Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg
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Endlich das m - Mehrwert - stellt die Gesamtsumme aller von den Einzelkapitalisten erzielten Mehrwerte dar. In jeder Gesellschaft wird Mehrarbeit geleistet und wird z.B. auch in der sozialistischen Gesellschaft geleistet werden müssen. In dreifachem Sinne: als Arbeitsquantum zur Erhaltung Nichtarbeitender (Arbeitsunfähiges, Kinder, Greise, Gebrechlicher, öffentlicher Beamten und sog. liberaler Berufe, die am Produktionsprozeß nicht unmittelbar teilnehmen 23), als Assekuranzfonds der Gesellschaft für elementare Unglücksfälle, die den jährlichen Ausfall der Produktenmasse gefährden (Mißernte, Waldbrand, Überschwemmungen), endlich als Fonds zur Erweiterung der Produktion, sei es infolge des Bevölkerungszuwachses, sei es infolge der kulturellen Hebung der Bedürfnisse. Die kapitalistische Form äußert sich in doppelter Hinsicht: 1. darin, daß die Mehrarbeit als Mehrwert, d.h. in Warenform und in Geld realisierbar geleistet wird, 2. darin, daß sie als Eigentum nichtarbeitender Besitzer der Produktionsmittel zum Vorschein kommt.
Die beiden Figuren v + m endlich stellen zusammen gleichfalls eine objektive Größe von allgemeiner Gültigkeit dar: die Gesamtsumme der in der Gesellschaft im Verlaufe eines Jahres geleisteten lebendigen Arbeit. Jede menschliche Gesellschaft, von welcher geschichtlichen Form auch, muß sich für diese Tatsache interessieren, sowohl im Verhältnis zu den erzielten Resultaten wie im Verhältnis zu den vorhandenen und verfügbaren Arbeitskräften überhaupt. Auch die Einteilung in v + m ist eine allgemeine, von den besonderen historischen Formen der Gesellschaft unabhängige Erscheinung. Der kapitalistische Ausdruck dieser Einteilung äußert sich nicht nur in den qualitativen Besonderheiten beider, die bereits hervorgehoben sind, sondern auch in ihrem quantitativen Verhältnis, darin, daß v die Tendenz zeigt, auf das physiologische und soziale Minimum. das zur Existenz der Arbeitenden notwendig ist, herabgedrückt zu werden, und daß das m auf Kosten des v und im Verhältnis zu ihm stets zu wachsen die Tendenz hat.
Letzterer Umstand drückt endlich die vorherrschende Eigentümlichkeit der kapitalistischen Produktion aus: die Tatsache, daß die Schaffung und Aneignung von Mehrwert der eigentliche Zweck und das treibende Motiv dieser Produktion ist.
Man sieht: Die der kapitalistischen Formel des Gesamtprodukts zugrunde liegenden Beziehungen sind von allgemeiner Gültigkeit und werden in jeder planmäßig organisierten Wirtschaftsform Gegenstand einer bewußten Regelung seitens der Gesellschaft - der Gesamtheit der Arbeitenden und ihrer demokratischen Organe in einer kommunistischen Gesellschaft, des besitzenden Zentrums und seiner despotischen Gewalt in einer auf Klassenherrschaft beruhenden Gesellschaft. Unter der kapitalistischen Produktionsform besteht eine planmäßige Regelung des Ganzen nicht. Die Gesamtheit der Kapitale wie der Waren der Gesellschaft besteht in Wirklichkeit aus einer Summe unzähliger zersplitterter Einzelkapitale und einzelner Warenposten.
Es entsteht somit die Frage, ob denn diese Summen selbst in der kapitalistischen Gesellschaft etwas mehr als den Sinn einer bloßen statistischen Aufstellung, noch dazu von sehr ungenauem und schwankendem Charakter besitzen. Auf dem Maßstab der Gesamtgesellschaft kommt jedoch zum Ausdruck, daß die völlig selbständige, selbstherrliche Einzelexistenz der privatkapitalistischen Betriebe bloß die historisch bedingte Form, während der gesellschaftliche Zusammenhang die Grundlage ist. Obwohl die Einzelkapitale völlig unabhängig agieren und eine gesellschaftliche Regelung vollständig fehlt, vollzieht sich die Gesamtbewegung aller Kapitale als ein einheitliches Ganzes. Auch diese Gesamtbewegung äußert sich in spezifisch kapitalistischen Formen. Während bei jeder planmäßig organisierten Produktionsform die Regelung sich vor allem auf das Verhältnis der gesamten geleisteten und zu leistenden Arbeit und den Produktionsmitteln - in den Zeichen unserer Formel gesprochen: zwischen (v + m) und c - oder zwischen der Summe der benötigten Lebensmittel benötigten Produktionsmittel - in der Formel dasselbe (v + m) zu c - bezieht, wird kapitalistisch die zur Erhaltung der toten Produktionsmittel wie der lebenden Arbeitskräfte benötigte gesellschaftliche Arbeit als ein Ganzes, als Kapital behandelt, dem die geleistete Mehrarbeit als m, Mehrwert, entgegengestellt wird. Das Verhältnis dieser beiden Größen m und (c + v) ist ein reales, objektives, handgreifliches Verhältnis der kapitalistischen Gesellschaft. nämlich die durchschnittliche Profitrate, die tatsächlich jedes Privatkapital nur als ein Teil eines gemeinsamen Ganzen, des gesellschaftlichen Gesamtkapitals, behandelt, ihm den Profit als einen ihm nach Größe zukommenden Teil des aus der Gesellschaft herausgepreßten Gesamtmehrwerts ohne Rücksicht auf das von ihm tatsächlich erzielte Quantum zuweist. Das gesellschaftliche Gesamtkapital mit seinem Gegenstück, dem gesellschaftlichen Gesamtmehrwert, sind also nicht bloß reale Größen von objektiver Existenz, sondern ihr Verhältnis, der Durchschnittsprofit, leitet und lenkt - vermittelst des Mechanismus des Wertgesetzes - den ganzen Austausch, nämlich die quantitativen Austauschverhältnisse der einzelnen Warenarten unabhängig von ihren besonderen Wertverhältnissen, ferner die gesellschaftliche Arbeitsteilung, d.h. die Zuweisung entsprechender Kapitalportionen und Arbeitskräfte zu den einzelnen Produktionssphären, die Entwicklung der Produktivität der Arbeit, nämlich einerseits das Stimulieren der Einzelkapitale zu Pionierarbeiten, um sich über den Durchschnittsprofit zu erheben, und andererseits die Ausbreitung der von den einzelnen erzielten Fortschritte auf die Gesamtproduktion usw. Mit einem Wort: Das gesellschaftliche Gesamtkapital beherrscht durch die Durchschnittsprofitrate die scheinbar selbständigen Bewegungen der Einzelkapitale völlig.24
Die Formel c + v + m paßt also nicht bloß auf die Wertzusammensetzung jeder einzelnen Ware, sondern auch auf die Gesamtheit der in einer Gesellschaft kapitalistisch produzierten Waren. Dies bezieht sich aber nur auf die Wertzusammensetzung. Darüber hinaus hört die Analogie auf.
Die genannte Formel ist nämlich vollkommen exakt, wenn wir das Gesamtprodukt einer kapitalistisch produzierenden Gesellschaft als Totalität, als Arbeitsprodukt eines Jahres, auf ihre betreffenden Bestandteile analysieren wollen. Die Figur c zeigt uns an, wieviel von vergangener, in früheren Jahren in Gestalt von Produktionsmitteln geleisteter Arbeit in das Produkt dieses Jahres mit übernommen worden ist. Die Figur v + m zeigt den Wertbestandteil des Produkts, der ausschließlich im letzten Jahre durch Neuarbeit geschaffen worden ist, endlich das Verhältnis von v und m zeigt uns die Verteilung des jährlichen Arbeitspensums der Gesellschaft zwischen der Erhaltung der Arbeitenden und der Erhaltung der Nichtarbeitenden. Diese Analyse bleibt richtig und maßgebend auch für die Reproduktion des Einzelkapitals, ohne jede Rücksicht auf die sachliche Gestalt des von ihm geschaffenen Produkts. Bei dem Kapitalisten der Maschinenindustrie erscheinen c wie v wie m unterschiedslos in Gestalt von Maschinen oder Maschinenteilen wieder. Bei seinem Kollegen von der Zuckerbranche kommen c wie v und m aus dem Produktionsprozeß in Zuckergestalt zur Welt. Beim Eigentümer eines Tingeltangels werden sie in den Körperreizen der Tänzerinnen und der "Exzentriks" vergegenständlicht. Sie unterscheiden sich voneinander in dem unterschiedslosen Produkt nur als dessen aliquote Wertteile. Und dies genügt für die Reproduktion des Einzelkapitals vollkommen. Denn die Reproduktion des Einzelkapitals beginnt mit der Wertgestalt des Kapitals, ihr Ausgangspunkt ist eine gewisse Geldsumme, die aus der Realisierung des hergestellten Produkts herausspringt. Die Formel c + v + m ist dann die gegebene Grundlage für die Einteilung jener Geldsumme in einen Teil zum Ankauf von sachlichen Produktionsmitteln, einen anderen zum Ankauf der Arbeitskraft und einen dritten zur persönlichen Konsumtion des Kapitalisten, falls, wie wir hier zunächst annehmen, einfache Reproduktion stattfindet, oder nur zum Teil zur persönlichen Konsumtion, zum Teil zur Vergrößerung des Kapitals, falls erweiterte Reproduktion stattfinden soll. Daß er zur tatsächlichen Reproduktion mit dem so eingeteilten Geldkapital wieder den Warenmarkt beschreiten muß, um die sachlichen Voraussetzungen der Produktion: Rohstoffe, Werkzeuge usw. sowie Arbeitskräfte zu erwerben, versteht sich von selbst. Daß der Einzelkapitalist dann auf dem Markt die Produktionsmittel und Arbeitskräfte, die er für sein Geschäft braucht, auch tatsächlich vorfindet, erscheint dem Einzelkapitalisten wie seinem wissenschaftlichen Ideologen, dem