 10 Jahren erneuert werden. Inzwischen geht jedes Jahr ein Zehntel seines Werts in die gesellschaftliche Produktion ein. Würde das gesamte fixe Kapital der Gesellschaft in gleichem Maße verschleißen und gleiche Lebensdauer haben, so müßte es - bei unserer Annahme - alle zehn Jahre auf einmal in seiner Totalität erneuert werden. Dies ist aber nicht der Fall. Von den verschiedenen Gebrauchsgestalten und Teilen des fixen Kapitals dauern die einen kürzer, die anderen länger, der Verschleiß und die Lebensdauer sind bei verschiedenen Gattungen und Individuen des fixen Kapitals ganz verschieden. Daraus ergibt sich, daß auch die Erneuerung die Reproduktion des fixen Kapitals in seiner konkreten Gebrauchsgestalt durchaus nicht auf einmal in ihrer Totalität vorgenommen zu werden braucht, sondern daß fortwährend an verschiedenen Punkten der gesellschaftlichen Produktion eine Erneuerung von Teilen des fixen Kapitals stattfindet, während andere Teile noch in ihrer alten Gestalt fortfahren zu fungieren. Der 10prozentige Verschleiß des fixen Kapitals, den wir in unserem Beispiel angenommen haben, bedeutet also nicht, daß alle 10 Jahre eine einmalige Reproduktion des fixen Kapitals im Werte von 15.000 c stattfinden muß, sondern daß jährlich im Durchschnitt die Erneuerung und der Ersatz eines Teils des gesamten fixen Kapitals der Gesellschaft, der dem zehnten Wertteil dieses Kapitals entspricht, stattfinden muß, d.h., daß in der Abteilung I, die den Gesamtgebrauch der Gesellschaft an Produktionsmitteln zu decken hat, jährlich neben der Reproduktion der ganzen Roh- und Hilfsstoffe usw., des zirkulierenden Kapitals im Werte von 4.500, auch noch die Herstellung von Gebrauchsgestalten des fixen Kapitals, also Baulichkeiten, Maschinen usw. im Belaufe von 1.500, die dem tatsächlichen Verschleiß des fixen Kapitals entspricht, stattfinden muß; zusammen 6.000 c, die auch im Schema angenommen wurden. Fährt die Abteilung I fort, in dieser Weise jährlich ein Zehntel des fixen Kapitals in seiner Gebrauchsgestalt zu erneuern, so wird sich finden, daß alle zehn Jahre das ganze fixe Kapital der Gesellschaft an Kopf und Gliedern durch neue Exemplare ersetzt worden ist, daß also die Reproduktion auch derjenigen seiner Teile, die wir, dem Wert nach, außer Betracht gelassen haben, im obigen Schema vollkommen berücksichtigt ist.

      Praktisch äußert sich dieser Vorgang darin, daß jeder Kapitalist aus seiner jährlichen Produktion nach der Realisierung der Waren eine gewisse Geldsumme für Amortisation des fixen Kapitals auf die Seite legt. Diese einzelnen Jahresabschreibungen müssen erst einen Betrag von gewisser Höhe ausmachen, bevor der Kapitalist tatsächlich sein fixes Kapital erneuert resp. durch andere, leistungsfähigere Exemplare ersetzt. Diese abwechselnde Tätigkeit jährlicher Rücklagen von Geldbeträgen für die Erneuerung des fixen Kapitals und einer periodischen Verwendung der angesammelten Summe zur tatsächlichen Erneuerung des fixen Kapitals fällt aber bei verschiedenen individuellen Kapitalisten auseinander, so daß die einen noch Rücklagen machen, während andere bereits die Renovierung vornehmen. Auf diese Weise ergibt jedes Jahr die Erneuerung eines Teils des fixen Kapitals. Die Geldvorgänge maskieren hier nur den wirklichen Vorgang, der den Reproduktionsprozeß des fixen Kapitals charakterisiert.

      Das ist bei näherem Zusehen auch ganz in der Ordnung. Das fixe Kapital nimmt zwar in seiner Totalität am Produktionsprozeß teil, aber nur als eine Masse von Gebrauchsgegenständen. Baulichkeiten, Maschinen, Arbeitsvieh werden in ihrer ganzen Körperlichkeit im Arbeitsprozeß in Anspruch genommen. In die Wertproduktion jedoch gehen sie - darin besteht gerade ihre Besonderheit als fixes Kapital - nur mit einem Teil ihres Wertes ein. Da im Prozeß der Reproduktion (unter Voraussetzung einfacher Reproduktion) es nur darauf ankommt, die während der Jahresproduktion an Lebensmitteln wie an Produktionsmitteln tatsächlich verzehrten Werte in ihrer Naturalgestalt wieder zu ersetzen, so kommt auch das fixe Kapital für die Reproduktion nur in dem Maße in Betracht, als es tatsächlich in die produzierten Waren eingegangen ist. Der übrige in der gesamten Gebrauchsgestalt des fixen Kapitals verkörperte Wertteil ist von entscheidender Wichtigkeit für die Produktion als Arbeitsprozeß, existiert aber nicht für die jährliche Reproduktion der Gesellschaft als Wertbildungsprozeß.

      Übrigens trifft der Vorgang, der hier in Wertverhältnissen zum Ausdruck kommt, genauso für jede auch nicht warenproduzierende Gesellschaft zu. Wenn es z.B. zur Herstellung des berühmten Mörissees nebst dazugehörigen Nilkanälen im alten Ägypten, jenem Wundersee, von dem uns Herodot erzählt, daß er "von Händen gemacht" war, sagen wir, einst einer zehnjährigen Arbeit von 1.000 Fellachen bedurft hatte und wenn zur Instandhaltung dieser großartigsten Wasseranlage der Welt jedes Jahr die volle Arbeitskraft von weiteren 100 Fellachen erforderlich war (die Zahlen sind, versteht sich, willkürlich), so kann man sagen, daß das Mörisstaubecken mit Kanälen nach hundert Jahren allemal neureproduziert wurde, ohne daß in Wirklichkeit jedes Jahrhundert die Anlage in ihrer Gesamtheit auf einmal hergestellt worden wäre. Dies ist so wahr, daß, als mit den stürmischen Wechselfällen der politischen Geschichte und den fremden Eroberungen die übliche rohe Vernachlässigung der alten Kulturwerke eintrat, wie sie z.B. auch von den Engländern in Indien an den Tag gelegt wurde, als für die Reproduktionsbedürfnisse der altertümlichen Kultur das Verständnis geschwunden

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